Whistleblower Rudolf ELMER: die Chronologie

(Recherchen: ACG, fabsan, LaurA; Text: JL)

ab 1990

Ein Jahr nach dem Fall des "Eisernen Vorhang", der die Hemissphäre in einen West- und einen östlichen Teil geteilt hatte, ändert sich auch auf den Finanzmärkten einiges. Hatten Steuerfluchtburgen wie die Schweiz, das Fürstentum Liechtenstein in Europa, das Land Panama in Mittelamerika oder die dortigen Karbikinseln vorrangig das Geld von westlichen Mafia-Organisationen,Waffenhändlern oder Drogenbaronen gebunkert, so gibt es ab jetzt neue Kundschaft: aus dem Osten.
Einer der Gründe, weshalb auch in der Schweiz - offiziell - die Geldwäsche gesetzlich bekämpft wird.

Dies ändert, wenn man genauer hinschaut, nicht wirklich alles. Der bekannte Soziologieprofessor in Genf, Dr. Jean ZIEGLER, veröffentlicht 1992 ein neues Buch: "Die Schweiz wäscht weisser. Die Finanzdrehscheibe des internationalen Verbrechens". ZIEGLER, u.a. Berater für die Vereinten Nationen, knapp 3 Jahrzehnte für die schweizerischen Sozialdemokraten im Berner Parlament, ist ein langjähriger Kritiker des System Schweiz. Deswegen ist er insolvent: Prozesse, die viele Mächtigen der Welt sowie das Bankenviertel gegen ihn angestrengt haben, versuchen ihn auf diese Weise einzuschüchtern.

Auch Erich DIEFENBACHER, promovierter Jurist und Bankenspezialist, der 1945 in Wiesbaden von einem SS-Standgericht zum Tode verurteilt worden war und sich danach als Anwalt in der Schweiz selbstständig gemacht hatte und seither unentwegt auf die unnatürlichen Kapitalflüsse, die damit verbundene Steuerhinterziehung und einschlägige Geldwäschepraktiken aufmerksam macht, veröffentlicht zur gleichen Zeit einen Buchbeitrag mit dem Titel "Schmutzige Erbschaft - eine Staatsaffäre?". Hier prangert er das "System Christian Schmid" an, bei dem ein ehemaliger Weggefährte des italienischen Duce Benito MUSSOLINI sein Vermögen nach Liechtenstein und in die Schweiz verschoben hatte. Ein Jahr später ein neuer Fachaufsatz von ihm: "Offshore - Finanzplätze".
Kurz zuvor hatte DIEFENBACHER vom schweizerischen "Sonderbeauftragten für Staatsschutzakten" eine Kopie seiner Akte bei der Bundespolizei (BuPo - entspricht dem deutschen BKA bzw. dem US-amerikanischen FBI) zugeschickt bekommen:

"Motive des Schweizer Banken- und Anwaltskartells für die Eliminierung von Erich Diefenbacher aus dem Schweizer Rechts- und Wirtschaftsleben; u.a. wegen der Standhaftigkeit i.S. Christian Schmid: ..." heißt es gleich auf der ersten Seite der geheimen Aktennotiz.

Jetzt wird es für den Berner Rechtsanwalt zu problematisch: Er muss emigrieren - man versucht ihn mittels fiktiver Steuerschulden mundtot zu machen. Bzw. ihn aus der Schweiz zu vertreiben. Ein altbewährter Trick, den man auch gern in osteuropäischen Staaten anwendet, um unbequeme Menschen unter Druck zu setzen. DIEFENBACHER wandert aus: nach Deutschland (zurück). Mehr unter www.ansTageslicht.de/Diefenbacher. 


1994

Zu dieser Zeit ist Rudolf ELMER, der seine Karriere als junger Revisor bei der Credit Suisse begonnen, dann für KPMG gearbeitet hatte und anschließend beim Bankhaus Julius Bär in Zürich weiter aufstiegen ist, bereits seit sieben Jahren in der Innenrevision tätig. Die Bank Julius Bär zählt als die größte schweizerische Privatbank zu den ganz Feinen in ihrer Klasse. Auch auf Cayman Islands, einer Karibikinsel östlich von Kuba, ist das Bankhaus Julius Bank vertreten.
Rudolf E. BÄR, CEO und oberster Chef der Bär-Gruppe, bittet Rudolf ELMER, als Chefbuchhalter zur Niederlassung auf den Cayman-Inseln zu wechseln. Dort müssten ganz dringend die Geschäftsstrukturen effizienter gestaltet werden. Und man wolle das Geschäft ausweiten. ELMER ist stolz auf dieses Angebot: "Vom Revisor, der in Zürich die Bücher prüft, hinaus in die Welt, wo man nach harter Arbeit im Wasser liegen und die Fische ansehen kann", wird sich Rudolf ELMER sehr viel später im Jahr 2008 in einem Interview mit der SZ an diesen Augenblick erinnern.


1995 und danach

Der Aufgabenbereich auf der Karibikinsel gestaltet sich als abwechslungsreich, ebenso aber auch als arbeitsreich. Rund 1.300 Überstunden laufen in diesem Jahr auf - im Durchschnitt jeden Tag rund 12 Arbeitsstunden. Mit "im Wasser liegen und Fische anzusehen" ist es ersteinmal nichts, die Sonntage ausgenommen. Denn es stellt sich heraus, dass die schweizerische Niederlassung für die Bär-Gruppe äußerst wichtig, aber nicht besonders gut organisiert ist. Das war bisher nicht unbedingt notwendig, denn das (große) Geld kam allein - Werbung zu machen war überflüssig. Jetzt allerdings waren die Bilanzen derart gewachsen und angesichts diverser Geld- und Währungsgeschäfte die Risiken (für die Kunden) derart gestiegen, dass eine gewisse Grundstruktur eingezogen werden musste. Rudolf ELMER ist ab sofort für viele Dinge zuständig:

  • das Management mehrerer Geschäftsbereiche wie beispielsweise IT und Büros
  • Sicherheitsmanagement
  • internes Controlling, Krisenmanagement und Notfallstrategien
  • Controlling der gesamten Finanz- und Kontenverwaltung
  • Budgetierung und Controlling neuer Finanzinstrumente
  • Risikosteuerung und Kreditüberwachung
  • Reorganisation des gesamten Prozessmanagement
  • Stellvertretung des Geschäftsführers
  • Hedge Fund Manager
  • und anderes mehr.

In einem kleinen Land, das ich vor allem durch kristallglares Meerwasser, viel Sonne und wohlige Wärme auszeichnet und das als nicht sonderlich entwickelt gelten kann, ist die Arbeitsmoral nicht sonderlich ausgeprägt. Weil ELMER aber die Arbeitsmotivation steigern möchte, muss er selbst Vorbild sein. Und entsprechend arbeiten. Ab und an bleibt ELMER gleich im Büro und übernachtet dort. Besonders dann, wenn ein Computerprogramm noch nicht zu Ende ist, aus Zeitgründen aber unmittelbar danach das nächste installiert werden soll bzw. anlaufen muß. Remote Control von zu Hause aus ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht entwickelt. Und würde wohl auch kaum den Diskretionsansprüchen der Kundschaft entsprechen.


Zu seinem Job gehört es auch, regelmäßig mit den gesamten Datenträgern aller Konten in ein Flugzeug zu steigen und weit weg zu fliegen, wenn mal wieder ein zerstörerischer karibischer Hurrikan im Anzug ist. ELMER ist für fast alles zuständig. Sein Jahresgehalt steigt von 110.000 $ nach und nach auf 212.000 US-Dollar.

Die Arbeit und das unermüdliche Engagement hinterlassen Spuren: Rücken- und Hüftschmerzen werden zum ständigen Begleiter


1997

In der Schweiz wird das Gesetz gegen die Geldwäsche nochmals präzisiert: nicht nur reguläre Banken und Versicherungen, auch der Parabankensektor fällt darunter: unabhängige Vermögensverwalter, Treuhänder, Trusts und ähnliche Institutionen. Allerdings nur solche, die in der Schweiz beheimatet sind. Bzw. dort juristisch vertreten sind. Was sich auf den fernen Cayman Island abspielt, unterliegt weder dem schweizerischen Recht noch dem Schweizer Bankgeheimnis. Die kleine Insel mit ihren rd. 50.000 Einwohnern ist britisches Überseegebiet, hat aber seine eigene Gesetzgebung, Polit- und Arbeitskultur.

Umso wichtiger wird jetzt diese 'Enklave', wenn es um Geschäfte und/oder Kunden geht, die zwar auf die Schweizer Diskretion nicht verzichten möchten, ihre Gelder aber lieber außerhalb des Alpenstaates bunkern wollen. Bis zu 40% des Konzerngewinns bei Julius Bär entsteht jetzt auf den Cayman-Inseln. Beziehungsweise in diesen Räumen (siehe Foto).


1998

Rudolf ELMER steigt auf: bisher nur Chief Operating Officer wird er jetzt auch Compliance Officer. Konkret: Er muss über die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften und internationalen Standards wachen - er wird quasi zum Gewissen des Unternehmens. Hatte ELMER bisher dem Topmanagement in Zürich direkt berichtet, ist die karibische Einheit jetzt der New Yorker Niederlassung von Julius Bär unterstellt.

Mit diesen neuen Aufgaben betraut muss sich ELMER fortan nicht nur mit dem Controlling und der Organisation der reinen Zahlen aller Geld- und Finanztransaktionen befassen, sondern sich jetzt auch mit den Zwecken und Zielen der Transfers befassen. Nach und nach entdeckt er Indizien, die für Steuerhinterziehung und Geldwäsche sprechen. Und er erkennt immer mehr buchhalterische Tricks, die nichts anderes als Täuschungsmanöver sind: für dubiose Geschäfte, die nicht mehr die Grauzone des Bankgeschäfts betreffen, sondern die Grenze zur Illegalität überschritten haben.

