Die Berichte des Straubinger Tagblatt, 04.11.2015

Vom Erntehelfer zum „Wahlhelfer“ ?

Vom Erntehelfer zum „Wahlhelfer“ ?

 

Straubinger Tagblatt , 21.03.2014 
von Uschi ACH

Geiselhöring. Seit der Auszählung der Briefwahlbezirke geht in Geiselhöring das Gerücht um, es könnte mit der Wahl nicht ganz so seine Richtigkeit gehabt haben. Erntehelfer sollen mit ihren Stimmen „Wahlhelfer“ gewesen sein. Inzwischen haben Amtsinhaber Bernhard Krempl (FW) und seine FW-Stadtratskollegen die Wahl angefochten. „Es bestehen auffällige Schwankungen, die aus den Wahlergebnissen ersichtlich sind.“ Auch der neu gewählte Bürgermeister Herbert Lichtinger (CSU) hat sich per Mail beim Landratsamt gemeldet und eine Überprüfung der Wahlunterlagen beantragt.

Schon am Sonntagabend hatten sich Wahlbeobachter über überraschende und starke Ergebnisveränderungen gewundert. Sie erzählen, dass Bürgermeister Krempl bis zum Auszählen der Briefwahlunterlagen vorne gewesen sei. „Nicht haushoch, aber deutlich.“ Dann sei alles plötzlich gekippt und der Herausforderer Herbert Lichtinger hatte mit 53,8 Prozent die Nase vorn.

Briefwahlbezirk drei

Vor allem der Briefwahlbezirk drei habe das Ergebnis umgedreht. „Überraschenderweise auch das Ergebnis der Stadtratssitze selbst.“ Plötzlich tauchten dort Namen von CSU-Kandidatinnen und CSU-Kandidaten auf, die vorher klar zurücklagen. Das Überraschende daran: Einige davon gehören einem ganz besonderen, CSU-nahen Personenkreis an. Gemeint sind hier die Ehefrau eines Spargelgroßbauern, der Freund der Tochter, der Cousin, eine Mitarbeiterin und ein Nachbar. So richtig laut aber will es in Geiselhöring niemand sagen, nur hinter vorgehaltener Hand: Diese Wahlen wurden manipuliert. Ein Vorwurf, den der Spargelbauer selbst zurückweist. Die Erntehelfer seien größtenteils selbstständig und nicht bei ihm angestellt.

Inzwischen haben beide, der bisherige FW-Bürgermeister Bernhard Krempl und sein CSU-Herausforderer Herbert Lichtinger, reagiert und am Landratsamt eine Anfechtung beantragt beziehungsweise Überprüfung der Wahl angefordert.

Die Leiterin der Kommunalaufsicht im Landratsamt, Birgit Fischer-Rentel, hat am Donnerstag frühmorgens die Mail von Herbert Lichtinger im Maileingang vorgefunden. Darin habe er sich auf die Gerüchte um eine vermeintliche Geiselhöringer Wahlmanipulation bezogen und betont, dass ihm stets Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit wichtig waren. Deshalb möchte er nun größtmögliche Transparenz bei den Wahlergebnissen. Dies betonte Lichtinger auch auf Nachfrage. „Ich möchte nur Bürgermeister sein, wenn mich die Geiselhöringer wirklich gewählt haben.“ Somit sei es ihm wichtig, dass die Vorfälle juristisch geklärt werden.

„Wir fechten die Wahl an, weil wir möchten, dass die Ergebnisse vom Landratsamt überprüft werden“, erklärte Bernhard Krempl auf Nachfrage. „Das bin ich den Geiselhöringern schuldig.“ Die Unterschiede von den normalen Stimmbezirken zur Briefwahlauszählung seien so massiv, dass „hier tatsächlich etwas nicht stimmt“.

„Alles überprüfen“

„Wir werden jetzt alles überprüfen“, kündigte Birgit Fischer-Rentel an. Dabei werde nachgeforscht, ob alle Wähler wahlberechtigt waren, oder ob tatsächlich welche gewählt haben, die nicht hätten wählen dürfen. Überprüft werde zudem, ob die Wähler freiwillig und unbeeinflusst gewählt haben. „Möglicherweise stand ja jemand dabei und hat mehr geholfen als erlaubt.“

Denkbar sei allerdings auch eine Urkundenfälschung, vielleicht habe jemand anstelle der Wähler gewählt. Nicht uninteressant sei auch der Punkt, ob es sich um abhängige Menschen gehandelt hat. „Auch dies werden wir überprüfen.“ Sollte allerdings eine Straftat vorliegen, dann würden die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. An einem Beispiel veranschaulicht: Es könnten ja alle 500 Wahlscheine exakt gleich ausgefüllt worden sein oder mit demselben Stift. Auch dies käme dann zur Staatsanwaltschaft zur Überprüfung. Zum jetzigen Zeitpunkt aber könne sie nichts Konkretes sagen.

