Gammelfleisch + Politik: Was dabei herauskommt

Über die Arbeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Nachdem sich im Herbst 2005 die Gammelfleischskandale in Bayern häuften, nicht zuletzt durch das Ekelfleisch der Deggendorfer Frost GmbH, brachte der Skandal um Wildprodukte der Firma Berger-Wild aus Passau das Fass zum Überlaufen.

Der bayerische Landtag kam 2006 nicht mehr umhin, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) einzusetzen. Die hohe Politik, konkret die bayerische Staatsführung und insbesondere der bayerische Umweltminister, der auch für Vebraucherfragen zuständig war, Werner SCHNAPPAUF (CSU), waren offenbar nicht imstande und/oder willens, dem kriminellen Treiben wirklich Einhalt zu gebieten. Als „Minister für Skandale und Krisen“ hatte z.B. das Nachrichtenmagazin Focus (6.9.2006) den offenbar total überforderten SCHNAPPAUF bezeichnet.

In dem PUA, der sich aus 9 Mitgliedern zusammensetzte und in dem die damals (noch) staatstragende CSU die Majorität hatte, sollten folgende Fragen geklärt werden: Gab es Versäumnisse bei den staatlichen Kontrollen der Firmen

  • Deggendorfer Frost GmbH
  • der Unternehmensgruppe Berger
  • den Firmen Bruner
  • Fleischzentrale Reiß GmbH
  • Kollmer Fleisch und Kühlhaus GmbH
  • Rothtalfrost GmbH
  • und anderen Fleisch verarbeitenden Betrieben in Bayern?

Konkret sollte geklärt werden,

  • ob Behörden wie z.B. das Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und
    Verbraucherschutz (Minister SCHNAPPAUF) ihren Aufsichts- und Kontrollpflichten korrekt nachgegangen waren,
  • ob und wann sogenanntes Gammelfleisch auf den Markt gekommen war
  • ob die Gesundheit der Bürger durch das Fleisch gefährdet wurde
  • und weshalb die Öffentlichkeit vom Staatsministerium trotz Kenntnisse der Vorkommnisse nicht unverzüglich aufgeklärt wurde.

Außerdem sollten mögliche Lücken im Kontrollsystem dargestellt werden, um eine zukünftige Vernetzung zwischen den Kontrollbehörden im Bereich der Lebensmittelsicherheit zu verbessern.
Im Zuge der Untersuchung wurden 116 Zeugen in insgesamt 35 Sitzungen (auf zwei Jahre verteilt) zu den Ekelfleisch-Fällen vernommen.

Nach Ende der Untersuchungen wurde deutlich, dass die Einsetzung des Untersuchungsausschusses mehr als notwendig war. Es wurden starke Kontrolldefizite festgestellt, vor allem eine „Kultur des Wegschauens“. Die Untersuchungen bestätigten die Vorwürfe, dass die Kontrollen in der Regel bei den Unternehmen angekündigt wurden (auch wenn dies durch das StMUGV erlaubt ist), was eine wirkliche Kontrolle unmöglich machte - Kontrollen müssen für betroffene Unternehmen unvorhersehbar sein.
Empfehlungen des PUA: Als Konsequenz müsse das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eine Rotation der Kontrolleure durchführen und die Personalsituation stark verbessern. Außerdem müssen die Handelswege von K3-Material, sowie die Verarbeitungsschritte transparenter werden.

Als eine der wichtigsten Forderungen wurde die Gründung einer Anlaufstelle für Lebensmittelsicherheit geäußert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen die Möglichkeit haben, Missstände in ihren Unternehmen zu benennen ohne befürchten zu müssen, gekündigt zu werden. Es ist dies das typische Problem von Whistleblowern: wer Hinweise gibt, verstößt gegen seinen

  • Arbeitsvertrag und seine „Treuepflichten“ dem Arbeitgeber gegenüber
  • verletzt möglicherweise Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (jedenfalls wird das dann immer so behauptet)
  • macht sich unbeliebt, wird erst gemobbt und dann in der Regel auch gekündigt.

Solange dieses grundsätzliche Problem nicht angegangen wird, dass Informanten und Whistleblower, die Alarm schlagen (wollen), nicht geschützt sind, wird es noch lange Gammelfleisch und anderen Skandale geben. Da helfen auch keine parlaemntarischen Untersuchungsausschüsse weiter: denn da berichten immer nur Zeugen, die Aussagen machen, wenn es (bereits) zu spät ist.

Was die neun Mitglieder des bayerischen Landtags in ihrem Untersuchungsbericht zusammengetragen haben, können Sie nachlesen: im offiziellen Abschlussbericht des PUA (188 Seiten).

Zusätzlich zu diesem offiziellen Abschlussbericht haben die Oppositionsparteien im Bayerischen Landtag, SPD und Grüne, ebenfalls einen eigenen ergänzenden Bericht der Opposition vorgelegt (15 Seiten). Er stellt eine Art Minderheitenvotum dar, das als "offizielle" Stellungsnahme in den "offiziellen" Abschlussbericht eingegangen ist.

Sehr viel aufschlussreicher, weil umfangreicher und detaillierter, ist ein 126seitiges Dokument, das die "Abweichende Meinung der Abgeordneten" Herbert MÜLLER und Ludwig WÖRNER von der SPD sowie von Adi SPRINKART von den GRÜNEN widergibt.

Dort wird im Detail vieles aufgeführt, was im offiziellen Bericht nicht steht und vieles wird auch völlig anders bewertet. Z.B. was die Zuordnung der politischen Verantwortung betriift, aber auch die Frage, was eigentlich geschehen müsste, um solche Dinge künftig zu verhindern.

Die Oppositionsparteien haben hier sehr viel weitergehende Vorstellungen als die (seinerzeit) alleinregierende staatstragende Partei namens CSU. Hier geht es zum 126seitigen Dokument.

(SM)