Berufskrankheit: Was kann man tun?

Um es von vorneherein klarzustellen: Wir sind natürlich keine Beratungsstelle und noch viel weniger auf das Thema Berufskrankheiten spezialisiert. Wenn wir hier trotzdem einige Hinweise und Tipps geben, dann deswegen, weil uns bei der intensiven Beschäftigung mit diesem Problem einige Dinge aufgefallen sind, von denen wir denken, dass man sie anders, sprich besser machen kann. Anders gesagt: Wir geben Empfehlungen, die wir im Zusammenhang mit diesem Themenkomplex gelernt haben. Denn wir sind – so würden wir das bescheiden sagen – einigermaßen tief in diese Materie eingestiegen. Und auch Managementfragen gehören zu unserer Kernkompetenz.

Diese Hinweise & Tipps bzw. dieses Kapitel können Sie auch direkt aufrufen und/oder verlinken unter

www.ansTageslicht.de/wkmt.

Und noch ein Hinweis:

Wir werden - wohl gegen Ende Oktober 2021 - dieses Kapitel überarbeiten und erheblich ergänzen; wir haben in der Zwischenzeit viel dazu gelernt und werden dieses Wissen teilen. Schauen Sie Ende Oktober einfach wieder hier vorbei. Jene, die unseren Newsletter abonniert haben (siehe Button ganz oben), werden es hierüber erfahren, wenn es soweit ist.


+++++Ergänzung vom 27. Juni 18:

Weil wir nach dem Onlinegehen am 25. Mai 2018 Zuschriften, u.a. mit Hinweisen bekommen und wir diese, wenn relevant, regelmäßig hier dokumentieren wollen, werden wir ab sofort neue Textpassagen mit einem Datum versehen, aus dem der Zeitpunkt der Ergänzung ersichtlich ist. So kann jeder sehen, was er schon kennt und was neu hinzugekommen ist: hier unter www.ansTageslicht.de/krankdurcharbeit und www.ansTageslicht.de/Kabinenluft.

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Unsere Hinweise darauf, was man tun kann, teilen wir in zwei Gruppen ein:

1) Fume Event / Aerotoxisches Syndrom:

Soweit es sich darum handelt, was man bei einem Fume Event machen kann, als Mitglied des Flugpersonals oder Fluggast,

  • wenn man in ein solches geraten ist,
  • was man alles danach unternehmen sollte und
  • wie man sich vorbeugend schützen kann,

so haben wird dies in einem etwas anderem Schwerpunkt zusammengestellt; nämlich im Zusammenhang mit dem Thema kontamierte Kabinenluft, deren gesundheitliche Auswirkungen oft auch unter dem Label „Aerotoxisches Syndrom“ zusammengefasst werden - obwohl dieser Begriff (noch) nicht flächendeckend in der Medizin anerkannt ist. Aber das war bei vielen anderen (t.w. auch unspezifischen) Auswirkungen nicht anders, etwa beim sog. Lösemittelsyndrom, das inzwischen eine anerkannte Berufskrankheit ist (vgl. das Kapitel „Organisierte Falschdarstellung“. Organisierte Wissenschaftskriminalität?).

Mit diesem (internen) Link zur Frage „Was kann man tun?“ (WKMT) finden Sie Antworten in diesen Fällen. Den gesamten Zusammenhang können Sie aufrufen unter www.ansTageslicht.de/Kabinenluft


2) Berufskrankheiten, Gutachter, Arbeitsmedizin, Gesetzliche Unfallversicherung

Hier in diesem etwas anders fokussierten Zusammenhang (aufrufbar unter www.ansTageslicht.de/Arbeitsmedizin) tragen wir Hinweise zu den hier genannten Stichworten zusammen, die uns sinnvoll erscheinen und die wir teilweise von jenen bekommen haben, die unsere Recherchen unterstützen. Konkret geben wir Hinweise, was man tatsächlich tun kann, wenn man es beispielsweise mit Fragen der Arbeitsmedizin zu tun hat, aber insbesondere wenn es um das Thema Gutachter generell und Gutachter vor Gericht geht.

