Asbest: die 4 tödlichen Schadensbilder

Hier erklären wir 3 Dinge: 1) Welche Asbestarten es gibt, 2) wie Asbest die Schäden verursacht, und 3) welche Schadens- bzw. Krankheitsbilder daraus folgen können. 

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Es gibt zwei große Gruppen von Asbestarten:

  • Serpentinasbest: Dies betrifft ausschließlich den Chrysotilasbest, der auch Weißasbest heißt
  • Amphibolasbest: dazu gehören vor allem 
    • Blauasbest (auch als "Krokydolith" bezeichnet) 
    • Braunasbest ("Amosit")
    • Tremolit und zwei andere nicht nennenswerte Sorten.

Das weltweit häufigste Vorkommen betrifft den Chrysotilasbest. Abbaugebiete: Canada, Russland.

Blau- und Braunasbest hat man v.a. in Südafrika gefunden.

Gefährlich sind alle Sorten. Auch wenn sie sich in der Länge und Härte der Fasern unterscheiden. Sie richten im menschlichen Körper unheilbare Schäden an. Schäden, die tödlich enden. Vorzeitig tödlich. Und bis dahin vor allem qualvoll. 

Das jahrelange Gerede, Asbest sei bei sachgemäßem Gebrauch sicher, hat sich als blanker Unfug erwiesen. 10 Millionen Menschen haben dies mit ihrem (vorzeitig beendetem) Leben bezahlen müssen. Und deswegen wurde Asbest auch verboten. Jedenfalls in bisher 55 Ländern dieser Erde. In Russland, China oder Indien etwa wird weiter fleißig abgebaut und exportiert. 

Keine Gefahren bei "sachgemäßer Anwendung" - derlei Behauptungen werden auch heute wieder propagiert. In Russland oder Indien natürlich, was Asbest betrifft. In Deutschland, Europa und den USA aktuell bei der Diskussion um Glyphosat

Hier geht es um Asbest. Und die typischen Schäden beim Menschen. Denn der sollte - eigentlich - im Mittelpunkt stehen. Und nicht vorrangig die Interessen von Unternehmen, die vorgeben, das Leben der Menschen besser machen zu wollen, ohne auf Hinweise zu reagieren, dass es ganz anders sein könnte.  


Die Wege des Asbeststaubs: Asbestfasern und Asbestkörperchen

Auch wenn Asbest auf den ersten Blick den Eindruck eines festen Gesteins macht, besteht das Mineral aus winzigen Fasern. Manche sind kleiner, manche etwas größer als 5 Mikrometer. 1 Mikrometer, abgekürzt mit den Symbolen my und m, also "µm", entspricht 1 Tausendstel Millimeter. Mit dem menschlichen Auge kann man das nicht sehen, man benötigt ein hochleistungsfähiges Elektronenmikroskop.

Wird Asbest beispielsweise in Form von Asbestzement geflext, entsteht eine Staubwolke aus Millionen solcher Fasern. Bis zu 30 Millionen Asbestfasern pro Kubikmeter eingeatmeter Luft hat Prof. Dr. Hans-Joachim WOITOWITZ mit seinem Team am Institut für Arbeits- und Sozialmedizin (IPAS) an der Universität Giessen bereits in den 70er Jahren an einem solchen Arbeitsplatz gemessen. Das ist heute nicht mehr möglich, denn Asbest ist inzwischen verboten. 

Beim Einatmen geraten die Millionen Fasern in die Lunge. Beziehungsweise in die Zellen. Die Fasern durchbohren die Zelle und sind ersteinmal drin. Jetzt versuchen sogenannte Fresszellen den mineralischen Fremdkörper zu "fressen", sprich unschädlich zu machen. Das gelingt in der Regel nicht: Die Zellen gehen zugrunde. Kleine Fasern werden abtransportiert.

Um einige der abgelagerten Fasern bilden sich stellenweise eiweishaltige Ummantelungen. Dann spricht man von einem Asbestkörperchen - siehe das Foto des IPAS aus Giessen. 

Das Verhältnis von Asbestfasern und Asbestkörperchen ist unterschiedlich. Es schwankt zwischen 100:1 und 1.000:1 - je nach individueller Konstitution und/oder genetischer Veranlagung sowie Asbestart. Beim weißen Asbest ("Chrysotil") werden kaum Asbestkörperchen gebildet. Man kann deshalb nicht ohne weiteres beim Zählen von Asbestkörperchen auf die Anzahl der eingeatmeten Asbestfasern rückschließen. 