Interessant sei auf alle Fälle, ob die Erntehelfer, wenn diese denn tatsächlich gewählt haben, überhaupt wahlberechtigt waren. Sie würde es nicht blind unterschreiben, dass Erntehelfer grundsätzlich wählen dürfen, nur weil sie mit dem Hauptwohnsitz in Geiselhöring gemeldet sind. Sie kenne zwar die Ausführungen im Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz, aber die Schlussfolgerung, dass der Lebensmittelpunkt dieser Menschen deshalb in Geiselhöring ist, nur weil sie dort einen Hauptwohnsitz haben, wage sie – vorsichtig gesagt – zu bezweifeln. „Stellen Sie sich vor, dass diese Männer oft Frau und Kinder in ihrer Heimat haben.“ Sei dann in diesem Fall Geiselhöring wirklich der Lebensmittelpunkt? „Dies wird aber sicherlich auch geprüft.“

Lasst Zahlen sprechen ...

Ob, und wenn ja, wen die Erntehelfer gewählt haben, erschließt sich möglicherweise aus den Zahlen der Geiselhöringer Homepage. Nicht direkt natürlich, etwas Kombinationsgabe ist schon vonnöten. Im Vergleich nur die Landtagswahl 2013 und die Kommunalwahl 2014:
Da die Unionsbürger aus Osteuropa nicht an Landtagswahlen teilnehmen dürfen, betrug in Geiselhöring die Zahl der Stimmberechtigten 5 064, davon gingen 3 359 zum Wählen. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von insgesamt 66,3 Prozent. Bei der Bürgermeisterwahl am Sonntag waren 5 741 Menschen stimmberechtigt. Das sind 677 Wähler mehr, was durchaus auf angemeldete Erntehelfer zurückzuführen sein könnte. Gewählt haben von den 5 741 Bürgern immerhin 3 961, das sind deutlich mehr Menschen als im Vorjahr (plus 602). Auch ist die diesjährige Wahlbeteiligung mit 69,52 Prozent verglichen mit anderen Gemeinden hoch.

Eindrucksvoll auch der Vergleich der Briefwahlzahlen. Im vergangenen Jahr nutzten bei der Landtagswahl 1 427 Geiselhöringer die Möglichkeit der Briefwahl. Am Sonntag bei den Kommunalwahlen waren es bereits 2 705 Bürger (2008: 2 042). Aber zugegeben: Briefwahl boomt.


Wer darf wo wählen?

Sie gilt seit 1. Januar auch für Rumänen und Bulgaren: die Freizügigkeit. Es ist einer der großen Vorzüge in der EU, dass deren Bürger sich über die Grenzen hinaus bewegen, in anderen EU-Ländern leben und arbeiten können. Für Letzteres brauchen sie einen Hauptwohnsitz, von wo aus sie ihrer Arbeit nachgehen können. Dort können sie auch wählen. Zumindest bei den Kommunalwahlen.
Wer aber darf wählen? Als Antwort zitiert Stefan Frey, Pressesprecher am Innenministerium in München, aus dem Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz – GLKrWG). Darin steht im Artikel 1, dass bei Gemeinde- und Landkreiswahlen alle Personen wahlberechtigt sind, die am Wahltag Unionsbürger sind, das 18. Lebensjahr vollendet haben, sich seit mindestens zwei Monaten im Wahlkreis mit dem Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen aufhalten und nicht nach Artikel 2 vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Frey weist darauf hin, dass der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen dort vermutet wird, wo die Person gemeldet ist. Sei eine Person in mehreren Gemeinden gemeldet, werde dieser Aufenthalt dort vermutet, wo sie mit der Hauptwohnung gemeldet ist. Dort dürfe sie wählen. Weiter ist zu lesen, dass Unionsbürger alle Deutschen im Sinn des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes sowie die Staatsangehörigen der übrigen EU-Mitgliedstaaten sind.     