  • So entdeckt ELMER Konten des Bauingenieurs Raul SALINAS, dem Bruder des mexikanischen Staatspräsidenten Carlos SALINAS. Raul ist in ein Mordkomplott involviert, wird später (1999) auch wegen Mittäterschaft verurteilt. Und konnte in seinem Arbeitsleben mehrere Millionen US-Dollar ansammeln - Gelder, die in einem Bär-Trust auf Cayman Islands gebunkert sind.
  • Wenig später der Symac Trust, der seinem Inhaber monatlich 12.000 Dollar überweist: Mario Arturo ACOSTA CHAPARRO, mexikanischer Brigadegeneral, der nicht nur im Drogengeschäft mitmischt, sondern auch für die "Flights of Death" (Oppositionelle werden über dem Meer aus dem Flugzeug geworfen) verantwortlich ist. Der Geheimpolizeioffizier wird zwei Jahre später verhaftet, zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, vorzeitig entlassen und 2012 von konkurrierenden Drogenhändlern auf offener Strasse erschossen werden.

Mehr unter Cayman-Kunden der Bank Julius Bär.

Rudolf ELMER schlägt Alarm. Bei seinem Vorgesetzten, dem Geschäftsführer von Julius Bär auf Cayman Island. Der will davon nichts wissen. Auch der New Yorker CEO interessiert sich für ELMER's Bedenken nicht. Im Gegenteil: ELMER wird unter Druck gesetzt und fortan von vielen Informationen abgeschnitten. Schließlich wendet er sich an die Züricher Zentrale. Von dort kommt keinerlei Reaktion


ein Jahr später

Weil ELMER überall aufläuft und niemanden davon überzeugen kann, dass man auch auf redliche Art und Weise auf den Cayman Inseln Geld verdienen kann, wird er nachdenklich. Insbesondere weil er merkt, dass ihm nun vermehrt eine ganze Reihe geschäftlicher Transaktionen vorenthalten werden. Und er feststellen muss, dass merkwürdige Geschäftspraktiken nichts anderes als Manipulationen sowie Verschleierungsmanöver sind.

Beispiel:

Der einzige Aktionär der auf Cayman Island domizilierenden Julius Baer Bank & Trust Company Ltd (JBB&TC) ist die in Zürich beheimatete Julius Baer Holding AG. Die JBB&TC finanziert sich aus sog. Callgeldern von Kunden, hauptsächlich aus Zürich, aber auch anderer Bär-Niederlassungen auf der Welt. Die ist eine "Win-Win"-Position, denn den Kunden wird auf die Callgeld-Zinsen keine schweizerische Verrechnungssteuer (35%) abgezogen und JBB&TC kann sich mit billigem kurzfristigen Callgeld finanzieren. Damit werden hochverzinsliche Wertschriften und gewinnbringende Aktien gekauft. Alle Gewinne für die Bär-Gruppe fallen in der Steueroase Cayman an. Die Bankenwelt ist dort ebenfalls nur schwach reguliert. Eigenkapitelanforderungen gibt es nicht. Bei einem Umsatzvolumen von weit über 1 Milliarde Schweizer Fränkli kommt da einiges zusammen.

Allerdings: Alle Käufe und Verkäufe, also alle Entscheidungen fallen tatsächlich in Zürich. Dort ist auch das Know-how. Ebenso das Risikomanagement. Auf Cayman Island findet nur eine Art Schattenbuchhaltung statt, die so tut, als würde das alles dort bzw. von dort aus entschieden, gemanagt und kontrolliert. Dazu müssen bei JBB&TC über das konzerninterne Kommunikationssystem "Lotus Notes" nachträglich fiktive Aufträge bestätigt werden. Und um alles abzusichern, muss das Caymann-Management ebenso fiktive Protokolle erstellen, aus denen hervorgeht, dass alle Transaktionen auf den Cayman Island durchgeführt wurden. Einmal die Woche werden diese Papiere dann ins Generalsekretariat nach Zürich geschickt. Für die dortige Buchhaltung. Und als 'Nachweis', dass die Entscheidungsfindung, Riskmanagement und die gesamte Abwicklung im Cayman Office erfolgt.

Weil er sich nicht sicher ist, dass er auf den Caymans noch lange bleiben wird oder die Insel fluchtartig verlassen muss, lässt sich ELMER ein Zwischenzeugnis ausstellen. Die Bank gewährt ihm das. Die innere Unruhe und das Gefühl, dass man von ihm erwartet, ein stiller Zeuge zu sein und all das zu akzeptieren, was nicht internationalen Regeln und schon garnicht ethisch-moralischen Überlegungen entspricht, schlagen sich weiter auf seine Gesundheit nieder. Die Problematik belastet nicht nur ihn, sondern auch seine Familie. ELMER wird stiller und stiller, kommuniziert wenig darüber mit seiner Frau. 


2000 + 2001

Jetzt wird die Hälfte der Belegschaft ausgewechselt, denn der neue lokale CEO Charles FARRINGTON will es so, und so auch der übergeordnete CEO in New York. Der neue Lokal-CEO bringt seine eigenen Leute von der Bank of America mit und positioniert diese in wichtigen Positionen.

ELMER muss ins Krankenhaus nach Miami: Er erhält einen Herzkatheter - der Stress durch den hohen Arbeitsaufwand, aber auch durch das ungute Gefühl, dass bei Baer Cayman nicht alles korrekt läuft und er als "Compliance Officer" dafür verantwortlich ist, nagen weiter an seiner Gesundheit. Ihm wird immer klarer, dass die US-amerikanische Justiz und die Steuerbehörde IRS mit der Einführung des "Qualified Intermediary Agreement" im Jahr 2000 und des "Patriot Act" 2001" nach dem 11. September die Schlinge um das kriminelle Bankgeschäft, insbesondere jenes in der Schweiz, immer enger ziehen wird. Dies belegen auch seine Erfahrungen, die er auf Weiterbildungsseminaren in den USA machen kann: Die Steueroasen, die sich nicht auf US-Territorium befinden, werden zu Zielscheiben erklärt.

2001 verunglückt ELMER schwer mit seinem Fahrrad: heftige Kopfschmerzen und teilweise Konzentrationsschwächen sind die Folge für die nächsten Monate.
Jetzt kommt auch noch ein finanzielles Problem hinzu: Die Krankenkasse übernimmt die Untersuchungs- und Behandlungskosten in Höhe von 30.000 US-$ nicht. Und ELMER stellt fest, dass Julius Bär in Zürich die anteiligen Krankenkassenbeiträge für ihn seit langem nicht mehr gezahlt hat. Nachfragen in Zürich ändern daran nichts


2002

Weil in diesem Jahr sein Arbeitsvertrag ausläuft, kommt es zu Verhandlungen zwischen ELMER und BJB Cayman. ELMER soll weiter auf den Cayman bleiben. Allerdings: Ab 1. September 2002 wird er zum lokalen Mitarbeiter. Nicht mehr die Julius Bär Holding AG in Zürich ist sein Arbeitgeber, sondern deren Tochtergesellschaft "Julius Baer Bank & Trust Company Ltd" (JBB&TC) auf Cayman Island. Er bleibt jedoch weiterhin der Geschäftsführung von BJB Zürich, Sitz New York City unterstellt:

In Griechenland tauchen derweil in den Medien diverse Namensregister einiger Hedge-Fonds auf, die bei Julius Baer in New York gehalten werden, deren Buchführung aber auf Cayman Islands gemacht wird: "TC Multi Hedge Ltd Main", "TC Investments Ltd. Main" sowie "TC INV CL B High Yield Bond". Wegen der teilweise veröffentlichten Namensregister stellt JBB & TC Anzeige bei der Polizei. Die führt später bei allen Angestellten Hausdurchsuchungen vor. Sie findet nichts. Auch bei ELMER nicht.

Jetzt soll sich das Management einem Lügendetektortest unterziehen - zwecks "Clearance of Management". Dazu kommt eigens aus New York der dortige BJB-Compliance-Officer und ein Verwaltungsrat eingeflogen. Weiter zugegen: die beiden JBB&TC-Geschäftsführer sowie zwei Angestellte der für "Steueroptimierungsangelegenheiten" weltweit bekannten Anwaltskanzlei Maples & Calder, Filiale Grand Cayman. Der Test entspricht in keinster Weise den Standardregeln wie sie z.B. in den USA üblich sind. Dies wird später William E. KELLY, C.P.P., ein ausgewieser Polygraphentestexperte schriftlich bestätigen.

Rudolf ELMER soll als erster ran. Er gilt für BJB und JBB & TC als besonders verdächtig, weil zu kritisch. "He is a critical thinker" heißt es in dem Zwischenzeugnis, das sich ELMER bereits 1999 hat ausstellen lassen. Inzwischen mehren sich auch die Zeichen, dass er nicht mehr erwünscht ist im Management


21. November, Donnerstag

Morgens um 8 Uhr wird ELMER überraschend, weil ohne Ankündigung, kurzfristig zum Polygraphentest beordert. ELMER bittet sich Bedenkzeit aus, weil er nachts schlecht geschlafen und deshalb Schlafmittel und wegen seiner allgemeinen schlechten gesundheitlichen Befindlichkeit Schmerzmittel eingenommen habe.

Um 12 Uhr der nächste Versuch. ELMER bricht bereits beim Vorgespräch ab - die Schmerzen im Rücken und an der Hüfte beeinträchtigen ihn nicht nur, sie werden stärker. ELMER ist seit Sommer in physiotherapeutischer Behandlung und leidet an einer Hüftarthrose. ELMER erhöht die Schmerzmitteldosis, will sich um 18 Uhr wieder melden. ELMER's Arzt auf den Cayman rät ihm ab - die Medikamente sind zu stark.

18 Uhr: ein dritter Versuch. Und wieder Abbruch. Der neue lokale CEO, Charles FARRINGTON, nimmt ELMER Büroschlüssel und Firmenkennkarte ab. Und ELMER muss ein Dokument unterzeichnen, dass er mit dieser Untersuchung einverstanden ist: "Außerdem habe ich zur Kenntnis genommen, dass ich diesen Test nicht als Bedingung für eine Beschäftigung oder eine Weiterführung des Beschäftigungsverhältnisses mache und dass ich darauf hingewiesen wurde, dass ich von niemandem gezwungen wurde, an diesem Test teilzunehmen."

