Die Auseinandersetzung läuft aber auch hinter den Kulissen: auf der Ebene der medizinischen Wissenschaft. Die wird regelmäßig eingespannt, um Ansprüche auf ihre Kausalität hin zu begutachten, was schon nach den eben genannten Zahlen auf ein Abwehren hinausläuft. Wer vor Gericht klagt, hat noch weniger Chancen. Dort geht es nur in 10% aller Fälle positiv für die Betroffenen aus.
Die Wissenschaft namens "Arbeitsmedizin" versteht sich zwar als unabhängige Wissenschaftsdisziplin, de facto steht sie aber in Diensten der Gesetzlichen Unfallversicherung. Dies haben wir vor einiger Zeit in einem etwas anderen Zusammenhang dokumentiert und dabei Roß & Reiter genannt: unter www.ansTageslicht.de/DGUV.
Gerade bei Asbest stellt sich die Mehrzahl der Arbeitsmediziner noch heute, wenn sie als "Gutachter" auftreten, gegen die Ansprüche der Betroffenen. Wer regelmäßig derlei gut dotierte Jobs übernehmen möchte, tut gut daran, nicht aus der Reihe zu tanzen. Und nur wenigen liegt die Gesundheit der arbeitenden Menschen, in diesem Fall die finanziellen Entschädigungen derer, die ihre Gesundheit am Arbeitplatz geopfert haben, mehr am Herzen als Kosten- und Renditekalkulationen.
Das sehen die natürlich anders. Aber die so Kritisierten vermögen nicht einzusehen, dass sie sich in einer "kognitiven Falle" stecken, wie das die Soziologen nennen: Sie befinden sich in einem Interessenskonflikt. Einen, den sie nicht erkennen können (oder wollen). Und ohne dies zugeben zu können (oder zu wollen).
Wie sich diese wissenschaftliche Auseinandersetzung entwickelt hat, wie sie heute geführt wird und was alles passieren musste, bis die Politik doch noch Konsequenzen gezogen und ein Asbestverbot durchgesetzt hat, ist rekonstruiert unter Warum es so lange gedauert hat, bis Asbest verboten wurde: die darauffolgenden 50 Jahre - Asbestchronologie Teil II.