Wie schnell und einfach aus Fleisch Gammelfleisch werden kann

Was ist Gammelfleisch?

Der Begriff Gammelfleisch oder auch Ekelfleisch ist Ende 2005 während einer Welle von Fleischskandalen in Bayern und Nordrhein-Westfalen (Raum Oldenburg) entstanden. Als Gammelfleisch bezeichnet man folgendes Fleisch oder Wurstware:

  • die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat

  • bereits wirklich ‚vergammelt’ ist

  • oder überhaupt nicht für Menschen, sondern allenfalls als Tierfutter vorgesehen ist


Dazwischen gibt es mehrere Varianten, was die Verpackung anbelangt:

  • alt, aber neu eingetütet

  • umetikettiert (Mindesthalbarkeitsdatum)

  • von vorneherein falsch ausgewiesen (z.B. Rattenfleisch)

Für den menschlichen Verzehr ist so etwas nicht wirklich geeignet und kann im Einzelfall zu einer Lebensmittelvergiftung führen. Für Kinder, ältere oder kranke Menschen kann das sogar lebensbedrohlich werden. Deswegen kann man jene, die das aus Profitgier machen, als Kriminelle bezeichnen.

Warum und wie wird mit Gammelfleisch gehandelt?

Primär geht es den Firmen um den wirtschaftlichen Gewinn. Das macht man eben mit Einnahmen, sprich Umsätzen, z.B. mit Fleischware, die man trotz Ablaufs des Mindeshaltbarkeitsdatum doch noch verkauft und die man zu diesem Zweck einfach umetikettiert, manchmal sogar auch noch neu verpackt: Ekelfleisch als Frischware! Oder: vergammelte Stellen werden einfach abgeschnitten und das Fleisch weiter zum Verkauf angeboten. Oder man wiedersetzt sich den strengen Hygienevorschriften. Man kann auch Kosten sparen. Eine ungeeignete Lagerhalle ohne Hygienestandards kostet weniger als eine top-eingerichtete Schlachterei. Und illegale Arbeitnehmer, die unter Druck stehen und die man deswegen auch nochmals unter Druck setzen kann, sind billiger als Fachkräfte mit einer Ausbildung, die Tariflohn sehen wollen. Manchmal ist es aber auch grobe Fahrlässigkeit. Es ist bequemer, sich die Hände nach dem Toilettengang nicht zu waschen. Oder die Kühlkette zwischen Händler und Verbraucher für mehrere Stunden zu unterbrechen. Auch von Verpackungen halten einige Händler nichts, so wird das Fleisch unverpackt in dreckigen Transportern durch die Gegend gefahren.

Wer ist Schuld am Gammelfleischskandal?

Während der Skandalwelle sind neben den Betrieben auch die Lebensmittelkontrolleure in die Kritik der Bürger und Politiker geraten. So wurde ihnen unter anderem vorgeworfen, sie wären nicht fähig, ihrer Arbeit richtig nachzugehen. Fest steht, dass die Lebensmittelkontrolleure oft überfordert sind. Z.B. in der Hauptstadt Berlin, wo sich unzählige Imbissbuden an Dönerbuden reihen, gibt es eine Menge zu tun. So müssen dort gerade einmal vier Mitarbeiter etwa 6.000 Betriebe überwachen. Verständlich. dass diese vor Ort keine Tiefenkontrollen durchführen können. Im Vordergrund steht die Anzahl der Kontrollen, die der Mitarbeiter durchgeführt hat - erst dann folgt die Qualität der Kontrolle. Ist die Zahl der Kontrollen pro Lebensmittelkontrolleur nicht hoch genug, läuft ein Amt Gefahr, Stellen zu verlieren. Daher sollte in Zukunft mehr Wert auf eine bessere Ausbildung der Kontrolleure, etwa durch einheitliche Vorgaben, gelegt werden. Sie sollten außerdem während der Ausbildung anhand eines Qualitätshandbuch lernen. Vor allem brauchen die zuständigen Ämter mehr Kontrolleure, damit diese häufiger unangemeldet kontrollieren können.

Günstiges Fleisch = Gammelfleisch ?