Dass ELMER gesundheitlich nicht fit ist, was für Tests dieser Art nach amerikanischem Standard der Fall sein muss, gibt ELMER unmissverständlich zu verstehen: Indem er die Passage, es gäbe keine "physical or mental" Probleme, die ihn von einem solchen Test abhielten, streicht und mit konkreten Ergänzungen versieht. Dazu initialisiert er diese Anmerkungen.

Als ELMER dieses Formular bzw. eine Kopie später erhalten wird, ist der wichtigste Satz, dass er "diesen Test nicht als Bedingung für..." sähe, gestrichen. Ohne dass er ihn initialisiert hätte. Bedeutet arbeitsrechtlich: Damit kann der Test als Kündigungsgrund herangezogen werden


22. November, Freitag

Am nächsten morgen wird ELMER um 8 Uhr ersteinmal physiotherapeutisch behandelt, um einen weiteren Versuch zu ermöglichen. Der Lügendetektortest ist für 10 Uhr angesetzt. ELMER bricht erneut ab: Der Lügendetektorexperte beginnt ELMER zu beschimpfen. ELMER geht nach Hause


23. November, Samstag

Gegen 14 Uhr meldet sich CEO Charles FARRINGTON bei ELMER's zuhause am Telefon: Er möchte die "Herausgabe der gestohlenen Unterlagen". Dann könne er auch helfen - so ELMER in seiner Erinnerung. Ansonsten könne so einiges passieren!


direkt danach

ELMER schaltet sofort seinen Anwalt ein, um seine Rechte zu klären. Und un einen Mitwisser der Vorgänge zu haben - zu seinem Schutz und dem seiner Familie. Er ist nervlich am Ende und meldet sich krank. Am Freitag, den 29. November sind Flüge für die Familie gebucht: Urlaub in der Schweiz. Dort gibt es auch medizinisch einen Lichtblick: anerkannte Spezialisten, die es auf den Inseln nicht gibt


Dezember 2002

Mit "Urlaub" wird es für Rudolf ELMER nichts. Sein alter Arzt 'zuhause' überweist ihn auf der Stelle zum Orthopäden zur Abklärung eines möglichen Bandscheibenvorfalls. Die Computertomographie (CT) zeigt 3 Bandscheibenvorfälle - ELMER wird krankgeschrieben, muss liegen. An eine Rückkehr in diesem Zustand zurück auf die Cayman Inseln ist nicht zu denken. ELMER's Anwalt signalisiert aber seinem Arbeitgeber auf Cayman Island, dass er nach Gesundung und Rückkehr für einen Lpgendetektortest bereit stünde. Die Bank geht nicht darauf ein.

Stattdessen erhält ELMER, während er krank darnieder liegt, am 10. Dezember Post aus Cayman Island: seine Kündigung zum 10. März. Jetzt weiß er, dass es aus ist. Zwar versucht er noch den CEO der Bär-Gruppe, Walter KNABENHANS, sowie ein Mitglied des Verwaltungsrats einzuschalten, aber alle lehnen sein Angebot bzw. seinen Antrag auf Wiederholung des Tests ab: Die fristlose Kündigung aufgrund des nicht durchgeführten Lügendetektorstests sei rechtens!

ELMER's Frau fliegt kurz vor Weihnachten auf die Caymans. Sie muss Vorbereitungen treffen, um die Wohnung aufzulösen und den Umzug zurück in die Schweiz organisieren.

ELMER geht es nicht gut. Ende des Monats wird er zum Neurochirurgen gebracht: ELMER muss dringend operiert werden: An zwei Stellen seiner Bandscheibe. Zusätzlich soll der hochempfindliche Rückenmarkskanal (Wirbelkanal) erweitert werden. ELMER wird bis Ende März 2003 krankgeschrieben. Jetzt wird ihm auch klar, weshalb der Lügendetektortest nicht klappen konnte


2003

Im Februar wird ELMER zu einem Gespräch mit dem ersten Juristen von BJB Zürich, Christoph HIESTAND, sowie dem Chef der Abt. "Human Resources", Dr. Georg SCHMID, eingeladen. Man wolle nochmals die Kündigung besprechen. ELMER hat von diesem Gespräch vor allem das in Erinnerung: Sollte er vor Gericht ziehen, so würde man ihn fertigmachen.

Weil ihm nun vollends klar geworden ist, dass er hier für eine teilweise kriminelle Organisation gearbeitet hat, schreibt ELMER anonym einige Kunden an. Und schlägt ihnen vor, alle illegalen Geschäfte einzustellen. Dazu benutzt ELMER eine Vorlage, die individuell ausgestaltet wird. Die 15 angeschriebenen Kunden wiederum wenden sich an die Züricher Gerschäftsleitung. Der gefällt das garnicht. Ihr wird aber klar, dass ELMER über Datenbestände verfügt, die das Geschäftsgebaren belegen können. Und dass ELMER dies als eine Art Lebensversicherung für sich und seine Famile betrachten würde.

Mit Beginn des Frühlings und nach erfolgreicher Operation geht es Rudolf ELMER wieder besser. Er kann sich wieder bewerben. Und kommt ins Gespräch mit der Fa. Noble Investments Group. Ab 1. Juli wird er Operation Officer bei einer in Zürich ansässigen Tochtergesellschaft. Er ist dort für das Back-Office und die Finanzabteilung zuständig. Es geht wieder aufwärts


September

"~Reudi, stop talking about JBBT business..." lautet eine E-Mail, die von einer anonymen Yahoo-Adresse aus Canada auf ELMER's Rechner einläuft


November

Jetzt taucht eine weitere anonyme Droh-Email auf. ELMER stellt bei der Polizei in Pfäffikon "Anzeige gegen Unbekannt"


Das Jahr 2004

Ein Gespräch im Bankhaus Julius Bär in Zürich mit ELMER und Christoph HIESTAND, Vorstandsmitglied der Bär-Gruppe und fürs Juristische zuständig, verläuft ergebnislos: Man kann sich nicht einigen. Z.B. über die noch immer nicht gezahlten anteilgen Krankenkosten der Bank als sie noch Arbeitgeber war.

Stattdessen lässt die die Bank Julius Bär jetzt Rudolf ELMER und seine Familie beschatten. Nicht still und heimlich, sondern ganz offen. Z.B. von der "Privatdetektei RYFFEL". Und von einem schwarzen BMW mit Konstanzer Kennzeichen: "KN-RS 34".

Weil dies ganz offen geschieht, kann ELMER zählen: Insgesamt 11 Mann sind ihm und seiner Familie auf den Fersen. Einer verfolgt ihn zum Arbeitsplatz und wieder zurück nach Hause. Ein anderer beschattet ELMER's Tochter auf dem Weg zur Schule und wieder zurück - die Tochter getraut sich bald nicht mehr, alleine zur Schule zu gehen. Ein Dritter wirft ein Auge auf ELMER'S Frau. Und fast jeden Tag steht - für jeden unübersehbar - der schwarze BMW erst vor der Haustür, dann vor ELMER's Arbeitsplatz oder zwischendrin auf dem gegenüberliegenden Parkplatz jener Schule, auf die ELMER's Tochter geht.

Als ELMER mit seiner Familie einen Urlaub in der Türkei verbringt, tauchen zwei der Beschatter in seinem Büro bei Noble auf, legen der Sekretärin ein Foto von ELMER vor und behaupten, Rudolf ELMER würde von der Polizei gesucht. Kaum ist ELMER aus dem Urlaub zurück, wird er von seinem Chef zur Rede gestellt.

Für ELMER beginnt eine unangenehme Zeit. Vor allem, weil seine Familie in Mitleidenschaft gezogen wird. Wie sich diese Stalking-Methoden steigern und wie das wirken muss, haben wir in einem gesonderten Kapitel untersucht: Die "Fieberkurve": Druck und Stalking gegenüber Rudolf ELMER.

Im November erneut eine anonyme Droh-Email, die dritte: "Stop talking. We will kill you...". Diesesmal aufgegeben von einer öffentlichen Telefonzelle ("Publifon") am Bahnhof Zollikon.

Der Druck bleibt nicht ohne Folgen: Rudolf ELMER muss seine Tochter in psychologische Behandlung geben. Bei ihm selbst entsteht ein sog. posttraumatisches Belastungssyndrom, wie einer seiner Ärzte konstatiert.

Bevor das Jahr zur Neige geht, versucht BJB nochmals mit ELMER ins Reine zu kommen und schlägt einen Mediator vor: Dr. Georg SCHMIDT, Mitglied und Stiftungsrat der BJB-Stiftung, Konzernpersonalchef und in dieser Funktion Mitglied der erweiterten Konzernleitung. ELMER lehnt den Mediator ab: wegen Befangenheit. Er will nun selber einen Vorschlag machen


2005

Im Februar erhält Rudolf ELMER - wieder von einem öffentlichen "Publifon", diesesmal in Kilchberg - eine anonyme E-Mail: "If you talk we will kill your child...". ELMER stellt eine weitere Anzeige gegen Unbekannt.

Einen Monat später: die fünfte Mail dieser Art: "We will kill your child first, then your wife and then you if you do not stop...". Diesesmal abgesetzt in Wetzikon.

Rudolf ELMER setzt - für den Fall der Fälle - 'Abschiedsbriefe' auf. Sie liegen - für den Fall der Fälle, das ihm oder seine Familie etwas zustoßen sollte - versandbereit auf dem Schreibtisch seiner Wohnung und werden zusätzlich bei Dritten hinterlegt. Ebenso werden auch die 'heißen' Daten an mehreren Stellen deponiert.

Inzwischen hat Rudolf ELMER mehrere Daten-CD's gebrannt und an Bär-Kunden verschickt: Daten von jenen Bändern, die er auf Cayman Island regelmäßig zu Hause lagern musste, damit für den Fall der Fälle irgendwo eine Zweitkopie aller Banktransaktionen und Kundeninformationen existiert. Die Cayman Islands sind landschaftlich sehr reizvoll, die Infrastruktur hingegen vergleichsweise altertümlich: Strom- und Telefonnetz laufen nicht immer stabil - alles läuft überirdisch, nicht wie bei uns unter der Erde.

