Trierischer Volksfreund, 20.11.2007

von Christiane WOLFF

Luftrechnungen im Umweltzentrum

Die Handwerkskammer Trier hat einen Vorzeige-Mitarbeiter fristlos entlassen. Zusammen mit zwei Dozenten habe der für Weiterbildungskurse des HWK-Umweltzentrums Verantwortliche „mindestens 15 000 Euro“ unterschlagen. Angezeigt hat die Kammer ihn nicht – dabei sind massenhaft öffentliche Gelder in die Kurse geflossen. Die HWK sei in die Machenschaften eingeweiht gewesen, sagt die Anwältin des Gekündigten. 

Zusammen mit zwei Dozenten habe Paulsen (Name von der Redaktion geändert) „Luftrechnungen“ ausgestellt, erklärte Rechtsanwalt Ingo Becker, Vertreter der Gesellschaft zur Förderung des Handwerks (GFH) beim Gütetermin vor dem Trierer Arbeitsgericht. Bei der GFH – einer der Beschäftigungsgesellschaften der HWK – war Paulsen bis zu seiner fristlosen Entlassung Anfang Oktober angestellt. Mit zwei Honorarkräften soll er „gemeinsame Sache“ gemacht haben: Die beiden Dozenten der Weiterbildungskurse des Umweltzentrums (UWZ) hätten Abrechnungszettel ausgefüllt über Unterrichtsstunden, die sie nie gehalten hatten, erklärte Becker vor Gericht. Paulsen habe die Stundenzettel unterzeichnet und sie weiter an die Rechnungsstelle der HWK geleitet.

Satter Rückfluss an UWZ-Mitarbeiter

Ein Dozent habe so falsche Rechnungen über 10 000 Euro gestellt und erhalten, der andere über 3400 Euro, führte Rechtsanwalt Becker vor Gericht aus. Die bisherige Recherche habe einen Abrechnungsbetrug von insgesamt 15000 Euro ergeben. Rund 13000 Euro davon sollen die beiden Dozenten an Paulsen zurück überwiesen haben. „Für angebliche Beratungsleistungen“, berichtete Becker dem Arbeitsrichter Martin Dorp. Von den Dozenten, die den Betrug zugegeben hätten, habe man sich mittlerweile getrennt. Paulsen wurde fristlos entlassen.

Im Kreis seiner Mitarbeiter hat HWK-Hauptgeschäftsführer Hans-Hermann Kocks allerdings offenbar erklärt, Paulsen habe nicht 15 000 sondern sogar 30 000 Euro unterschlagen, wie der TV aus interner Quelle erfuhr. Eine offizielle Anfrage des Volksfreunds dazu wollte Kocks nicht beantworten, weil es sich um ein „laufendes Verfahren mit strafrechtlicher Relevanz“ und „Interna“ handele.

Tatsächlich hat die GFH beziehungsweise die HWK ihren ehemaligen Mitarbeiter Paulsen bisher nicht angezeigt. Dabei sind in die UWZ-Kurse zum Bauen, Renovieren und Sanieren massenhaft Fördergelder geflossen. Nicht nur der Komplett-Umbau des UWZ-Gebäudes in der Cläre-Prem-Straße wurde mit öffentlichen Geldern gestemmt. Auch Konzepte und Lehrmaterial wurden von den Landesministerien für Wirtschaft und Umwelt, vom Bund und aus verschiedenen EU-Förderprogrammen kräftig gesponsert. Für Führungskräfte aus dem Handwerk, die an den aktuellen Kursen teilnehmen, erhält das UWZ außerdem Zuschüsse vom Zentralverband des deutschen Handwerks.

Auf den Betrug aufmerksam geworden sei man im UWZ erst durch einen anonymen Anruf, erklärte Rechtsanwalt Becker vor dem Arbeitsgericht. Dabei wurden nach TV-Recherchen üblicherweise alle Dozentenabrechnungen nicht nur von Paulsen unterzeichnet, sondern mussten mit detaillierten Angaben zu Datum, Uhrzeit und Unterrichtsmodul des jeweiligen Kurses sowie der Kostenstelle dem Leiter des UWZ, Theo Bohr, oder dessen Stellvertreterin zur Kontrolle vorgelegt werden. „Und beim Controlling der Zahlstelle der HWK wurden diese Abrechnungen dann noch einmal geprüft“, heißt es aus internen Kreisen.

„Mein Mandant hat mir gesagt, dass alles, was passiert ist, mit der HWK abgesprochen war“, behauptete denn auch Rechtsanwältin Petra Lipka, die Paulsen vor dem Arbeitsgericht vertritt. „Mit der HWK war nichts dergleichen abgesprochen“, hält Kocks dagegen, eben deswegen sei ja die fristlose Kündigung ausgesprochen worden. Gegen diese klagt Paulsen derweil auf Wiedereinstellung.

Für persönliche Stellungnahmen waren weder Paulsen noch UWZ-Leiter Theo Bohr in den vergangenen Tagen zu erreichen – beide sind bis auf weiteres krank geschrieben.