Woran es liegt, dass in diesem Bereich der Gesetzlichen Unfallversicherung vieles im Argen liegt, haben wir in diversen Texten beschrieben, die bei uns „Kapitel“ heißen: Humanmedizin versus ArbeitsmedizinDas SchattenreichDie Erlanger VALENTIN-Schule: Wie man die herrschende Meinung organisiertTricks, Methoden und Strategien in der Arbeitsmedizin. Und wir haben dies an mehreren konkreten Beispielen dokumentiert – unter Nennung von Roß & Reiter. Dies alles ist nicht Ergebnis einer repräsentativen oder flächendeckenden Erhebung, sondern es handelt sich um Fallbeispiele, die aber sehr detailliert aufgearbeitet und analysiert. So dass man letztlich doch den Schluss daraus ziehen kann, dass dies alles so nicht sein sollte. Bzw. dürfte. Und dass es sich um mehr als das handelt, was man - üblicherweise - mit einem beschwichtigenden Hinweis auf die nicht vermeidbare Existenz „schwarzer Schafe“ abtut.

Der Ablauf eines (Nicht)Anerkennungsverfahrens

Ein Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit, egal wer ihn stellt (Betroffener, Hausarzt, Unternehmen), landet mit seinem Begehren auf dem Schreibtisch eines Sachbearbeiters. Über 70.000 Fälle sind es nach offiziellen Angaben im Jahr. Aus Gesprächen mit Insidern, die wir nicht nennen können und wollen, wissen wir, dass es sehr viel mehr sind. Und dass die allermeisten Anträge erst einmal abgelehnt werden - durch den Sachbearbeiter. 

Wir haben erfahren, dass die meisten Antragsteller bereits dann aufgeben. Das halten wir für falsch. Denn die Idee bzw. die Begründung für das System der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) besteht - eigentlich - im Verursacherprinzip. Berufskrank wird man in den allerseltensten Fällen von alleine. In der Regel ist dies auf mangelnde Prävention, also Vorsorgemaßnahmen seitens des Arbeitgebers zurückzuführen.

Wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung stellt und dann einen Unfall erleidet oder berufskrank wird, dann ist dies dem Arbeitgeber / Unternehmer anzulasten. Und genau  deswegen ist er dafür haftbar. Wird aber durch seine - in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene - finanzielle Beteiligung an der GUV von eben dieser Haftung erlöst- Die übernimmt dafür im Gegenzug die GUV, also die Berufsgenossenschaften bzw. deren Dachorganisation, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, in der auch die öffentlichen Unfallkassen der Bundesländer vereinigt sind. 

Wird also der erste Antrag abschlägig beschieden, so sollte man Widerspruch einlegen. (Aller)Spätestens hier sollte man sich fachlichen Rates bedienen: Experten, die sich auskennen, oder Anwälte, die sich im Sozialrecht, sprich Berufskrankheitsrecht und dem GUV-System auskennen. Darauf kommen wir später nochmals zurück.

Der Widerspruch landet jetzt im sog. Widerspruchsausschuss. Der ist paritätisch besetzt, zeichnet sich aber im Normalfall durch "wenig Kompetenz" aus und ist meistens auch "überfordert", wie uns Insider berichten. Wenn der ebenfalls negativ entscheidet, dann steht der Rechtsweg offen. Konkret muss man vor dem jeweils zuständigen (regionalen) Sozialgericht klagen.

Die erste Instanz ist kostenfrei (Gerichtskosten). Trotzdem empfiehlt sich die Einschaltung aller-allerspätestens hier eines ausgefuchsten Rechtsanwalts. Erst wenn dieses Verfahren negativ ausgeht, dann kann man Berufung vor dem Landessozialgericht einlegen. Nach § 183 SGG (Sozialgerichtsgesetz) fallen in allen Instanzen keine Gerichtskosten an.