Und das Gebäude, in dem sich die karibische Filiale von BJB Zürich befindet, die Fa. JBB & TC Ltd. (siehe Foto), ist keine Bank im klassischen Sinne mit mehrfach gesicherter Eingangstür, Tresor oder panzerglasabgedeckten Kassen. Kundschaft in Massen wird hier nicht erwartet. Im Gegenteil: Fast alle wollen so möglich wie wenig Spuren hinterlassen. Je unscheinbarer die Wahrnehmung, umso besser. Und falls sich der ein oder andere Anleger doch mal persönlich auf die Caymans begibt, empfängt man ihn in edlen Restaurants. JBB & TC gleicht eher einem durchschnittlich ausgestatteten Großraumbüro für 35 Angestellte.

So ist Rudolf ELMER nach wie vor im Besitz jener Sicherungsbänder, die er zuhause hatte, als man ihm nach dem erfolglosen Lügendetektortest den Büroschlüssel abgenommen hatte. Weil alle seine Versuche, die illegalen Transaktionen innerhalb der Bär-Gruppe zu thematisieren, erfolglos geblieben waren und sich ELMER immer mehr in die Enge getrieben sieht, schickt er - anonym - die kopierten Daten auf CD's an zwei offizielle Institutionen:

  • die eidgenössische Steuerverwaltung
  • das kantonale Steueramt in Zürich

Er setzt darauf, dass zumindest die Steuerbehörden sich für die schwarzen und unversteuerten Gelder zumindest jener Bär-Kunden interessieren, die dem schweizerischen Steuerrecht unterliegen. Nach § 47 des schweizerischen Bankengesetz gilt das Bankgeheimnis nur für die Geldtransaktionen in der Schweiz und deren Kunden. Nicht für Geschäftsbeziehungen in der Karibik und die dortigen Kundenbeziehungen. ELMER ist sich sicher, nichts Strafbares zu machen. Aber ein klein wenig etwas für die Steuergerechtigkeit zu tun: für den Schweizer Staat und die Schweizer Bürger


Frühjahr 2005

ELMER's Tochter hat Geburtstag. In einer dicken Plastiktüte hat der Vater eine größere Überraschung als er im Zug auf dem Weg nach Hause ist. Er freut sich schon riesig auf die erwartungsvollen Kinderaugen. Und richtig: Dort ist die Freude groß - für die Tochter. Denn jetzt erst bemerkt Rudolf ELMER, dass ihm seine zweite dünne Plastiktüte fehlt; er muss sie wohl im Zug liegengelassen haben. Inhalt: sein eigener Satz jener CD's, die er an die Steuerbehörden verschickt hatte. Die Nachfrage bei der Schweizerischen Eisenbahn bleibt erfolglos: Niemand hat dort irgendwo eine weiße Tüte mit CD's abgegeben. ELMER fühlt sich nicht gut. Ändern kann er nichts mehr


Sommer 2005

Am 15. Juni haben das Wall Street Journal und die Financial Times die gleichen Informationen: Bei Julius Bär auf den Cayman Inseln seien sensible Kundendaten gestohlen worden. Und wären der US-amerikanischen Steuerbehörde IRS zugespielt worden.

Tags drauf meldet das Schweizerische Fernsehen DRS: Auch die in der Schweiz erscheinende Zeitschrift Cash habe eine solche Steuer-CD erhalten.

Das unmittelbar beginnende Wochenende ist wieder von einer Intensivierung der Beobachtung durch die Detektive gekennzeichnet: mehrere Autos vor ELMER's Wohnhaus 'halten Wache', diesesmal mit Züricher Kennzeichen. Am Montag meldet sich auf ELMER's privatem AB zuhause der Weltwoche-Journalist Lukas HÄSSIG: Er wolle mit ELMER reden. Und: Ein Vorabdruck seines geplanten Artikels befände sich auch schon im Intranet der Bank Julius Bär verkündet er ganz stolz.
ELMER versucht ihn zu erreichen - ohne Erfolg.

Derweil erstattet das Bankhaus Julius Bär Anzeige: wegen unbefugter Datenbeschaffung, unbefugten Eindringens in ein Datenverarbeitungssystem, Verletzung des Geschäftsgeheimnisses und Verletzung des Bankgeheimnisses.

Kaum ist die Anzeige erstattet, erscheint am 25. Juni auch der Weltwoche-Artikel des Journalisten Lukas HÄSSIG: "Das Leck im Paradies".

Der Redakteur zeigt sich sehr gut informiert: "Es handelt sich um den Schweizer R.E. (Name der Redaktion bekannt), der 1997 den Job des stellvertretenden Chefs der Cayman-Filiale übernommen hatte. Dieser rapportierte an den damaligen CEO Rudolf Bär.... Bär soll ihm mehr Personal und eine bessere Infrastruktur versprochen haben, ohne sich daran zu halten. Der Datendiebstahl sei die Rache eines Mitarbeiters, der sich von der Führung getäuscht fühlte ….".
Und:
"Der Täter schrieb sogar einigen Bär-Kunden, dass der US-Fiskus ihre Daten besitze. Darauf drohten die Betroffenen der Bank mit Schadensersatzklagen. Um negative Publizität zu verhindern, schloss Julius Bär bislang in mindestens einem Fall einen Vergleich in Millionenhöhe ab."

Um den Druck durch die nicht nachlassende Überwachung und die negative Schweizer Presse abzubauen, greift ELMER zu einer wenig durchdachten Maßnahme. So wird er das zumindest später sehen. Er setzt eine anonyme Email an die Bank Bär und Walter KNABENHANS, den CEO der Bär-Konzernleitung auf. Darin wird empfohlen, "alle Aktionen gegen irendwelche Mitarbeiter zu stoppen". Andernfalls würden die Kundendaten nicht nur an die Steuerbehörden in der Schweiz gehen, sondern auch an andere, t.w. dubiose Institutionen. Er wird sich damit den Vorwurf der Nötigung einhandeln.

Kurz darauf meldet sich KNABENHANS bei ELMER am Telefon: Ob er, ELMER, ihm etwas über potenzielle Insidergeschäfte auf den Caymans etwas sagen könne? ELMER hält sich bedeckt. KNABENHANS gibt sich jovial und sagt Hilfe zu; im Übrigen habe die Bank nichts mit der Überwachung zu tun. ELMER weiß, dass dies eine Lüge ist - bereits ein Jahr zuvor hatte ihm der erste Jurist von BJB, Christopg HIESTAND ihm erklärt, dass die Bank bereits über eine Million SFr in die Überwachung seiner Person "investiert" habe


September

Weil Überwachung und Stalking nicht aufhören, wendet sich ELMER an die schweizerische Opferhilfe. Dort rät man ihm Briefe zu schreiben. Z.B. an die überwachenden Detekteien - mit der Bitte um Weiterleitung an die Auftraggeber. Und ebenso solle er die Mitglieder des Verwaltungsrats in Kenntnis setzen.

ELMER schreibt. Am 17. an alle Verwaltungsräte von BJB. Es ist bereits das zweite Mal. Bereits am 9. März vor über zwei Jahren hatte ELMER an alle ein fünfseitiges Schreiben verschickt: "Mr. Elmer's concerns relating to the wellbeing of JBB&TC."

Kurz darauf wird er von seinem Arzt krank geschrieben. Für sehr lange Zeit. Grund: Burnout.

Noch am selben Tag schlägt die Staatsmacht zu: Staatsanwaltschaft und Kriminalbeamte durchsuchen die Wohnung der Familie ELMER - suchen nach Daten und Dateien. ELMER wird an Ort und Stelle verhört. Und verhaftet. Er bestätigt, CD's mit der Kennzeichnung "ESTV" sowie "KSTA" anonym an die Steuerbehörden verschickt zu haben. 

Die Beamten nehmen ihn gleich mit: in Untersuchungshaft


danach

Der Gefängnisarzt, der alle Neuankömmlinge inspiziert, konstatiert die absolute Arbeitsunfähigkeit von Rudolf ELMER.

ELMER soll bis Ende des Jahres einsitzen, so der Plan von Justitia. Weil er am 1. November Geburtstag hat und er "50" wird, zeigt sich die Strafjustiz gnädig: ELMER wird einen Tag vorher entlassen.

Weniger gnädig zeigt sich sein aktueller Arbeitgeber: Noble Investment SA, Zürich, entlässt Rudolf ELMER. Begründung: Vertrauensverlust aufgrund Inhaftierung.

ELMER wird jetzt von seinem Hausarzt an einen Psychiater überwiesen - ELMER ist u.a. durch "schwarze Autos" traumatisiert. Dr. med. Hans Peter BUCHER, ein anerkannter Experte, wird nur kurz darauf eine "posttraumatische Belastungsstörung" diagnostizieren


2006

Gleich zu Beginn des Neuen Jahres schreibt Rudolf ELMER an den neuen Präsidenten und CEO der BJB-Konzernleitung Johannes De GIER. Er ist Nachfolger von Walter KNABENHANS. Es sind mehrere Dinge, die ELMER anspricht:

  • Zunächst bittet er darum, die leidige Krankenkassenangelegenheit aus seiner Zeit auf Cayman Island zu erledigen.
  • Dann bittet er um Einstellung der Überwachungs- und Stalkingmaßnahmen: "Sollte die Bank damit etwas zu tun haben, so kann man darüber reden, bevor es der Presse übergeben wird."
  • Auch die "fragwürdigen Steuerpraktiken" werden angesprochen: "Immer wieder kreisen in letzter Zeit meine Gedanken um die Steuerpraktiken der Bank, die mich als Angestellten zu einem Handlanger der Unmoral werden ließen. ... Wie stellen Sie sich zu diesen Themen?"
  • Unter Punkt 6 spricht ELMER eine ganze Reihe konkreter "suspicious transactions" an - "Transaktionen, die heute gegen Ethik und Moral verstoßen, aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht im Einklang mit dem Gesetz waren/sind."
  • Und zum Schluß: "Zusammenfassend ist es für mich wichtig, Ihnen in Ihrer neuen Funktion meine Seite - ohne in die Details zu gehen - offenzulegen, damit Sie beide Seiten kennen und deren möglichen Konsequenzen abschätzen können."