Von der individuellen genetischen Veranlagung hängt auch ab, was weiter geschieht. Die eingeatmeten Fasern werden zunächst in Lungenbläschen abgelagert, wo der Austausch zwischen Sauerstoff (Einatmung) und Kohlendioxyd (Ausatmung) stattfindet. Von dort gelangen sie dann in das Lungengewebe. Vor allem die kurzen Chrysotilfasern wandern weiter: in das die Lunge umgebende Brustfell ("Pleura") oder ins Zwerchfell ("Diaphragma") oder in den Bauchraum oder in den Herzbeutel ("Perikard").  

Sowohl in der Lunge als auch an den anderen Orten kann sich jetzt ein (Krebs)Tumor bilden. Oder es kommt (nur) zu einer Vernarbung der Lunge und des Brustfells, wenn wegen des Eindringens der Fasern chronische Entzündungen, Zerstörung von Zellen und Bindegewebereaktionen hervorgerufen werden. Das Lungengewebe und das Brustfell werden hart (vernarben), was die Mediziner eine "Fibrose" nennen.

Auf den beiden Schaubildern des US National Heart, Lung and Blood Institutes sind die Unterschiede zu erkennen. Links ein intaktes Lungensystem, rechts Auswirkungen von Asbest:

Auf dem rechten Bild sieht man

  • die von den Asbestfasern zernarbten zwei Lungenflügel, also das Krankheitsbild einer "Asbestose"
  • im rechten Lungenflügel kann man einen (noch kleinen) Lungentumor erkennen, also einen Lungenkrebs
  • der linke Lungenflügel ist außerhalb von einem Tumor befallen, einem sogenannten Mesotheliom.

Diese Schadensbilder erläutern wir im folgenden, aber nur mit den wichtigsten Informationen. Was man wissen muss: Die Schäden treten mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung auf, die man "Latenzzeit" nennt. Die Latenzzeit liegt meist zwischen 20 und 40 Jahren.

Bedeutet: Oft weiß man erst Jahre nach einer "Exposition", das ist die Belastung mit einem Schadstoff, dass man einen Schaden davon tragen wird.

Die Stärke eines Schadens korreliert mit der Expositionsstärke, oft auch als "Dosis" bezeichnet. Je länger und je stärker man einer Asbeststaubbelastung ausgesetzt ist, umso drastischer und häufiger die späteren Schäden.

Und noch eines sollte man wissen. Die Asbestfasern des Chrysotilasbests (Weißasbest), die beim Einatmen von Asbeststaub ihren Weg in die Lunge, und von da in die Bronchien und von da wiederum in die Lungenbläschen ("Alveolen") finden, also da, wo der Sauerstoff ins Blut übergeben wird,  sind klein und flexibel. Sie verschwinden nach einer relativ kurzen Zeit ("Fahrerfluchtphänomen"), konkret: sie lösen sich auf und sind dann meist nicht mehr zu identifizieren. Aber sie haben vorher den späteren Schaden initiiert, auch wenn der sich erst Jahr(zehnt)e später bemerkbar macht.

Auch darum geht ein heftiger medizinischer Streit zwischen dem System der Gesetzlichen Unfallversicherung, das möglichst wenig Entschädigung zahlen möchte, und (wenigen) Medizinern, die ihre Aufgabe vor allem im gesundheitlichen Wohl des Menschen sehen. Bzw. darin, wenn alles bereits zu spät ist, für einen fairen Ausgleich zu sorgen. Mehr dazu unter Warum um Asbest immer noch geschachert wird: der Showdown. Ergänzend wird dazu die Lektüre von Das Deutsche Mesotheliomregister empfohlen, denn über diese Monopoleinrichtung steuert die (Deutsche) Gesetzliche Unfallversicherung ihre Deutungshoheit.

Jetzt folgen die 4 Schadensbilder:


Asbestose ("BK 4103")

Es war das erste Krankheitsbild, das man mit Asbest in Verbindung brachte. Im Vereinigten Königreich von Großbritannien 1899. Die Gewerbeaufsichtsbeamtin im Dienste von Königin Victoria sprach von "evil effects". Übersetzt hatte sie das geschrieben:

„Eine mikroskopische Untersuchung offenbart die scharfe, glasartige, zackige Natur der Partikel. Dort, wo sie sich in der Raumluft befinden, egal in welchem Ausmaß, sind die nachgewiesenen Folgen schädlich.“ 

Mehr dazu unter Warum es so lange gedauert hat, bis Asbest verboten wurde: die ersten 70 Jahre - Asbestchronologie Teil I.