Mehr als der Hälfte aller Deutschen ist der Preis des Fleisches wichtiger als die Qualität. Dies haben Umfragen ergeben. Deswegen wird das meiste Fleisch auch beim Discounter gekauft, obwohl diese in der Vergangenheit am häufigsten in Skandale verwickelt waren. Der Grund für die Skandale ist wieder ‚das liebe Geld’. Die Schlachthöfe stehen vor der Entscheidung, vergammeltes oder abgelaufenes Fleisch zu vernichten oder weiter zu verkaufen. Da die Vernichtung von Fleisch, dass ja zuvor auch schon mal Geld gekostet hatte, zusätzliche Kosten verursachen würde, entscheidet man sich gerne dafür, das Fleisch doch noch irgendwie zu verkaufen, sogar noch daran verdienen zu können. Gerade im Sommer wird Gammelfleisch gerne einfach mariniert und als Grillfleisch wieder in den Handel gebracht.
Abgesehen von den Gesundheitlichen Risiken, die Gammelfleisch mit sich bringen kann, gibt es noch anderes Unangenehmes. So läuft günstiges Fleisch beim braten teilweise bis zu 50% ein: Grund. es wurde zuvor mit Wasser aufgespritzt. In einigen Produkten lassen sich sogar Blutergüsse feststellen. Das wiederum deutet daraufhin, dass die Tiere nicht artgerecht gehalten oder sogar auch gequält worden sind. Wer auf Nummer sicher gehen will, kauft am besten beim Metzger seines Vertrauens ein oder steigt auf Bio-Fleisch um, das man mittlerweile in vielen Supermärkten erhält. Aber auch dieses ist mal wieder eine Frage des ‚lieben Geldes’.

MHD und Verfallsdatum

Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) gibt den Zeitpunkt an, bis zu dem die ungeöffneten Lebensmittel bei richtiger Lagerung ohne gesundheitliche Bedenken verzehrt werden können. Ein so genanntes Verbrauchsdatum „Verbrauchen bis" tragen leicht verderbliche, abgepackte Lebensmittel wie Hackfleisch oder Räucherlachs. Das Lebensmittel sollte spätestens an diesem Tag verbraucht werden.

Das Problem der Kühlkette

Das Fleisch wird mittlerweile aus aller Welt an die Firmen geliefert, an anderen Orten zerlegt, dann wieder woanders gelagert, danach verarbeitet und schließlich zum Verkauf an ein Supermarkt geliefert. Auf diesem meist mehrere Tage langem Weg kommt es durchaus vor, dass das eine oder andere Mal die Kühlkette für längere Zeit unterbrochen wird. Die Transporter müssen deswegen eine Kühlung besitzen. Sie ist allerdings teuer. Wer denkt, dass das Fleisch spätestens im Supermarkt sicher ist, der täuscht sich, denn auch dort kann die Kühlkette unterbrochen werden. Manchmal sind die Kühlschränke nicht kalt genug, oder fallen sogar aus. Auch werden oft die Produkte zu hoch oder zu weit nach vorne gestapelt, so das die oberen oder vorderen Produkte nicht mehr richtig gekühlt werden. können. Es kommt aber auch vor, dass Mitarbeiter die Produkte nach der Anlieferung nicht sofort in die Kühlregale einsortieren, sei es aus grober Fahrlässigkeit oder Zeitmangel. Deswegen sei empfohlen, die gekühlten Einkäufe in einer Kühltüte auf dem schnellsten Weg nach Hause, sprich zum heimischen Kühl- bzw. Gefrierschrank zu transportieren.