Hier ist der vollständige Wortlaut des internen Whistleblower-Schreibens.

Hinter den Kulissen der schweizerischen Justiz geht es derweil hin und her:

  • Die zuständige Staatsanwältin will das Verfahren einstellen: wegen mangelnder Zuständigkeit. Die Schweiz ist nicht für Cayman Islands zuständig. Im übrigen laufe dort bereits ein entsprechendes Verfahren
  • Außerdem will die Staatsanwaltschaft der Steuerverwaltung Einsicht in die bei Rudolf ELMER konfiszierten Dateien geben
  • Dagegen wehrt sich das Bankhaus Julius Bär
  • Die Steuerrekurskommission II in Zürich entscheidet, dass die bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Dateien nicht der eidgenössischen Steuerverwaltung zugänglich werden dürften
  • Die kann aber zumindest mit den ihr von Rudolf ELMER zugespielten Daten von den Cayman-Kunden arbeiten, von denen - möglicherweise - einige eidgenössischer Herkunft sind

Währenddessen erhält Rudolf ELMER von seinem letzten Arbeitgeber Noble Investments ein excellentes Arbeitszeugnis. ELMER kann sich damit erneut bewerben. Und ELMER wird auch schnell fündig. Er geht für die südafikanische Standard Bank nach Mauritius, eine wunderschöne Insel im Indischen Ozean vor Afrika bzw. fast 900 Km vor Madagaskar gelegen. Dort wird er als "Headofficer" das Outsourcing-Zentrum leiten.

Zuvor versucht sich das Bankhaus Bär noch schnell mit ELMER zu einigen. Gegen eine Zahlung von 500.000 Schweizer Franken in monatlichen Raten über 3 bis 4 Jahre als Ausgleich für alles soll ELMER niemals mehr irgendetwas über die Bank und ihre Geschäftspraktiken sagen oder schreiben dürfen. Zudem wird ihm die Einstellung aller Rechstverfahren gegen ihn offeriert. Rudolf ELMER lehnt das "Schweigegeld" ab.


2007

Auf Mauritius geht es der Familie ELMER wieder besser. Auch er kann seine Kräfte reanimieren. Von seinem neuen Chef wird er nur kurz darauf zur "2007 Superstars Nomination" erkoren, einer Auszeichnung die besonders verdienten Mitarbeitern in der Standard Bank zuerkannt wird. Und die Schweiz ist weit weg - über 11 Stunden Flugzeit. 

Trotzdem ereilt ihn die Vergangenheit auch hier. Die schweizerische Sonntagszeitung schreibt unter dem Titel "Deutsche Finanzämter profitieren von gestohlenen Kundendaten": "Kenner des Falles sehen im mutmasslichen Täter einen an Verfolgungswahn leidenden psychisch Kranken. In Briefen hat er der Bank vorgeworfen, sie trachte ihm nach dem Leben. Auch die yon ihm verfassten Briefe, die er an Bankkunden, Steuerbehörden und Medien schickte, wirken wie das Werk eines wirren Geistes."

Jetzt erhebt ELMER Klage gegen die schweizerische Bär-Bank: wegen Nötigung und Stalking. Und während das Bankhaus Bär immerhin die immer noch ausstehenden Krankenkassenbeiträge nachzahlt, 28.205,45 SFr, erhält jetzt der Rechtsvorstand des Bankhauses Bär in Zürich, Christoph HIESTAND, Droh-Emails mit unfreundlichem Inhalt, wie Rudolf ELMER erst später erfahren wird: aus Mauritius. Absender: robin.hood3055(at)yahoo(dot)com sowie  robin.hoodii(at)hotmail(dot)com.

Im Oktober 2007 schreibt ELMER erneut: einen dritten Brandbrief bzw. Whistleblowerbrief an den Verwaltungsrat von Julius Bär. Das Originalschreiben existiert leider nicht mehr, nur die Anlage zum Brandbrief, inAntwort(en) gibt es auch diesesmal nicht. Aus diesem Grund nimmt Rudolf ELMER Kontakt mit einer 'Institution' auf, die zu diesem Zeitpunkt nur ganz wenige Menschen kennen: WikiLeaks.

Anfang des Jahres hatte Julian ASSANGE zum ersten Mal sein Projekt einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt: 60.000 Aktivisten aus unterschiedlichen NGO's (Nicht-Regierungs-Organisationen) auf dem Weltsozialforum in Kenia - einer Art Gegeneinrichtung zum Weltwirtschaftsforum in Davos, wo sich die Mächtigen aus Wirtschaft und Politik alljährlich treffen. WikiLeaks hat gerade ein großes Selbstbereicherungskomplott in Kenia publik gemacht: durch Veröffentlichung eines internen Berichts der Detektei KROLL für den neuen Regierungschef, der die Leichen im Keller seines Vorgängers aufgespürt haben wollte: zu Wahlkampfzwecken, nicht um damit aufzuräumen. Der Vorgänger, Daniel Arap MOI, hatte das Land 24 Jahre lang für private Zwecke ausgeplündert.

ELMER, der jetzt seinen Blick auf Afrika fokussiert hat, studiert diese Entwicklungen sehr gründlich: Eine internationale Internetplattform, auf der bisher gut gehütete Geheimnisse, die zu Lasten vieler Menschen gehen, jetzt ohne weiteres gelüftet werden (können), klingt interessant. Der Schriftwechsel mit WikiLeaks lässt sich gut an - dort zeigt man sich ausgesprochen interessiert.

Um zu testen, ob die Plattform hält, was sie verspricht, nämlich alles, was ihr zugeleitet wird, auch online zu veröffentlichen und keinerlei Zensur auszuüben, macht ELMER einen Test. Ihm ist es wichtig zu erfahren, und zwar vorher, ob die vielen Dokumente, die die internationale Steuerflucht der Julius Bär-Kunden belegen, von WikiLeaks auch tatsächlich publiziert werden. 

ELMER stellt ein Fake her: einen Brief an "Mrs. Angela Merkel", Absender: "Julius Bär". Inhalt: Man würde jetzt ihre Konten in Zürich und Guernsey schließen und sehe sich gezwungen, alle verdächtigen Transaktionen den Behörden mitzuteilen. Der Brief ist absichtlich plump gefasst: als Test bzw. offen erkennbare Fälschung, wie ELMER hofft:

WikiLeaks stellt das Schreiben, wie versprochen, online. Heute würde ELMER das nicht mehr machen, weil die bisher noch unbekante Plattform schnell beweisen wird, das sie tatsächlich alles online stellt, was man ihr einschickt.


2008: 14. Februar und danach

An diesem Montag verschickt die bis dahin unbekannte Internetplattform WikiLeaks eine Pressemitteilung an die Medien: Ab sofort könne man anhand von Dokumenten die dubiosen Geschäftspraktiken einer Schweizer Bank namens Julius Bär und deren Niederlassung auf den Cayman-Inseln studieren - anhand vieler originaler Unterlagen. Und der Informant würde in einem "Whistleblower-Brief" seine Motive ausführlich erläutern.

Um 20:30 geht bei Daniel DOMSCHEIT-BERG, damals noch unter dem pseudonymen Nachnamen "SCHMITT" in Wiesbaden, der zusammen mit Julian ASSANGE die Plattform aufgebaut und Rudolf ELMER auch betreut hat, eine Email einer kalifornischen Anwaltskanzlei ein, die sonst Hollywoodstars betreut. Deren Begehren: WikiLeaks möge den Urheber der Dokumente benennen und das gesamte Material auf der Seite löschen!

WikiLeaks reagiert nicht. Dafür die Anwaltskanzlei. Sie beantragt, weil die Domain www.wikileaks.org zu diesem Zeitpunkt mit kalifornischer Adresse registriert ist, eine Sperrung der Domain. Richter Jeffrey WHITE am District Court North California gibt dem Begehren und dessen Begründung, es handele sich hier um "Betriebsgeheimnisse", nach. WikiLeaks geht offline - es erscheint nur noch eine weiße leere Seite.

Ein Proteststurm setzt ein. Die großen Medienhäuser wie die New York Times oder CBS News veröffentlichen die IP-Nummer von WikiLeaks: "Freedom of Speech has a Number: 88.80.13.160". Und viele NGO's und andere Initiativen protestieren. Die großen Medienhäuser schalten ihre eigenen Anwälte ein, denn jetzt heißt es zu handeln. Man will verhindern, dass dieser Vorfall zum Exempel wird. Was, wenn die Medienhäuser solche Dokumente veröffentlichen wollen?

Den Argumenten und den Hinweisen auf den ersten Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung "Free Speech and Free Press", der absolute Pressefreiheit garantiert, vermag sich Richter WHITE nicht zu widersetzen. Er hebt die Sperrungsverfügung wieder auf. Aber auch Julius Bär in Zürich reagiert. Dort hat man - inzwischen - verstanden, was der "Barbra Streisand"-Effekt bedeutet: das Gegenteil von dem, was man erreichen möchte.

Und das ist der Hintergrund des "Barbra-Streisand-Effekts": Die bekannte Sängerin genießt ihr Leben in einem großzügig angelegten Anwesen an der kalifornischen Küste - ebenso großzügig wie weiträumig von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Einen Fotografen, der mit einem Hubschrauber Aufnahmen gemacht hatte und die Fotos von Barbra Streisands Villa direkt an der Steilküste veröffentlichte, wollte die Sängerin und Schauspielerin auf 50 Millionen Dollar verklagen. Erfolglos. Viel schlimmer für die Künstlerin: Sie trat eine Lawine los, der Vorgang wurde bekannt und vor allem die Fotos, die sie nicht verbreitet sehen wollte.

Deswegen lenkt auch die Bär-Bank Anfang März ein. Und zieht ihre Klage zurück.

Jetzt ist WikiLeaks über Nacht zu einer weltbekannten Marke geworden. Und viele Menschen wissen um Rudolf ELMER auf Mauritius. Und seine Kritik an den Offshore-Konstruktionen der Bank Julius Bär.

