Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 01.06.2006

von Marion GIRKE

Thea Schädlich - Macht ihr Fall Rechtsgeschichte ?

Der Fall der alten Dame Thea Schädlich aus Kummerfeld wird möglicherweise Rechtsgeschichte machen. Dies wurde bei einer mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Itzehoe deutlich. Es ging um den Teilaspekt, ob Thea Schädlichs Haus weiterhin vorläufig vor dem Abriß geschützt ist. Darüber wird in zwei Wochen entschieden.

Das 7400 Quadratmeter große ehemalige Grundstück Thea Schädlichs, das sich in Filetlage mitten im Ort befindet, wurde gegen ihren Willen von ihren gerichtlich eingesetzten Betreuern an die Gemeinde verkauft. Der von Thea Schädlichs Pinneberger Anwalt Gunther Giese geführte Rechtsstreit um die eventuelle Unwirksamkeit des Kaufvertrags berührt mittlerweile Fragen des Betreuungsrechts, für die das Bundesverfassungsgericht neue Vorgaben gemacht hat.

Am 4. Januar teilte Kummerfelds Bürgermeister Hanns-Jürgen Bohland Thea Schädlich mit, daß sie Haus und Grundstück, die ihr 30 Jahre lang gehört hatten, nicht mehr betreten dürfe, weil die Gemeinde neue Eigentümerin sei. Mit dem von ihren Betreuern veranlaßten Verkauf hatte sie sich niemals einverstanden erklärt. Seit Februar versucht die 68 Jahre alte Rentnerin mit gerichtlicher Hilfe den Erhalt ihres Hauses, eine Rückabwicklung des Kaufvertrags und die Rückgabe des Grundstücks durchzusetzen. Nach Ansicht der Gemeinde Kummerfeld ist es dafür bereits zu spät.

Die Zeit, die verronnen ist, bis Gerichte zugunsten Thea Schädlichs entschieden haben, hat Thea Schädlich um einen Teil ihrer Habseligkeiten gebracht. Ihr Grundstück ist mittlerweile bis auf das Haus kahl geräumt und gerodet. Es mußten Zuständigkeiten von Gerichten und Prozeßführungsbefugnisse von Rechtsanwälten geklärt werden, bevor eingegriffen werden konnte.

Die demnächst anstehende entscheidende Frage ist die, ob Thea Schädlich Grundstück samt Haus zurückerhält. Dies hängt davon ab, ob, wie geschehen, ein einfacher Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts den von den Betreuern getätigten Verkauf wirksam genehmigen durfte. Der Grundstückskaufvertrag ist mit der Eintragung der Gemeinde als neuer Eigentümerin komplett abgewickelt. Es geht um das Problem, ob die Betreute jetzt keine Chance mehr haben könnte, die näheren Umstände des Rechtsgeschäfts von einem Richter überprüfen zu lassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Januar 2000 entschieden, daß eine derartige Benachteiligung gegen die Rechtsweggarantie des Artikels 19 Grundgesetz verstößt. Der Fall Thea Schädlichs ist einer der ersten bundesweit, auf den diese Vorgabe angewendet werden muß. Die Gemeinde Kummerfeld sieht sich aber andererseits in Grundrechten verletzt, wenn sie auf eine erteilte vormundschaftliche Genehmigung nicht vertrauen durfte.

Sämtliche Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtags wollen Justizminister Uwe Döring (SPD) jetzt auffordern, Änderungen des Betreuungsrechts in Erwägung zu ziehen, wenn das Beispiel Thea Schädlichs kein Einzelfall sein sollte.


Das Abendblatt hat den Fall aufgedeckt
Der Fall der alten Dame - das Hamburger Abendblatt hat ihn aufgedeckt und berichtet seit Wochen darüber (siehe Ausriss). Zeitweise war unsere Zeitung wegen gerichtlicher Anordnungen gehindert, die Betreute und die näheren Umstände des gegen ihren Willen erfolgten Grundstücksverkaufs beim Namen zu nennen. Das Abendblatt durfte nicht einmal den Ort nennen, in dem das Haus von Thea Schädlich steht.

Inzwischen hat das Abendblatt erfolgreich beim Berliner Landgericht geklagt und darf unter voller Namensnennung über Thea Schädlich berichten. Ihr Pinneberger Rechtsanwalt Gunther Giese hat erreicht, dass einer der beiden Betreuer, die an dem Grundstücksverkauf mitgewirkt haben, abgelöst und mit Nanija Kroemer eine neue Betreuerin eingesetzt wurde, die mehr Vertrauen genießt. Über seinen Antrag, auch den zweiten, vor allem für rechtliche Belange zuständigen Betreuer durch den Hamburger Strafrechtsprofessor Bernd-Rüdeger Sonnen zu ersetzen, muss noch entschieden werden.

Giese konnte zwar nicht verhindern, dass das Grundstück geräumt und gerodet wurde. Der Abriss des Hauses ist der Gemeinde Kummerfeld jetzt aber bis zur endgültigen Entscheidung über die mögliche Unwirksamkeit des Kaufvertrags untersagt. Und Giese glaubt sogar, dass es gute Gründe gibt, an der generellen Notwendigkeit der Betreuung zu zweifeln, die auf Antrag der zuständigen Amtsverwaltung gerichtlich angeordnet worden war. (mg)