Das Schadensbild:

Heute weiß man natürlich Genaueres. Die feinen und winzig kleinen Fasern, inbesondere jene des weißen Asbests, auch Chrysotil genannt, der auch am häufigsten benutzt wurde, setzen sich in der Lunge ab. Sie lösen eine sogenannte Bindegewebsentzündung aus und als Folge vernarbt die Lunge. Diesen Vorgang bzw. das Ergebnis nennt man eine "Lungenfibrose". 

Bedeutet: Das gesamte Lungensystem wird immer härter. Anschlussfolge: Die Lunge funktioniert immer schlechter.

Um das Atmen überhaupt noch zu ermöglichen, müssen die Kraftanstrengungen des Lungenapparats zunehmen. Die können so aufwendig sein, dass das Herz zu leiden beginnt. Und überbeansprucht wird. Dann kann es zum Herzversagen kommen, bevor man an der Asbestose erstickt.

In jedem Fall ist die Asbestose ein langsamer, aber qualvoller Erstickungsprozess.

Weil Otto von BISMARCK im vorvorigen Jahrhundert das System der Gesetzlichen Unfallversicherung eingeführt hatte, nach dem Unternehmen ihre Arbeiter*innen entschädigen mussten, wenn sie am und durch den Arbeitsplatz krank und/oder arbeitsunfähig wurden, hatte man die schwere Asbestose 1936 als Berufskrankheit anerkannt.

Heute wird sie in der Liste der Berufskrankheiten unter der Bezeichnung und Nummer "BK 4103" geführt. Die Anerkennungsquote betrug 2017 immerhin 56%.  So sieht die Entwicklung von 1987 bis 2017 graphisch aus (Anklicken öffnet ein hoch aufgelöstes PDF):


Lungenkrebs ("BK 4104")

In Deutschland hatte man bereits Ende der 1920er Jahre erkannt, dass Asbest auch Lungenkrebs auslösen kann. Und reagiert. In den USA wusste man ebenfalls um diese Zeit, hatte aber diese Informationen zurückgehalten. Alle medizinischen Wissenschaftler waren gehalten, sich dazu nicht zu äußern. Bis Anfang der 50er Jahre. Mehr dazu unter Asbest in den USA: Fake Science und ein Whistleblower.

Das Schadensbild:

Ein Lungenkrebstumor kann durch vielerlei Faktoren verursacht sein. Beispielsweise auch durchs Rauchen. Oder sonstige Einflüsse. Deswegen tauchen hier die größten Probleme auf, einen Lungenkrebs auf Asbestfasern zurückzuführen. So wie Rauchen allein einen Risikofaktor darstellt, wächst der Risikofaktor um ein Mehrfaches, wenn eine Asbeststaubexpsoition hinzukommt. Die Frage ist dann, was ist die Hauptursache, und was ist Teilursache. Also, welcher Faktor ist der dominanteste.

Um sicher zu sein, dass der Lungenkrebs asbestbedingt entstanden ist, hatte man den Lungenkrebs durch Asbest 1943 als Berufskrankheit anerkannt, aber nur in Kombination mit einer Asbestose. So wähnte man sich in der Verursachung sicher.

Medizinisch gesehen unterscheiden sich ein asbestbedingter Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs nicht von anders entstandenen Tumoren. Deswegen sind die Krankheitsbilder die gleichen: Husten, Auswurf von Schleim, Fieber und Schmerzen, zunehmender Gewichstverlust. Der Körper wird immer schwächer. 

Beim Kehlkopfkrebs, der erst sehr viel später anerkannt wurde, kommen Schluckbeschwerden und Heiserkeit hinzu.

Heute weiß man, dass asbestverursachter Lungenkrebs auch ohne Asbestose entstehen kann. Deswegen wurde 50 Jahre später das sogenannte "25 Faserjahre-Modell" entwickelt. Was aber, wie wir heute wissen, nur schlecht funktioniert, weil die nachträgliche Rekonstruktion der notwendigen Anzahl an benötigten "Faserjahren" schwierig ist, wenn es keine genauen Aufzeichnungen und Beweise nach mehreren Jahrzehnten mehr gibt. Außerdem: neuere Studien zeigen, dass dieses 25 Faserjahre-Modell eine viel zu hohe Asbestdosis voraussetzt: bereits 4 "Faserjahre" gehen mit einer Verdoppelung des Lungenkrebs-Risikos einher.

Der Lungen- oder Kehlkopfkrebs wird unter einer einheitlichen BK-Nummer geführt: "BK 4104".

Inzwischen wird auch ein asbestbedingter Eierstockkrebs anerkannt.