ELMER wird von nun an eingeladen: zu Vorträgen an Universitäten, bei NGO's und von immer mehr Medien interviewt. Zum Beispiel von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 6. März: Diese Dokumente bergen Sprengstoff. Oder am 8. April von SPIEGEL ONLINE: Brisante Bekenntnisse eines Bank-Insiders.

Nicht so lustig findet die Standard Bank den ganzen Vorgang: "Lieber Rudolf, wir haben erfahren von einem schweren Fehlverhalten, das unsere Bank gefährden könnte!" ELMER ist seinen aktuellen Job los. Ihm gelingt es aber schnell, im Rahmen eines "occupation permit" die indische Biermarke "Kungfisher" für Mauritius übernehmen zu dürfen. Die Existenz ist damit gesichert.

Das Jahr 2008 wird zum Meilenstein in der Bekämpfung der internationalen Steuerflucht:

  • Rudolf ELMER auf WikiLeaks war der Anfang.
  • Kurz darauf offenbart sich der amerikanische Bankenmanager Bradley Charles BIRKENFELD den US-Behörden: Er hat als Angesteller der schweizerischen Großbank UBS schwerreichen Millionären und Milliardären zur Steuerflucht auf den Karibik-Inseln verholfen. Der Vorgang wird in der Schweiz eine Krise auslösen. Am Ende zahlt die Bank UBS 870 Millionen Dollar Strafe und rückt die Kundendaten von 4.500 Kunden bzw. Steuerflüchtlingen heraus - das Schweizer Bankgeheimnis geht damit zu Ende.
  • In Deutschland wird der Vorstandschef der Deutschen Post, Klaus ZUMWINKEL, von der Steuerfahndung abgeführt. Er hat über seine Stiftung "Devotion Family Foundation" im Fürstentum Liechtenstein 11,8 Millionen Euro vor dem deutschen Fiskus versteckt; 2003 hatte ihn das manager magazin zum "Manager des Jahres" gekürt
  • Das Fürstentum Liechtenstein gerät ebenfalls aus dem Fokus: Heinrich KIEBER, ebenfalls ein IT-Spezialist bei der LTG-Bank, die im Besitz der Fürstenfamilie ist, verabschiedet sich still und leise von seinem Arbeitgeber. Er nimmt CD's mit, auf denen die Daten von 4.527 liechtensteinischen Stiftungen gesammelt sind. Käufer dieser Steuer-CD: der deutsche BND im Auftrag der Steuerbehörden (mehr unter www.ansTageslicht.de/SteuerCD)
  • Und nochmals Schweiz: In der Genfer Niederlassung des international agieren britischen Bank HSBC nimmt Ende des Jahres 2008 der Informatiker Herve FALCINI Kopien von 130.000 Kunden bzw. Steuerflüchtlingen mit - er setzt sich damit nach Frankreich ab und übergibt die Daten den dortigen Steuerbehörden. Auch mehrere Tausend Griechen sind darauf gelistet. Dies wird im Jahr 2015 zum sog. HSBC-Leak führen. Und den griechischen (ehemaligen) Finanzminister Giorgios PAPAKONSTANTIOU auf die Gerichtsbank bringen - er hatte die Griechenlandliste erhalten, drei Namen von Verwandten gelöscht und die Liste dann verschwinden lassen

2009

In der Schweiz tragen die Anzeigen von Rudolf ELMER bei der Polizei aus den Jahren 2004 und 2005 wegen des Stalking erste Früchte. Die Polizei vernimmt die Mitglieder der Geschäftsleitung von Julius Bär. Und die Detektive: Die Bank hat den Auftrag an einen externen Dienstleister, Daniel von STOCKAR, einem ehemaligen Geheimdienstmann gegeben, der wiederum die Privatdetektei RYFFEL AG beauftragt hatte. Alle sagen aus, man habe nur feststellen wollen, ob ELMER wieder arbeite und Droh-Emails verschicken würde.

ELMER unternimmt einen letzten Versuch. Er zeigt die Bank Julius Bär bei der Bundesanwaltschaft als "kriminelle Organisation" an. Und schickt die entsprechenden Unterlagen von den Cayman-Inseln gleich mit. Innerhalb von weniger als 10 Tagen antwortet der stellvertretende Bundesanwalt Ruedi MONTENARI. Die Bär-Bank erhält eine ausführliche Begründung der Verfügung vom 20. Februar auf 4 Seiten. Rudolf ELMER bekommt nur eine Kurznachricht: Die Anzeige werde keine Folgen haben.

Weil ELMER's Zeit auf Mauritius nun zu Ende geht, die Tochter wegen der Schule bereits in die Schweiz zurückgekehrt ist, muss ELMER auf seine "Kredibilität" und Glaubwürdigkeit achten. In der Bankenbranche ist er als Whistleblower 'verbrannt'. Insbesondere in der Schweiz.

In Deutschland hat Bundesfinanzminister Peer STEINBRÜCK (SPD, Große Koalition) Post erhalten: ELMER bietet ihm Daten gegen Schutz in Deutschland für seine Familie an. STEINBRÜCK antwortet nicht.

Nick DAVIES von der britischen Tageszeitung The Guardian bringt zwei Artikel über ihn. Bzw. die Geschäftspraktiken von sog. Offshore-Unternehmen wie z.B. die Niederlassung der Bank Bär:


2010

Ende des Jahres kehrt auch ELMER zurück in die Schweiz, um sich dem Strafverfahren zu stellen.

In Deutschland, aber auch der Schweiz, wird in der Politik, t.w. auch in der Öffentlichkeit über ein neues deutsch-schweizerisches Steuerabkommen diskutiert. Die Einsicht ist international gewachsen, dass es mit Steuerfluchtburgen und Steuerhinterziehung so nicht weitergehen kann - überall sind die öffentlichen Kassen leer und einige Privilegierte beteiligen sich nicht an der staatsbürgerlichen Pflicht, anteilig Geld in die 'Gemeinschaftskasse' einzuzahlen.

Ein Artikel in der Wirtschaftszeitschrift Bilanz mit dem Titel "Bankgeheimnis: Was der Verrat kostet" zeigt die schweizerische Sicht der Dinge. Dort ist man im Jahr 2010 noch nicht soweit, die eigenen Kunden nicht nur zur Steuerehrlichkeit anzuhalten, sondern ihnen zu kündigen, wenn die nicht nachweisen können, dass ihre eingelegten Gelder ehrlich versteuert sind. Das wird sich erst drei Jahre später ändern, wenn am 4. April 2013 in einer konzertierten Aktion 86 Journalisten aus 46 Ländern zum selben Zeitpunkt die Ergebnisse und Auswertungen ihrer "Offshore-Leak"-Recherchen veröffentlichen werden


Das Jahr 2011

Um die internationale Steuerhinterziehungsdiskussion voranzubringen, aber auch sein Verfahren wegen Bankgeheimnisverrats in der Schweiz, veranstalten Julian ASSANGE und Rudolf ELMER ein medienträchtiges Event Anfang des neuen Jahres.

Um jenen Gelegenheit zu geben, die als Steuersünder potenziell Probleme bekommen können, wenn ihre Namen bekannt werden, schreibt ELMER ihnen zuvor einen Brief: als "Swiss W.":

"Dear Sirs, your banking data and documents with Bank Julius Bär will be made public knowledge (Internet Wikileaks) in January 2011 and in addition handed over at the same time to authorities in your home country in order to have them investigated for fraud and other crimes. We recommend to contact Authorities directly before Christmas! We know it is difficult decision in order to help you to make it we have pre-informed the local authorities about you.
Please do not hesitate to contact Julius Bär and the Bank will provide you with further details and how your name, bank account, home etc will not end on wikileaks visible for everyone! They might have a solution as usual.
Swiss W.
"

WikiLeaks ist zu diesem Zeitpunkt weltbekannt. Im Jahr 2010 folgte eine Veröffentlichung von Materialien nach der anderen: Im April ein Video, das ein Kriegsverbrechen amerikanischer GI's aus einem Helikopter zeigt, in dem sie unbewaffnete Zivilisten erschießen: "collateral murder". Kurz darauf die Afghanistan-Protokolle. Und wenig später die Irak War Logs. Ende November die US-Depeschen. Jener, der die Informationen anonym an WikiLeaks geleitet hatte, ein junger US-Soldat namens Bradley MANNING, wird im Jahr 2013 dafür zu 35 Jahren Haft verurteilt werden - er hatte einen Fehler gemacht und wurde entdeckt.

Julian ASSANGE gilt inzwischen als Staatsfeind der USA. Er lebt in London. Der berühmte Frontline Club, eine Einrichtung von Journalisten, ruft am 17. Januar 2011 eine Pressekonferenz ein: Rudolf ELMER wird WikiLeaks 2 Steuer-CD's übergeben:

Der Übergabeakt ist symbolischer Natur. Rudolf ELMER, der in der Schweiz ein laufendes Strafverfahren wegen Verletzung des Bankgeheimnisses überstehen muss, ist sich im Klaren, dass er aufpassen muss. Die Kundendaten von Cayman Island liegen längst bei den Schweizer Steuerbehörden und der Staatsanwaltschaft. Nochmals die gleichen Daten zu übergeben macht wenig Sinn. Denn die Daten hat er schon längst auf WikiLeaks aufspielen lassen. ELMER übergibt - demonstrativ - Julian ASSANGE zwei Leerkassetten. Für ihn wichtig: Die Weltpresse schaut zu und vor der Übergabe hat er sich den Fragen der vielen Reportern gestellt. Die wissen nun auch, wie das Offshore-Geschäft der Bank Julius Bär auf Cayman Island funktioniert.


19. Januar 2011

Kaum zwei Tage später, am 19. Februar, Rudolf ELMER zuhause verhaftet: wegen Verletzung des schweizerischen Bankgeheimnisses. Anlass: die Übergabe der beiden Datenträger an Julian ASSANGE.

