Was kann man tun bei Asbest

Generell:

Was man ganz allgemein tun kann, wenn man berufskrank, also etwa arbeitsunfähig geworden ist und sich dann mit dem System der (Deutschen) Gesetzlichen Unfallversicherung auseinandersetzen muss, haben wir zusammengetragen in einem etwas anderen Kontext unter "was kann man tun?", abgekürzt WKMT: www.ansTageslicht.de/WKMT.

Dort werden die Hinweise & Tipps, die wir erhalten oder die sich aus Gesprächen mit vielen Menschen ergeben, auch regelmäßig ergänzt und aktualisiert.

Das Problem Asbest ist ein spezielles. Vor allem weil es in der Regel tödlich endet. Und manchmal ganz schnell. Auf der anderen Seite schleppen sich viele Gerichtsverfahren über Jahre dahin. Einen krassen Fall haben wir beschrieben unter 36 Jahre: 11 Gutachter, 30 Gutachten und kein Ende. So etwa ist sicher nicht die Regel. Aber einen Ausnahmefall kann dies auch nicht darstellen - wir kennen inzwischen einfach zu viele solcher Fälle, können/wollen hier aber nicht alle dokumentieren.

Fest steht nur, dass die offiziellen Angaben der DGUV, eine Anerkennung einer Berufskrankheit, gerade auch  bei Asbest, würde nur wenige Monate dauern (sie spricht von 6 bis 8 Monaten), definitiv ein Märchen ist. Sie lässt offenbar alle strittigen Fälle, die sich vor Gericht hinziehen, einfach weg. Eine Methode, die wir bei den Recherchen um Asbest in den USA gesehen haben: Asbest in den USA: Fake Science und ein Whistleblower. Dort hatte die Asbestbranche und die von ihr finanzierten medizinischen Experten solches regelmäßig praktiziert, u.a. auch in Absprache mit der dortigen (privaten Unfall)Versicherung, der Metropolitan Life Insurance Company, kurz MetLife: unbequemes einfach weglassen, sprich verheimlichen.

Offenbar scheint dies auch der Stil der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zu sein und der ihr angeschlossenen Berufsgenossenschaften. Deswegen sollten Sie sich genau darauf einstellen. Um gegenhalten zu können.

Konkret:

Sie sollten sich Rat von ausgewiesenen Experten einholen. Noch bevor Sie oder Ihr Hausarzt eine sogennnte Verdachtsanzeige an die zuständige BG absetzt.

Es gibt Profis:

  • www.berufskrankheiten.de. Diese Seite betreut ein ehemaliger Medizinalrat Dr. Franz H. MÜSCH, der vormals im Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Bereich Arbeitsmedizin betreut hatte und schon länger pensioniert ist 
  • Fragen Sie bei Ihrer Gewerkschaft nach, ob die einen Spezialisten für Berufskrankheiten ganz allgemein haben, und ob er sich speziell mit der Asbestproblematik auskennt. Das ist ab und an der Fall
  • Es gibt eine "Asbestose-Selbsthilfegruppe", erreichbar unter www.asbesterkrankungen.de . Da arbeiten Betroffene auf ehrenamtlicher Basis, die ein großes Erfahrungswissen haben.
  • Suchen Sie sich Profis, die vormals bei der Gesetzlichen Unfallversicherung tätig waren, und die sich jetzt frei fühlen, anders, sprich objektiv zu gutachten, ohne dass dies dem (honorierenden) Auftraggeber gefallen muss.

Die "Verdachtsanzeige" - Meldung als "BK":

Versuchen Sie sofort alles zu sammeln, was Sie an Unterlagen über frühere Arbeitsverhältnisse und vor allem über die dortigen Arbeitsbedingungen nachträglich finden oder rekonstruieren können. Sie müssen die Asbestbelastung nachweisen, und das ist das Problem einer langen Latenzzeit. Versuchen Sie ehemalige Arbeitskollegen usw. zu finden, bitten Sie diese, ihre Erinnerungen schriftlich zu notieren (mit Namen und Anschrift, Datum, usw). Das könnte später vor Gericht wichtig werden.

Gehen Sie davon aus, dass Sie von Ihrer Berufsgenossenschaft ersteinmal einen abschlägigen Bescheid erhalten. Das machen die in über 90% aller Fälle. Nur bei Rechtsanwälten, die beispielsweise während ihrer Studentenzeit vor 40 Jahren mal mit Asbest in Berührung gekommen waren, geht es ganz fix. Deswegen, weil die Sachbearbeiter wissen, dass ein Anwalt (insbesondere wenn er dann auch schon pensioniert ist), a) rechtliches Wissen zum Verfahren haben und b) keinen Anwalt damit beauftragen müssen, der das nur nebenher macht, weil die Honorare bei Sozialgerichtsverfahren nicht eben hoch sind. Auch darauf setzen die Berufsgenossenschaften, dass Sie schnell aufgeben.

Das sollten Sie aber nicht machen.

