Kölner Stadt-Anzeiger ein halbes Jahr später, 28.10.2009

von Andreas DAMM, Detlef SCHMALENBERG

Widersprüche um Risse in der Schlitzwand

Widersprüche um Risse in der Schlitzwand

 

Kölner Stadt-Anzeiger , 28.10.2009
von Detlef SCHMALENBERG

Von "Auffälligkeiten" und angeblichen Löchern ist die Rede. Eine defekte Schlitzwand, die in 36 Metern Tiefe das U-Bahn-Bauloch seitlich vor Wassereinbruch schützen sollte, könnte der wahre Grund für den Einsturz des Stadtarchivs am 3. März gewesen sein. Dies ergaben erste Untersuchungen von Sachverständigen. Weitere Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft sowie der beteiligten Baufirmen und der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) werden folgen.

Bemerkenswert ist jedenfalls, dass die Schlitzwand-Theorie mit Aussagen übereinstimmt, die Mitarbeiter einer Brunnenbaufirma nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" zehn Tage nach dem Unglück gemacht hatten. Sie sagten bei ihrer Vernehmung aus, dass das Wasser seitlich in die Grube eingedrungen sei - das müsse wohl die Ursache für den Einsturz gewesen sein. Der unterirdische Wasserstrom, so die bisherigen Vermutungen, spülte das Erdreich weg, wodurch das Gebäude seinen Grund verlor und einstürzte.

Stillschweigen gefordert

Die Brunnenbaufirma war seit 2005 auf der Baustelle tätig, um den Grundwasserspiegel zu regulieren. Matthias C., der Inhaber des Unternehmens, hat sich dem Vernehmen nach in den Gesprächen mit der Kriminalpolizei auch erbost über die Arbeitsgemeinschaft (Arge) anderer am Bau beteiligter Firmen geäußert. Der in den Medien geäußerten Darstellung, die Ursache des Desasters sei vermutlich ein Problem mit dem Grundwasser und mit den Brunnen gewesen, hätten sie widersprechen müssen.Dass dies nicht geschehen ist, habe er bei einem Treffen mit den Arge-Unternehmen vehement kritisiert, woraufhin er zum "Stillschweigen" über seine Sichtweise des Einsturzes aufgefordert worden sei. Auch vor dem Unglück sei er immer wieder "verarscht" worden. Vorherige Wasseraustritte aus Wänden seien mehrfach bestritten worden.

Zum Unglückszeitpunkt war C. nicht vor Ort, jedoch mehrere seiner Mitarbeiter. Einer sagte aus, dass er an der Stützwand zum Archiv einen neuen Brunnen installieren sollte. Die Sohle der Baugrube sei dort noch "nackt", also ohne Betonschicht und Bodenplatte gewesen. Und aus der Wand sei Wasser gelaufen, was wohl der Grund dafür gewesen sei, hier eine neue Pumpe einzubauen. Als ein kleiner Bagger etwas Schutt in diesem Bereich entfernt habe, sei plötzlich ein "starker und massiver Wassereinbruch" aus der Stützwand zu beobachten gewesen, der sekündlich stärker wurde.

Zwei weitere Brunnenbauer haben die Version der durchlässigen Stützwand bestätigt. Einer konkretisierte, er habe etwa einen halben Meter oberhalb des Baugrunds schon Stunden vor dem Einsturz zwei Austrittsstellen gesehen. Falls sich die Aussagen der Brunnenbauer bewahrheiten sollten, könnten immense Schadensersatzforderungen auf die Arge-Unternehmen und die KVB zukommen. In der Öffentlichkeit wurde bisher immer gemutmaßt, dass ein hydraulischer Grundbruch die Unglücksursache gewesen sei, dass Wasser also aus dem Boden kam, was als "unvermeidbares Risiko" gewertet werden könnte, als Schicksalsschlag, für den nur die Versicherungen aufkommen müssten. Befeuert wurde diese These von Aussagen einiger Mitarbeiter einer Tiefbaufirma. Sie hatten gesagt, dass sie, etwa einen halben Meter von der Stützwand entfernt, einen Wassereinbruch aus dem Boden gesehen hätten. Wie eine Fontäne seien Wasser und Kies aus der Erde geschossen. Die Brunnenbauer haben dem vehement widersprochen.

Diese Aussagen führten vor allem dazu, "Spekulationen anzuheizen", sagte Sascha Bamberger von der Bilfinger Berger AG, die für die in der Arge zusammengeschlossenen Baufirmen federführend ist. Die Ursachen des Einsturzes seien weiterhin "völlig unklar".

Dezernent Streitberger wehrt sich

Der städtische Baudezernent Bernd Streitberger will sich mit einer Klage gegen den Verweis wehren, den Ex-Oberbürgermeister Fritz Schramma gegen ihn ausgesprochen hat. Das teilten Streitbergers Anwälte am Dienstag mit. Der Vorwurf, ihr Mandat habe nach dem Einsturz des Stadtarchivs wichtige Informationen verspätet weitergegeben, treffe nicht zu. Es ging darum, dass Grundwasserprobleme bereits Monate vor dem Unglück bekannt gewesen sein sollen. Streitberger habe die zweifelhafte Information erst prüfen müssen, so die Anwälte. "Es handelt sich aus unserer Sicht um eine sehr persönliche Bewertung des ehemaligen Oberbürgermeisters, mit der er möglicherweise eine persönliche Betroffenheit kompensieren möchte." (adm)