Die vielen Berichte der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) 2005 bis 2007, 29.11.2005

von Ulrich Wangemann

Lieber gut durchgebraten

Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) , 29.11.2005

Recht appetitlich duftet es aus den Buden auf dem Weihnachtsmarkt – Kesselfleisch, Riesenrostbratwurst, Nackensteak. Doch die Verunsicherung durch den jüngsten Fleischskandal, in den nach MAZ-Informationen auch die Fabrik in Schmerzke verwickelt ist, sitzt tief. „Die Leute fragen immer, was da drin ist“, sagt Mike Pudert, der Zwiebelfleisch aus einem großen Topf anbietet. Der Absatz der würzig duftenden Fleischspezialität läuft schleppend, gibt er unumwunden zu.

Bernd Mock, auf dessen Grill ein paar Buden weiter rote Bratwürste zischen, hat die Probleme nicht: „Ich hole alles frisch von einem Privatfleischer in Genthin“, sagt er. Ein starkes Verkaufsargument in diesen Tagen.

„Angst habe ich schon, aber irgend etwas muss ich ja essen“, sagt Faraj Saati und stochert auf seinem Pappteller mit der Zwiebelschale herum. Tischnachbar Fred Trapp kauft „kein eingelegtes Fleisch mehr“. Er hat den Test gemacht: „Wenn man die Marinade abkratzt, schmeckt es nicht mehr.“

Ihre Bratwurst hat Sylvia Fleer in eine Senfpfütze getunkt, doch die Geschäftsfrau ist skeptisch. „Ich schaue mir jedes Stück Fleisch von allen Seiten an, mache viel Eintöpfe, koche alles ab – man wird vorsichtig.“ Vor zwei Wochen lag sie mit Darmkrämpfen im Bett, weil sie etwas Falsches gegessen hatte. Was die Fleischliebhaberin nicht verstehen kann: „Die Stadt tut nichts.“ Die Verwaltung habe die Aufgabe „Aufklärung zu betreiben und ihre Mitarbeiter zur Verantwortung zu ziehen.“

„Verunsicherung und Resignation“ hat Heidrun Franke, Leiterin der Lebensmittelberatung bei der Verbraucherzentrale Potsdam bei den Konsumenten festgestellt. „Sie wissen gar nicht mehr, was sie nach den vielen Skandalen noch essen sollen.“ Ohne einen Kurswechsel in der Lebensmittelüberwachung sei das Verbrauchervertrauen nicht wiederherzustellen.

„Wir müssen uns fragen, ob betriebliche Eigenkontrollen nicht ein Auslaufmodell sind“, sagt Franke. Es zeige sich immer wieder, dass Kontrolleure, die zum Unternehmen gehörten, nicht unabhängig genug seien. Die Veterinärämter verließen sich zu sehr darauf, dass die Betriebe sich selbst auf die Finger schauten. Oft prüften sie nur noch Papiere nach, ohne jedoch selbst Proben zu nehmen. „Ich habe den Eindruck, dass unsere Lebensmittelüberwachung nicht hinterher kommt“, so Franke. Der Brandenburger Amtstierarzt, Knut Große, hatte die Eigenkontrolle in dem Schmerzker Betrieb gelobt. Auf den kritisierten Chefveterinär lässt Große aber nichts kommen. Er sei einer der aktivsten Veterinäre in Brandenburg.