Und noch am selben Tag spricht Bezirksrichter Dr. S AEPPLI spricht, der für das Strafverfahren aus dem Jahr 2005 zuständig ist, ELMER nach ganzen vier Stunden Verhandlung sein Urteil: ELMER ist der Bankgeheimnisverletzung schuldig - obwohl die Staatsanwaltschaft kein einziges Schweizerkonto benennen konnte, das von einer Bankgeheimnisverletzung betroffen wäre. Außerdem wird ELMER der Drohung (gegenüber der Bank Bär) sowie der mehrfach versuchten Nötigung (von Mitgliedern der Geschäftsleitung der Bank Bär durch Emails, aufgegeben auf der Insel Mauritius) für schuldig befunden. Die Anzeigen, die ELMER gestellt hat, sind zu diesem Zeitpunkt im Sande verlaufen. Konkret: Die Staatsanwaltschaft verfolgt sie nicht weiter.

Rudolf ELMER wandert jetzt für insgesamt 187 Tage ins Gefängnis. Weil seine Ehefrau ebenfalls der Bankgeheimnisverletzung beschuldigt wird, darf sie ihn während der ganzen Zeit nicht besuchen: wegen Kollusionsgefahr

Das Strafmaß, gegen das ELMER sofort Berufung einlegt: Eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen a 30 SFr, die bei einer überstandenen Probezeit von zwei Jahren aufgehoben werden sollen. Soweit zum Strafverfahren Nr. 1 aus dem Jahre 2005.

Auch wenn der Prozess gegen Rudolf ELMER gerichtet ist, de facto steht eine ganz andere Institution auf der Anklagebank: das Schweizer Bankgeheimnis. Da die ganze Weltpresse anwesend ist, von der ARD über BBC, CNN bis hin zu Television India, steht genau dieses Problem im internationalen Rampenlicht.

Im Zusammenhang mit seinem neuen Strafverfahren Nr. 2 (WikiLeaks-Verfahren) und der Verhaftung am 19. Januar kommt ELMER erst am 25. Juli wieder frei.

Natürlich wird das Thema inzwischen auch in der Schweiz diskutiert. Er sei "kein ganz unschuldiger Mann", meint der renommierte Tagesanzeiger, aber ein "Modellfall eines Whistleblowers". Weitaus unfreundlicher die Weltwoche: Sie bezeichnet ihn als "unehrenhaften Whistleblower", als "Datendieb", dessen Bestrafung durch den Richter viel zu lasch ausgefallen sei


2011

Im Herbst zahlt das Bankhaus Julius Bär 50 Millionen Euro Buße: Um ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren in Münster/Deutschland wegen des Verdachts der aktiven Mitwirkung bei der Steuerhinterziehung deutscher Kunden abzukürzen bzw.zu beenden. Ein anonymer Bankangestellter hatte dem Land Nordrhein-Westfalen (NRW) eine Steuer-CD mit 200 Bärkunden aus Deutschland angeboten. NRW kauft: für 1,4 Millionen. Angesichts der 50 Millionenbußgeldeinnahme und weitere Millionen aus den absehbaren Steuernachzahlungen und Bußgeldern ein Schnäppchen. Das Bankhaus Bär ist damit aus dem Schneider. Im Gegensatz zu seinen Kunden.

Fast zur gleichen Zeit findet im Strafverfahren Nr. 1 gegen Rudolf ELMER die erste Berufungsverhandlung statt. Das Obergericht des Kanton Zürich fällt kein Urteil. Sondern einen Beschluss. Der Richter gibt den Vorgang an die Staatsanwaltschaft zurück. Grund: schlechte Ermittlungsarbeit, die den Richter der ersten Instanz nicht gestört hatte:

  • Die aus Mauritius abgesetzten Droh-Emails, die an die Bank Bär gegangen sind, müssen recherchiert werden: Wer ist tatsächlich der Absender "robin.hood" gewesen? 
  • Es müsse geklärt werden, ob die den Steuerbehörden übergebenen Daten jene des schweizerischen Stammhauses von Julius Bär oder Daten der Fa. Julius Baer Bank & Trust Company auf Cayman Island sind
  • Und unterstehen dann diese Daten, die eindeutig von dort stammen, dem schweizerischen Bankgeheimnis? 
  • Wäre die Verletzung eines solchen auf den Cayman Inseln strafbar?
  • Auch müsse erst geklärt werden, ob die Daten-CD, die bei der Zeitschrift cash gelandet seien, die gleichen wären wie jene, die die Steuerverwaltung von ELMER erhalten habe

2012

Das Bankhaus Julius Bär versucht nun zu verhindern, dass die von ELMER den Steuerverwaltungsbehörden zugeschickten CD's und jene, die bei der Zeitschrift cash gelandet war, von der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Strafverfahren Nr. 1 gegen ELMER ausgewertet werden. Im Prozess könnten Informationen zur Sprache kommen. Die Bank besteht auf einer "Siegelung" (Versiegelung).

So geht es zwischen der Staatsanwaltschaft und der Bank hin und her, die Bank bittet die cash-Redaktion um eine Kopie, die sie auch von dieser erhält und letztlich zieht sie damit vors Obergericht, das bereits die Staatsanwaltschaft gerüffelt hatte. In einem Beschluss vom 13. April gestatten die Richter, dass die Staatsanwaltschaft aber ihre 'Hausaufgaben' machen darf, wie vom Obergericht bereits am 17. November des letzten Jahres gefordert.

Wer sich für das juristische Hickhack um das schweizerische Bankgeheimnis interessiert, der genehmige sich die Zeit, um den 21seitigen Gerichtsbeschluss anzulesen. Im allerbesten Fall sogar durchzulesen (bzw. durchzuhalten)


2013

Längst ist Rudolf ELMER zu einem internationalen Begriff geworden. Die in Washington (USA) sitzende Financial Transparency Coalition, einem Zusammenschluss von Transparency International (TI), Global Financial Integrity, christian aid, global witness und dem tax justice network (TJN), zählt Rudolf ELMER inzwischen zu den wichtigsten Whistleblowern im Kampf um Transparenz im internationalen Finanzwesen:

Es ist die Zeit, als fast die gesamte Welt von Steuerflüchtlingen, Steueroasen, Gewinnverlagerungen und unsolidarischem Verhalten in großem Stile spricht:

  • Im US-Senat gab es ein Jahr zuvor Anhörungen: Wieso ausgerechnet so bedeutsame Aushängeschilder wie Microsoft oder HP sich an solchen Praktiken beteiligen würden?
  • In der New York Times haben Redakteure recherchiert und veröffentlicht, dass die Weltgiganten Apple und Google nur noch 1 bzw. 3 % Steuern auf ihre ausländischen Einkünfte zahlen. Die Reporter erhalten dafür einen Pulitzer-Preis: How Apple Sidesteps Billions in Taxes
  • am 4. April 2013 veröffentlichen weltweit abgesprochen 86 Journalisten aus 46 Ländern ihre zweijährigen Recherchen über "Offshore Leaks" - es veranlasst führende Politiker, die sich bisher sehr dezent zurückgehalten hatten, zu eindeutigen Aussagen, dass dies nicht mehr so weitergehen könne
  • in Europa kracht das "Modell Zypern" zusammen - die Insel als Bankenzentrum und Steueroase u.a. für Oligarchen aus osteuropäischen Ländern steht vor dem Bankrott

Die internationale Aufmerksamkeit, die Rudolf ELMER genießt, steht in Gegensatz zu seiner Lebenssituation. Die Familie lebt inzwischen vom Einkommen der Ehefrau. In der Schweiz belasten ihn zwei Strafverfahren - das eine in Berufung, das andere vor Eröffnung. Und gesundheitlich geht es ihm immer noch nicht besonders gut - die äußeren Umstände wirken zu bedrohlich.

Das liegt auch daran, dass die heimische Presse nur langsam eine inhaltliche Kehrtwendung macht, was die internationale Diskussion um Steuerflucht und Bankgeheimnis anbelangt. Auch wenn längst feststeht, dass das schweizerische Bankgeheimnis kurz vor seinem Ende steht. So hat sich die Schweiz, nachdem mehrere Banken erhebliche Strafsummen an die US-Behörden zahlen mussten und eine kleinere Bank, Bank Wegelin in St. Gallen, die darüber in Konkurs gegangen war, längst bereit erklärt, dem US-amerikanischen FATCA-Abkommen beizutreten und beim internationalen Datenaustausch über Bankkonten und Kunden mitzumachen: Foreign Account Tax Compliance Act. So gilt ELMER dennoch für viele als skrupelloser "Verräter", der die nationalen Wirtschaftsinteressen in Verruf gebracht hat


2014

So sieht das wohl auch Staatsanwalt Dr. jur Peter C. GIGER, der im Juni die 33seitige Anklageschrift gegen ELMER auf den Weg bringt: wegen "Bankgeheimnisverletzung, Urkundenfälschung". Sein gefordertes Strafmaß: 4 1/2 Jahre Gefängis und "maximales Berufsverbot als Bankangestellter".

Währenddessen ist die Politik schon (viel) weiter. Die schweizerische Regierung stimmt dem automatischen Datenaustausch im Rahmen der OECD zu. Und im Oktober setzen im Rahmen einer internationalen Konferenz in Berlin die ersten 41 Staaten ihre Unterschrift darunter.

Zeitgleich hat sich die Schweizerische Großbank Credit Suisse mit den USA geeinigt. Sie zahlt im Rahmen eines Vergleichs 2,8 Milliarden Dollar. Das Bankhaus Julius Bär, dessen Verhandlungen mit den amerikanischen Steuerbehörden noch laufen, stellt sich derweil auf eine Strafzahlung von rund 500 Millionen Franken ein - eine halbe Milliarde!