KOMMENTAR

Die Dosis macht das Gift

Nun also wird sie überprüft, die Kommunalwahl in Geiselhöring. Um diese Arbeit ist niemand zu beneiden, schließlich müssen viele Wahlunterlagen gesichtet und begutachtet werden. Trotz des Aufwands ist dies aber dringend notwendig, gibt es doch noch allzu viele offene Fragen.
Dass ein Großteil der rumänischen Erntehelfer gewählt hat, geht aus den Zahlen auf der Geiselhöringer Homepage eindrucksvoll hervor. Interessant aber ist, wie hoch deren Wahlbeteiligung wirklich war und wie viele die Briefwahl nutzten. Das muss jetzt ermittelt werden. Natürlich gehört untersucht, ob sie zu ihrem Wahlgang „extern motiviert“, also von bestimmten Personen dazu angestiftet wurden. Möglicherweise wurden ihnen von diesen gar die Wahlunterlagen ausgefüllt. Sollte es tatsächlich Unterstützer gegeben haben, waren diejenigen vielleicht so unklug, bei allen Unterlagen denselben Stift zu verwenden. Da wären sie nicht die ersten ...
Unabhängig vom Untersuchungsergebnis darf sich jeder durchwegs intelligente Mensch aber gerne fragen, wieso rumänische Erntehelfer überhaupt die Idee hatten, zur Wahl zu gehen, obwohl sie fast kein Deutsch sprechen und gar nicht wissen, wer die Kandidaten sind, geschweige denn, wie deren politische Zielsetzung ist.
Eines aber ist klar. Die Freizügigkeit ist eine der größten Errungenschaften der EU. Damit ist natürlich eingeschlossen, dass EU-Bürger aus Osteuropa wählen dürfen. Daran ist überhaupt nicht zu rütteln. Aber die Dosis macht hier das Gift. Deshalb darf es nicht sein, dass rund 500 Rumänen durch ihre Stimmabgabe ein Wahlergebnis so weit verfälschen, dass es nicht mehr dem Willen der einheimischen Bevölkerung entspricht.             

Das MÄRCHEN ... 
... vom Lohn, vom Brot und von den Stiften

Es war einmal eine Stadt im Herzen des schönen Bayernlandes, in der Milch und Honig flossen. Und weil es sich bei dieser Stadt nicht nur um die reichste, sondern auch um die schönste Stadt im weiten Umkreis handelte, tobte um deren Regentschaft ein heftiger Streit. Denn ein Nachteil plagte seit Jahren Bürger und Regenten: Die Stadt hatte die schlechteste Wegeverbindung im ganzen Umland. Weder mit Kutschen noch mit Pferdefuhrwerken konnten die Passagiere schnell genug die nahegelegene Landeshauptstadt erreichen. So geschah, was geschehen musste: Es herrschten in der Bürgerschaft Hader und Streit.
Da begab es sich, dass in dieser Stadt wieder das Amt des Regenten zu vergeben war und mit dieser ehrenvollen Aufgabe auch die Ratssitze für seine Hofschranzen. Und so herrschte Ratlosigkeit, wie man dem aktuellen Regenten seinen Thron streitig machen könnte. Ein kleines, besonders machtgieriges Häuflein begann sich die Haare zu raufen, bis ihr Schädel fast kahl war, und sie beratschlagten, was zu tun sei. Da traf es sich gut, dass zu dieser Zeit fahrendes Volk in der Gegend lagerte, und so beschlossen die Machtgierigen, diese kurzfristig ansässig zu machen. Dadurch sei es ihnen erlaubt, an der Wahl des Regenten teilzunehmen. Der reiche Großgrundbesitzer vermittelte ihnen Herberge und gab ihnen Lohn, Brot und einen Stift. Und weil das Völkchen sehr arm war, war es ihm dafür aus ganzem Herzen dankbar.
Als dann der Wahltag nahte, rieb sich das Häufchen der Machtgierigen die Hände, konnte es sich doch der schriftlichen Unterstützung der fremdländischen Menschen sicher sein.
Siegessicher harrten sie dann auch am Wahltag der Auszählung und tatsächlich geschah das Unfassbare: Der bisherige Regent wurde abgewählt und so klopfte der neue Herrscher den Seinigen nichtsahnend auf die Schulter.
Im Volk aber machte sich Unmut breit. Den stolzen Bürgern wurde immer klarer, dass ein fahrendes Völkchen bestimmt hatte, wer sie in den kommenden sechs Jahren regieren würde. Da wurden sie von Tag zu Tag wütender. Und weil sie als ehrliche Demokraten aber nichts machen konnten – alles schien nach außen rechtens – beschlossen sie, sich jedes Mal wegzudrehen, wenn der neue Regent und seine Hofschranzen ihren Weg kreuzen sollten. Und so geschah es auch.
Dem neuen Herrscher war dies peinlich, aber er vertraute die ersten Tage darauf, dass die Menschen solche Geschehnisse gemeinhin schnell vergessen, und freute sich, das erste Mal im Schlosse Hof halten zu dürfen. Voller Freude erhob er sich bei der Sitzung von seinem Throne, doch als er zu reden anhub, versteinerte seine Zunge und er brachte kein Wort mehr heraus. Erschrocken eilten ihm drei der Hofschranzen zu Hilfe, doch bei jedem, der ihn berührte, versteinerte die Zunge ebenso. Da eilten alle nach Hause und versteckten sich – in der Stadt fielen nie mehr böse Worte.
In Folge wurden die Stadt und das sie umgebende Land von einer großen Dürre heimgesucht und so verarmte auch der Großgrundbesitzer. Das fahrende Volk aber zog weiter. Seither freuen sie sich auf die nächsten Wahlen, bei denen sie wieder selbst bestimmen dürfen, wer sie die kommenden Jahre regieren wird.                                             
Anmerkung: Alle Personen und Ereignisse sind nicht gänzlich frei erfunden.