Die vielen Berichte der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) 2005 bis 2007, 25.01.2006

von Ulrich Wangemann

Die Kontrollen sind neutral und flächendeckend

Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) , 25.01.2006

Die Fleischbranche war und ist immer wieder für Skandale gut. Ende des vergangenen Jahres häuften sich Funde von so genanntem „Gammelfleisch“ – abgelaufene, offenkundig verdorbene oder von Vornherein nicht für den menschlichen Verzehr geeignete Ware, die trotzdem in den Handel gelangte. Auch gegen den Fleischverarbeiter Disselhoff Sachsenkrone in Brandenburg an der Havel erheben ehemalige Beschäftigte entsprechende Vorwürfe (MAZ berichtete). Josef Tillmann ist Geschäftsführer der Disselhoff-Muttergesellschaft Tönnies GmbH & Co. KG im westfälischen Rheda-Wiedenbrück und zeichnet dort für das Brandenburger Werk verantwortlich. Mit ihm sprachen die MAZ-Redakteure Martin Usbeck und Ulrich Wangemann.

 

Herr Tillmann, wird in der Fleischbranche besonders viel getrickst, geschummelt und betrogen?

Tillmann: Es gibt berechtigte Vorwürfe gegen einzelne Unternehmen, die dem Ruf der Branche schaden. Die müssen bestraft werden. Das darf aber gleichzeitig nicht dazu führen, dass die ganze Branche unter Generalverdacht gestellt wird. Die überwältigende Mehrheit der Betriebe arbeitet absolut korrekt, Fleisch aus Deutschland ist gutes Fleisch.

Mal ganz ehrlich: Wird bei Disselhoff Sachsenkrone in Brandenburg an der Havel Gammelfleisch verarbeitet?

Tillmann: Nein, natürlich nicht. Diese Vorwürfe sind einfach unglaublich.

Wie erklären Sie sich dann, dass so viele Personen unabhängig voneinander entsprechende Aussagen gemacht haben?

Tillmann: Ich kann mir das nicht erklären. Das sind absurde Vorhaltungen von ehemaligen, gekündigten Mitarbeitern. Ich habe immer mehr den Eindruck, dass hier jemand die in der letzten Zeit aufgedeckten Einzelfälle nutzt, um einem unbescholtenen Unternehmen zu schaden. Dagegen müssen wir uns wehren. Denn unsere Kontrollsysteme funktionieren. Die Vorwürfe werden durch die ständigen Kontrollen des Veterinäramtes Brandenburg ja auch eindeutig widerlegt.

Da werden aber im Wesentlichen nur Papiere kontrolliert.

Tillmann: Nein. Der Gesamtzustand des Betriebes, die Personalhygiene, die Rohstoffe und die Fertigprodukte werden regelmäßig kontrolliert. Außerdem werden die Unbedenklichkeitszertifikate der Vorlieferanten und unsere internen Kontrollen geprüft. Deutschland hat eines der besten Kontrollsysteme überhaupt.

Letztlich bescheinigt sich das Unternehmen aber selbst, dass es ordentlich gearbeitet hat.

Tillmann: Nein. Wir haben unsere gesamte Analytik deutschlandweit an sieben unabhängige Laboratorien ausgelagert. Im vergangenen Jahr haben diese rund 600 Mal die zu verarbeitenden Rohstoffe und rund 900 Mal die Fertigprodukte überprüft.

Das ist alles?

Tillmann: Nein. Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelkontrollen werden alle Fertiggerichte in ganz Deutschland auf Grundlage von EU-Normen kontrolliert. Im Jahr 2005 waren das etwa 200 amtliche Kontrolluntersuchungen unserer Produkte aus den Supermarktregalen – jederzeit, unangemeldet und flächendeckend zwischen Flensburg und Oberbayern.

Gehen wir in die Einzelheiten. Der Kühlmeister in dem Brandenburger Betrieb hat bei der Entgegennahme von Fleischlieferungen Temperaturen gemessen, die weit über dem zulässigen Wert von drei Grad lagen. Er hat diese Werte auch ordnungsgemäß in die Papiere eingetragen. Trotzdem soll das Fleisch weiterverarbeitet worden sein.

Tillmann: Das ist nicht richtig. Eine Messung allein reicht nie aus. Die Vorschriften legen eindeutig fest, dass die Temperatur im Kern, also in der Mitte des Fleischstücks, maßgeblich ist. An anderen Punkten kann die Temperatur unter Umständen höher sein. Dann werden immer Nachkontrollen gemacht. Nur wenn die Ware einwandfrei ist, kann das Fleisch in den Verkehr gebracht werden.

Mehrere Zeugen wollen außerdem gesehen haben, dass in Brandenburg immer wieder Fleisch aus- und wieder eingepackt wurde.

Tillmann: Und ich sage Ihnen auch, warum. Es kann vorkommen, dass in der laufenden Produktion zum Beispiel die Schweißnähte der Verpackung mit Marinade verschmiert worden sind. Dann müssen wir das Fleisch nochmals neu verpacken. Aber das beeinträchtigt die Qualität der Ware nicht. Das Fleisch ist zu hundert Prozent in Ordnung.

Angeblich sollen Leute angewiesen worden sein, immer abwechselnd eine gute und eine verdorbene Scheibe Fleisch einzupacken.

Tillmann: Das ist doch wirklich völlig absurd. Bei uns wird kein verdorbenes Fleisch verpackt.

Trotzdem hat man das Gefühl, dass Tönnies mit seinem Brandenburger Werk nicht viel am Hut hat. Es erscheint nicht auf der Internet-Seite des Konzerns, und es gibt nichts, was darauf hinweist, dass es zu Tönnies gehört.

Tillmann: Unsere Kunden wissen, dass Disselhoff seit 2002 zu Tönnies gehört. Auf Kundenwunsch verwenden wir den bisherigen Namen aber weiter.

Jetzt hat der Name aber ziemlich gelitten.

Tillmann: Ja, aufgrund dieser absurden Anschuldigungen haben wir ernsthaft Sorge gehabt, das Werk schließen zu müssen. Immerhin geht es hier in der Hochsaison um rund 200 Arbeitsplätze in Brandenburg.

Ist das jetzt vom Tisch?

Tillmann: Wir haben vor, die Produktion in diesem Sommer im normalen Umfang aufzunehmen.

Unter welchem Namen wird das Fleisch aus Brandenburg künftig verkauft?

Tillmann: Das haben schon immer unsere Kunden entschieden. Wie bereits in der Vergangenheit wird das Fleisch wahrscheinlich auch weiterhin unter diversen Handelsmarken verkauft werden.

Welche Konsequenzen haben die Ereignisse in Brandenburg gehabt?

Tillmann: Wir schauen dort jetzt sicher noch genauer hin. Ich denke, das ist eine natürliche Reaktion. Aber noch einmal: Wir haben keine Veranlassung, grundsätzlich etwas an den Abläufen oder der Organisation zu ändern. Wir haben und hatten schon immer einen hohen Qualitätsstandard und ein engmaschiges, funktionierendes Kontrollsystem. Die Geschäftsführung vor Ort ist für das operative Geschäft voll verantwortlich und setzt unsere Qualitätsstandards auch absolut korrekt um. An diesem Prinzip wollen und müssen wir auch in Zukunft nichts ändern.