Deswegen sollten Sie allem sofort widersprechen, wenn eine BG mit einem Ablehnungsbescheid daherkommt. Überlegen Sie mit den von Ihnen ausgesuchten Experten, wo und wie Sie da Gegenargumente auffahren können. Es wäre auch zu überlegen, nicht alles von vorneherein an Beweismaterial über den Tisch zu reichen, aber das werden die Experten besser einschätzen können, weil die bereits mit mehreren BG's zu tun gehabt haben dürften. 

Vor Gericht

Wenn es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt, bedenken Sie, dass Sie a) auch ohne Anwalt das machen, sich also selbst vertreten können, oder b) einen Gewerkschafter damit beauftragen, wenn Sie einen finden, der zu Asbest viel Ahnung hat. Dies ist nach § 73, Absatz 2, Nr. 7 SGG (Sozialgerichtsgesetz) möglich.

Weil es dann oft so ist, dass Ihnen eine BG nachweisen möchte, dass man entweder zu wenig Asbest gefunden hat, oder die Exposition zu gering war, oder die Dauer der Exposition zu kurz, oder was auch immer: In der Regel geht es zunächst immer nur um eine spezielle "BK" (BK 4103, BK 4104, BK 4105, BK 4114), die da vor Gericht verhandelt wird.

Ein sehr erfolgreiches Vorgehen ist dies: Dass man, sofern die BG die Exposition durch Asbest als nicht ausreichend ansieht, also z.B. das Kriterium der "25 Faserjahre" nach den Berechnungen der BG nicht erreicht hat (siehe dazu Warum es so lange gedauert hat, bis Asbest verboten wurde: die darauffolgenden 50 Jahre - Asbestchronologie Teil II), dann sollten Sie vor Gericht die Exposition weiterer Gefahrstoffe einführen, wenn es solche gab.

Die Richter sind über so etwas in der Regel 'not amused', aber vor Gericht geht es - formal natürlich um eine spezielle BK - letztlich um den Menschen. Also den Kranken. Oder den Toten (wenn es um Witwenrenten etc geht). Das muss man vor Gericht klar signalisieren und nicht klein beigeben. Weil sich auch bei den Sozialrichtern inzwischen herumgesprochen hat, dass Asbest ein besonders heimtückischer Schadstoff ist.

Erfolgreich hat sich offenbar auch die Ankündigung ('Drohung') im Gerichtssaal erwiesen, im Zweifel bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen. Beziehungsweise im Wege einer sogenannten Sprungklage durchsetzen zu wollen, dass sich das zuständige Gericht mit der Schadstoffbelastung insgesamt auseinandersetzt. 

Bei Asbest hat inzwischen auf der Ebene der Landessozialgerichte ein Umdenken begonnen. In Sachen Asbest akzeptieren sie nicht mehr die Theorien des Mesotheliomregisters. Was bedeutet, dass man sich bis in diese Instanz hinaufklagen sollte, wenn eine BG eine asbestbedingte Berufskrankheit ablehnt, die auf Gutachten fußt, die mit der Zählung von Asbestkörperchen argumentieren. Dies sind die bisher ergangenen Urteile:

  • LSG Nordrhein-Westfalen, 13.05.1997, Az. L 15 U 55/93
  • LSG Nordrhein-Westfalen 11.12.1997 Az. L15 U274/97
  • LSG Rheinland-Pfalz, 25. 1. 2000, Az. L7U158/98
  • Bayerisches LSG 28.03.2001, Az. L 17 U 57/96
  • LSG Niedersachsen/Bremen, 6.9.2018, Az. L 14 U 48/18

Alles weitere zu einem Sozialgerichtsverfahren finden Sie unter www.ansTageslicht.de/WKMT.

Gutachter

Dazu finden Sie sehr viel unter dem eben erwähnten Link. Und zwar zu Gutachtern, die Ihnen die BG  vorstellt. Oder wenn Richter solche beauftragen wollen.

Sie dürfen übrigens selbst Gutachter ein (einziges) Mal benennen. Auch dazu mehr unter "WKMT". 

Hier nennen wir Ihnen nur (wenige) Namen, von denen wir sagen können, dass Sie nicht in Diensten der Gesetzlichen Unfallversicherung stehen - weder als vertraglich gebundene "Beratungsärzte" und/oder als externe Gutachter, die dann aber doch häufiger solche Gutachten für eine BG übernehmen, weil es dafür Geld gibt.

In dem rekonstruierten Geschichte eines Bierbrauers, der 30 Jahre lang u.a. mit Asbest in Berührung gekommen war, ist der Name eines Gutachters genannt, der vormals technischer Aufsichtsbeamter einer BG war, jetzt pensioniert ist, und unabhängig arbeitet. Und dessen Gutachten letztlich die von der BG aufgefahrenen Beurteilungen und Berechnungen vom Tisch gefegt hat. Er hat uns signalisiert, dass er für so etwas zur Verfügung steht:

Alles weitere

finden Sie unter www.ansTageslicht.de/WKMT. Und das empfehlen wir zu lesen.


(JL)