Beruft sich die Ablehnung einer BK durch den Sachbearbeiter einer Berufsgenossenschaft auf eine Stellungnahme eines von ihr selbst abhängigen beratenden Arztes, so kann man dies spätestens vor dem Sozialgericht erfolgreich anfechten. Und wenn z.B. eine Gewebe-Untersuchung mit Stellungnahme eines Pathologen notwendig werden sollte, dann sollte man auf einem unabhängigen Pathologen bestehen. Und in keinem Fall die Ergebnisse des Deutschen Mesotheliom-Registers in Bochum akzeptieren. Auch darauf werden wir - zu einem späteren Zeitpunkt - gesondert zurückkommen. Beauftragen Sie z.B. Prof. Dr. Jerrold L. ABRAHAM, MD, in Syracuse/NY 13210 (USA). Uns sind Fälle bekannt, bei denen er a) zu einem diametral anderen Ergebnis als das Deutsche Mesotheliomregister gekommen ist und in denen dann b) die Berufsgenossenschaft wegen der substantiierten Stellungnahme dies dann auch widerspruchslos anerkannt hat. 

Gutachter – Schlechtachter

Das größte Problem beim Versuch, rechtliche bzw. sachlich begründete Ansprüche - z.B. auf Anerkennung einer Berufskrankheit - durchzusetzen, scheinen uns die „Richter ohne Robe“ zu sein. Dies ist für uns nicht neu. Wir haben uns schon mehrfach mit der verhängnisvollen Rolle solcher Gutachter – man müsste eigentlich Schlechtachter sagen – auseinandergesetzt – in vielen Geschichten, die wir lückenlos rekonstruiert und dokumentiert haben:

  • Etwa bei der Hessischen Steuerfahnder-Affäre. Da hatten mehrere Beamte, die laut Dienstanweisung ‚von oben‘ nicht weiter einzelne Fälle aufdecken sollten, dagegen protestiert und wurden danach zwangsweise psychiatrisiert. Konkret mussten sie zum Amtsarzt, der sich als freischaffender Psychiater entpuppte, und der die letzten Aufmüpfigen mit der Diagnose „paranoid querulatorische Entwicklung“ für „dienstunfähig“ erklärte, woraufhin die Beamten aus dem Dienst entfernt wurden. Dagegen gingen diese gerichtlich vor, der Gutachter stellte sich als ‚gekauft‘ von der Hessischen Landesregierung heraus, musste sogar ein Bußgeld zahlen und die Steuerfahnder klagen nun erfolgreich auf Schadensersatz. Man mag es nicht glauben: Der Staat beauftragt einen Mediziner, der Gutachten quasi im Akkord produziert, aber vor allem Weisungen ‚von oben‘ folgt – entgegen aller medizinischer Ethik. 
  • Oder der Fall des Gustl MOLLATH, der knapp 7 Jahre in der Psychiatrie eingesperrt war, bis ihn ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sozusagen herausholte. Hier hatten mehrere Gutachter – willfährig muss man konstatieren – dem Wunsch eines einzelnen Richters entsprochen, der zu bequem war (man könnte auch sagen: zu faul), eine Stellungnahme des Betroffenen auf 110 Seiten zu lesen.
  • Oder Beispiel Landgericht Göttingen. Dort prozessiert eine Zahnarztpatientin seit über 10 Jahren gegen mehrfache Falschbehandlung, hat ständig Schmerzen, ist aber das, was man ‚ausgeschlafen‘ nennt,  und lässt sich von der 9. Zivilkammer nicht so ohne weiteres unterkriegen. Die Richter wollten den ungeliebten Fall mit einem Trick loswerden, nämlich durch Überprüfung ihrer „Prozessfähigkeit“ durch einen geeigneten Gutachter, dessen Methoden einschlägig bekannt waren. Konkret: Sie wollten sie für „unzurechnungsfähig“ erklären lassen. Dazu kam es nicht, die Dame war clever(er).