Die Zahlen der sogenannten Verdachtsanzeigen auf BK 4104 steigen seit Jahren und betragen mehrere Tausend pro Jahr. Dies hängt mit der langen Latenzzeit zusammen, die bis zu 40 Jahre dauern kann. 

Auf der anderen Seite sind die Anerkennungen durch die Berufsgenossenschaften hier am geringsten. Im Jahr 2017 wurden nur noch 16% aller gemeldeten Fälle anerkannt - siehe die Grafik.

In den 60er Jahren war das noch anders. Da lag die Anerkennungsquote bei rund 90%. Sie hat sich seither systematisch verringert. Wie es dazu kam, ist detailliert rekonstruiert unter Warum es so lange gedauert hat, bis Asbest verboten wurde: die darauffolgenden 50 Jahre - Asbestchronologie Teil II.

Hätte man derart hohe Quoten beibehalten, würde das für die Gesetzliche Unfallversicherung ein Mehrfaches der heutigen Entschädigungszahlungen bedeuten. Dies ist dargestellt unter Warum um Asbest immer noch geschachert wird: der Showdown bis heute - Asbestchronologie letzter Teil.

Hier die Entwicklung von 30 Jahren graphisch (Anklicken öffnet ein hoch aufgelöstes PDF):


Das Mesotheliom ("BK 4105")

Diese Erkrankung hat man erst Ende der 50er Jahre entdeckt. Den Namen haben südafrikanische Mediziner geprägt. Es ist der aggressivste Krebs, den man kennt. Als Berufskrankheit ist er in Deutschland seit 1975 anerkannt.

Das Schadensbild:

Von einem Mesotheliom spricht man, wenn sich der asbestbedingte Krebs nicht in der Lunge entwickelt, sondern außerhalb. Er kann an mehreren Stellen entstehen: am

  • Rippenfell
  • Bauchfell
  • Herzbeutel

Da der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, also zwischen Asbeststaubexposition (Asbeststaubbelastung) und Krebsbildung eindeutig ist, weil dieses Krankheitsbild in keinem anderem Kontext so auftaucht, kommt es hier auch nicht zu Auseinandersetzungen über die Kausalität. Der Mesotheliomtumor entwickelt sich so schnell, dass das restliche Leben spätestens nach 1 Jahr zu Ende ist, sobald man ein Mesotheliom diagnostiziert hat.

Die Symptome sind die wie beim Lungenkrebs. Meist aber qualvoller, weil sich das Schadensbild so schnell entwickelt und der Körper weniger Gelegenheit hat, sich an die Verschlechterung des Gesundheits- bzw. Krankheitszustandes zu gewöhnen. 

Diese Krebsbilder werden unter der Bezeichnung "BK 4105" geführt.

Weil 70 bis 80% solcher Fälle asbestinduziert sind, der ursächliche Zusammenhang also ziemlich eindeutig ist, kann er von der Gesetzlichen Unfallversicherung auch kaum abgestritten werden. Aus diesem Grund sind die Anerkennungszahlen vergleichsweise hoch: 75%.

Die Entwicklung von Verdachtsanzeigen und Anerkennungen von 1987 bis 2017 lässt sich aus der Grafik ersehen (Anklicken öffnet ein hoch aufgelöstes PDF):


Asbestfaserstaub und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): "BK 4114"

Dies ist ein Sonderfall, wenn sich Lungenkrebs aus dem Zusammenwirken dieser beiden Schadstoffe entwickelt. Zu den PAKs gehören beispielsweise Naphtalin, Fluore und andere chemische Substanzen, die ganz natürlich etwa in Kohle und Erdöl vorkommen. Bei der Herstellung von Teer durch Verkokung von Steinkohle entstehen in großem Umfang solche giftigen PAK's. Deswegen wurde Teer im Straßenbau oder als Dachpappe bereits 1984 verboten.

PAKs sind übrigens auch im Tabakrauch enthalten! 

Da die Kombination einer Exposition von Asbest und PAKs vor allem in bestimmten Branchen bzw. Berufen vorkommt, so beim Dachdecker, in Gießereien, in der Stahlindustrie oder Aluminiumindustrie, z.B. wenn die Arbeiter wegen der Hitze asbesthaltige Schutzkleidung getragen haben, sind die Fallzahlen nicht sehr groß. 

Dies hängt allerdings auch damit zusammen, dass viele Arbeitnehmer und/oder Hausärzte um diese Zusammenhänge nicht wissen und deswegen keine Meldung erstatten (können). 


Diese Site lässt sich auch direkt aufrufen und verlinken mit www.ansTageslicht.de/4malAsbest.

(JL)