Am 10. Dezember - kurz vor Ausklingen des Jahres, in dem in Deutschland viele Steuerhinterzieher geoutet wurden, die mit Hilfe ihrer Schweizer Banken Steuern hinterzogen haben, von Alice SCHWARZER bis Uli HOENEß - findet der Strafprozess gegen Rudolf ELMER vor dem Bezirksgericht in Zürich statt. Nach zweieinhalb Stunden bricht ELMER in einer Pause zusammen. Er wird auf der Stelle ins Krankenhaus gebracht, von dort in eine psychiatrische Klinik. Die Ärzte erklären ihn dort für vollkommen arbeitsunfähig. Die Verhandlung wird vertagt


19. Januar 2015

Das Gericht hat einen eigenen Gutachter eingeschaltet, der ELMER für verhandlungsfähig erklärt. Staatsanwalt Peter C. GIGER geht ihn hart an:

  • Er sei kein Whistleblower, sondern "ein ganz normaler Verräter"
  • "Er verkörperte ein System, das er nun anprangert
  • "Mit der Veröffentlichung hat Elmer die denkbar aggressivste Form des Geheimnisverrats gewählt, vorbei an jeder Rechtsstaatlichkeit"
  • ELMER habe selbstgefällig und eigensinnig gehandelt

4. Februar 2016

Das Bankhaus Julius Bär schließt mit dem Justizministerium der USA einen Vergleich: die Bank zahlt 547,25 Millionen, also mehr als eine halbe Milliarde Dollar Strafe. 

Die US-Ermittler hatten herausgefunden, dass Julius Bär bis zu 4,7 Mrd. $ in rund 2.600 nicht deklarierten Konten von US-Bürgern verwaltet habe. Zwischen 2001 und 2011 habe die Bank damit 87 Mio Gewinn erzielt. Das Ganze lief über ein von Julius Bär illegal aufgebautes System an versteckten Konten und Codewörtern.

Die Schweizer Justiz wird das wenig beeindrucken - die zuständigen Richter setzen weiter darauf, Steuerhinterziehung als geringes Delikt zu betrachten und Menschen, die darauf aufmerksam machen, möglichst empfindlich zu sanktionieren


12. Februar 2015

Der Urteilsspruch des Bezirksgerichts unter dem Vizepräsidenten des Gerichts als Vorsitzendem, Dr. S. AEPLLI: Rudolf ELMER wird wegen mehrfacher Bankgeheimnisverletzung sowie Urkundenfälschung (MERKEL-Brief) schuldig gesprochen. Die Geldstrafe wird bei einer "Probezeit" auf 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das vom Staatsanwalt geforderte Berufsverbot lehnt das Gericht ab.

ELMER legt sofort Berufung ein. Und wartet wieder. Auf seine nächsten Gerichtstermine.

Die internationale Politik in Sachen 'Internationale Steuerflucht' macht derweil Fortschritte. In kleinen Schritten. Aber in Schritten.


23. August 2016

Revisionsurteil des Züricher Obergericht

Um Whistleblowing ging es in dem Revisionsprozess nicht. Nur darum, ob

  • sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer These durchsetzen kann, ELMER habe das Schweizer Bankgeheimnis verletzt und müsse dafür bestraft werden
  • wie ELMERS Verhalten gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber strafrechtlich zu beurteilen sei.

Die Richter in zweiter Instanz entschieden so:

Ganz eindeutig war Rudolf ELMER nicht Angestellter der schweizerischen Bank Bär. Sondern eines eigenstständigen Tochterunternehmens der Bär Holding AG, Zürich, aber auf Cayman Island, zu der auch das Bankhaus Julius Bär in Zürich gehört. Damit konnte er das Schweizerische Bankgeheimnis gar nicht verletzt haben. Die Staatsanwaltschaft hatte diesen Aspekt immer wieder heruntergespielt, obwohl der Arbeitsvertrag von ELMER eindeutig war. Mit dieser arbeitsrechtlichen Bewertung sackten die größten Vorwürfe des Strafverfahrens ersteinmal zusammen. Damit war die Weitergabe von Unterlagen 2008 und 2 CD's an WikiLeaks im Jahr 2011 kein schweizerischer Straftatbestand.

Hingegen empfanden die Richter das Verhalten von ELMER nach seiner Kündigung nicht in Ordnung und verurteilten ihn wegen Drohung, versuchter Nötigung und Urkundenfälschung gegenüber seinem Ex-Arbeitgeber zu 14 Monaten bedingter Haft bei einer Bewährungszeit von 3 Jahren. Da ELMER 220 Tage in U-Haft gesessen hat, muss er nicht (erneut) ins Gefängnis.

Um Whistleblowing ging es in dem Verfahren nicht. Der Gerichtsvorsitzende und Kammerpräsident Peter MARTI hat harsche Worte gegenüber ELMER parat: "Sie sind kein Whistleblower, sondern ein ganz gewöhnlicher Krimineller. Ein richtiger Whistleblower steht zu dem, was er gemacht hat, und beruft sich auf Rechtfertigungsgründe."

Und: ELMER habe in seiner Position jahrelang an vorderster Front Offshore-Geschäfte mitorganisiert und gut daran verdient. Er habe die vertraulichen Daten nicht etwa wegen einer inneren Umkehr publik gemacht, sondern aus Wut auf seinen damaligen Arbeitgeber – weil er nicht befördert worden sei. Es handle sich um einen Rachefeldzug gegen die Bank.

Auf den Werdegang zum Whistleblower geht Richter MARTI nicht ein. Bevor man Alaramschlagen kann, muss man nämlich das System, in das man eingebunden ist, erst verstehen, bevor man die Missstände publik machen kann. Und deswegen werden 'System'-Mitarbeiter üblicherweise zwar funktional integriert, aber eben nur in ihren jeweiligen Teilbereichen und nicht über alles Restliche informiert. So funktionieren auch Geheimdienste. ELMER wurde nach und nach befördert und bekam nach und nach Einblick in das, was bei Julius BÄR auf Cayman Island wirklich geschah.

Weil die Schweizer Justiz in Gestalt des Züricher Obergericht von Whistleblowing nicht viel hält, aber ELMER nur auf Nebenkriegsschauplätzen abstrafen kann, hat sich Richter MARTI eine besondere Strafe ausgedacht: ELMER muss den größten Teil der Gerichts- und Ermittlungskosten tragen. Rund 350.000 Franken, wie MARTI vorgerechnet hat. Das soll offenbar ein unmissverständliches Signal an andere potenzielle Whistleblower sein.

Andererseits hat der Richter - wohl unbeabsichtigt - ein Signal in eine ganz andere Richtung gegeben: Steuerflüchtlinge, die ihre Gelder in Ablegern schweizerischer Banken auf Steueroasen bunkern, können nicht mehr davon ausgehen, dass sie durch das Schweizerische Bankgeheimnis geschützt sind.

ELMER wird erneut in Berufung gehen. Und vors Schweizerische Bundesgericht ziehen.


10. Oktober 2018 - zwei Jahre nach dem letzten Urteil

Urteil: Das Schweizerische Bankgeheimnis gilt nicht auf Cayman Islands

Dass das Geschäftsmodell Bankgeheimnis nicht mehr funktioniert und sich längst aufgelöst hat, haben wir in einer speziellen Chronologie beschrieben unter Schweizer Käse: Wie ein Markenprodukt immer löchriger wurde

Jetzt hat das oberste Bundesgericht der Schweiz entschieden und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft beim Züricher Obergericht abgewiesen, die sich gegen den Freispruch von ELMER in dieser Sache gerichtet hatte. Auch ELMER war mit einer eigenen Beschwerde vor die höchste Instanz gezogen.

Die Richter haben nun nach einer öffentlichen Beratung ein wegweisendes Urteil gefällt, allerdings mit knapper Mehrheit: 3:2. Die Mehrheit der Richter geht davon aus, dass ELMER auf der Steuerfluchtinsel nicht bei einer Schweizer Bank angestellt war. Dies gehe ganz eindeutig auch aus seinem Arbeitsvertrag hervor. Damit habe er auch nicht das Bankgeheimnis brechen können. Die beiden anderen Richter (SVP) argumentierten, die Schweizer Bank Julius BÄR hätte ihre Aufgaben an die Tochtergesellschaft "JBBT" dort delegiert. 

Dies ließen die drei anderen nicht gelten: Julius BÄR habe einen Teil ihrer Geschäfte dorthin ausgelagert und sie dem dortigen Recht unterstellt. So wie dies bei multinationalen Konzernen ebenfalls die Regel ist. Somit habe er auch nur gegen dortiges Recht verstoßen können. 

Damit hat das oberste Gericht den Freispruch des vorangegangenen Gerichts im August 2016 in dieser Sache bestätigt. ELMER's Beschwerde wegen Verurteilung aufgrund von Drohung und versuchter Nötigung seines früheren Arbeitgebers wiesen die Bundesrichter ab.

Und sie wiesen seine Beschwerde ab, dass er 3/4 aller Kosten tragen muss, die das Verfahren (angeblich) gekostet haben. Rudolf ELMER muss nun nach diesem Stand der Dinge 320.000 Schweizer Fränkli berappen.

Die Begründung des Urteils liegt noch nicht vor.

Eine Einschätzung auch zu der finanziellen Sanktionierung durch das Schweizer Bundesgericht gibt es bei der NGO Tax Justice Network: Whistleblower Rudolf Elmer’s court victory: the long arm of Swiss secrecy law gets shorter


Februar 2019

Jetzt (erst) legt das Schweizerische Bundesgericht die Begründung für das im Oktober verkündete Urteil vor: auf 46 Seiten.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung hat Prof. Dr. Werner KALLENBERGER dazu verfasst: Über Prozessführung, Bankgeheimnis, Trusts und Whistleblowing.


August 2019

Nachdem Rudolf ELMER vom Vorwurf der Bankgeheimnisverletzung durch das oberste Schweizer Gericht freigesprochen ist, soll er nach wie vor die Gerichtkosten in Höhe von rd. 320.000 Schweizer Franken zahlen. Das ist ihm nicht möglich.

Rudolf ELMER geht nun eine Instanz weiter und zieht mit einer Beschwerde vor den Europäischen Menschengerichtshof in Straßbourg: mit einer entsprechenden Beschwerde wegen Verletzung des Artikels 6, Ziffer 2 die Unschuldsvermutung betreffend.

Gleichzeitig gib es dazu eine Crowdfunding-Initiative, um die Kosten abzudecken.


Wenn Sie diese chronologische Darstellung direkt aufrufen oder verlinken wollen, so können Sie das unter www.ansTageslicht.de/Elmer-Chronologie tun. 

(Recherche: ACG und JL, Text: JL)