Subunternehmer

Das Kernproblem der Branche ist die Subunternehmerstruktur. Es fängt bei der Ausbeutung von illegalen Arbeitern an, die auch nicht geschult werden und mit der Hygiene nicht umgehen können, und endet bei Um-Etikettierungen sowie dem Aufhübschen der Ware. Arbeiter (meist Osteuropäer) werden illegal nach Deutschland gebracht und von der Außenwelt abgeschottet. Zum Teil werden ihnen die Pässe abgenommen. Wenn die Arbeitnehmer Kritik äußern oder sich an Dritte wenden, werden sie in ihre Heimat zurückgeschickt. Die Arbeiternehmer werden ausgebeutet. Sie werden nicht geschult und wissen nicht, was hierzulande Hygienestandards sind. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) spricht von „mafiösen Strukturen“ und von Menschenhandel, wie man ihn sonst nur aus dem Rotlichtmilieu kennt. Denn in dieser Branche dreht sich alles nur um das große und schnelle Geld. So arbeiten die osteuropäischen Leiharbeiter täglich zwischen 12 und 18 Stunden bei einem Stundenlohn von gerade einmal 1,50€ bis 4,00€.

Für das bisschen Geld schuften sie hart und manchmal wird es ihnen nicht einmal ausgezahlt. Die Arbeiter werden meist in Sammelunterkünften ohne beachtenswerte Sanitäranlagen untergebracht. Fleisch ist in Deutschland ein industrielles Geschäft: Nach der VR China, den USA und Brasilien führt Deutschland den 4. Platz der weltgrößten Fleischproduzenten an. Bei Schweinefleisch liegt Deutschland sogar auf Platz 3. Strukturen einer industriellen Massenproduktion zahlen sich da aus – zulasten der Verbraucher.

Was kann man gegen Gammelfleisch unternehmen?

Am wichtigsten wäre, dass der Verbraucher mehr Informationen erhält: Namen von kriminellen oder sonstigen Firmen, die negativ aufgefallen sind, und deren Produkte müssen eigentlich von den Behörden genannt werden. Es gibt inzwischen ein Verbraucherinformationsgesetz (VIG), eingetütet vom Ex-Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst SEEHOFER, CSU. Das Gesetz ist im Gegensatz zum Gesetzesentwurf der vorangegangenen Rot-Grünen Bundesregierung, allerdings ein zahnloser Tiger. Rot-Grün hatte das Gesetz damals nicht gegen die CDU/CSU und die FDP im Bundesrat durchsetzen können, es sah zuviele Rechte der Verbraucher auf Informationen vor. SEEHOFER hat das VIG weitgehenst ‚entschärft’. So müssen:

  • Behörden nur Informationen herausgeben, die sie vorliegen haben - zu eigenen Recherchen, etwa auf Grund von privaten Hinweisen - sind sie nicht verpflichtet

  • Unternehmen können die Herausgabe von bei den Behörden vorhandenen Informationen blockieren, indem sie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geltend machen. Dies muss dann die Behörde unter dem Aspekt entscheiden, ob gegebenenfalls Wettbewerbsnachteile für das Unternehmen drohen, wenn Informationen herausgegeben werden. Dazu muss eine Behörde ein Unternehmen anhören

  • Gegen eine solche Entscheidung wiederum kann man zwar klagen. Das aber kann dann dauern

Die Selbsthilfeorganisation Foodwatch hat eine glasklare Meinung zu diesem Gesetz und dazu eine Informationsbroschüre erstellt: ((LINK)): „abschrecken – abservieren – abkassieren“

Bedeutet im Ergebnis: Solange die Politik nur die Interessen der Fleischproduzenten sieht, muss man sich selber helfen:

  • auf Qualität statt Quantität und Billigpreise achten

  • Fleisch beim vertrauenswürdigen Metzgermeister kaufen

  • bei Verdacht aktiv werden und Alarm schlagen: z.B. beim Gewerbeaußendienst, den es auf jedem Rathaus gibt. Weiß man nicht, wie man den findet: dann die Polizei anrufen

Der hohe Fleischverbrauch der DeutschenDer Fleischverbrauch der Deutschen steigt von Jahr zu Jahr. Dies liegt vor allem an den günstigen Fleischpreisen. Der Fleischkonsum der Deutschen liegt im Jahr 2008 bei 61,1kg je Kopf. Am liebsten wird Schweinefleisch gegessen, gefolgt von Geflügel- und Rindfleisch. Die untere Tabelle zeigt den Fleischverzehr der letzten vier Jahre, je Kopf der Bevölkerung (in kg), nach Schätzung des Bundesmarktverbandes für Vieh und Fleisch.

(SH)