Wir könnten die Liste verlängern, machen wir hier aber nicht. Wir wollen damit nur signalisieren: Auch Gutachter sind (nur) Menschen wie andere, die man eben auch ‚kaufen‘ kann – entweder mit Geld und/oder Renommee. Und dies wird ganz offenbar – teils mit gerichtlicher Hilfe – auch so praktiziert. Und deswegen geben wir hier weitere Hinweise.

Das Allerwichtigste, was Sie machen müssen: Sie müssen einen Gutachter selbst checken, ggfs. enttarnen. Und das ist nicht so schwierig.

Hier eine kleine Anleitung: Immer zuerst, worum es geht. Danach, wo und wie Sie die Informationen bekommen können.

1) Fachliche Qualifikation

Sie müssen schauen, für welche Sach- bzw. Fachfragen der Gutachter überhaupt ‚ausgewiesen‘ ist. Also mit welchen Fragestellungen er sich bisher überhaupt befasst hat und wo er sich überhaupt auskennt. Hat er dazu schon öfters Gutachten erstellt? Wurden die akzeptiert von jenen, die sie in Auftrag gegeben haben? Und wer waren die Auftraggeber? Und zu welchem Zweck wurden die Gutachten mit welchem Ergebnis erstellt?

Haben diese Gutachter wissenschaftlich publiziert? Auch über jene Fachgebiete, über die sie gutachten sollen? In welchen Fachzeitschriften wurden die Publikationen veröffentlicht? Waren das Fachzeitschriften, die eingereichte Artikel einfach akzeptieren? Oder die ein Peer-Review-Verfahren vorgeschaltet haben? "Peer-Review" meint: Bevor ein eingereichter Artikel veröffentlicht wird, wird er von mehreren anderen Experten auf Herz und Nieren geprüft. Dabei wissen die Experten nicht, wer den eingereichten Artikel veröffentlichen möchte, und umgekehrt erfährt der Einreicher nicht, wer ihn kritisch begutachtet. Damit möchte mann wissenschaftliche Qualität nachhaltig sichern.

Recherchieren Sie im Internet. Benutzen Sie nicht nur einfach „google“, sondern nutzen Sie die wissenschaftliche Suchmaschine von google, weil die mehr findet: http://scholar.google.de

Gehen Sie in die Bibliothek einer medizinischen Fakultät in einer Hochschule. Durchforsten Sie dort die Datenbank bzw. den Literaturkatalog.

Schauen Sie sich auch die Website eines Gutachters an. Finden Sie nicht genügend Informationen, so bitten Sie um Auskunft. Antwortet er nicht, so stellen Sie diese Frage(n) spätestens in der Gerichtsverhandlung.

2) Akademische Titel

Nicht jeder, der einen Doktortitel führt ist promoviert. Und nicht unbedingt in Deutschland, wo es – gottlob – immer noch gewisse Standards gibt. Und auch nicht jeder „Prof.“ ist das, was er zu sein vorgibt. Wenn Sie jemandem wegen eines fragwürdigen Titels (einer unbekannten Hochschule in Osteuropa beispielsweise) oder eines unzulässigen Titels am Kanthaken haben, ist dieser Gutachter – in der Regel – weg vom Fenster, zumindest in Ihrem Fall.

Wenn jemand in Deutschland promoviert hat, muss er eine „Doktorarbeit“ (Promotionsarbeit) schreiben und die z.B. bei der Deutschen Nationalbibliothek hinterlegen: www.dnb.de. Finden Sie dort nichts über ihn (und eine Doktorarbeit ist dort als solche auch ausgewiesen), so ist das schon einmal merkwürdig. In diesem Fall sollten Sie weiter recherchieren, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie fündig werden. Zu Ihrem Vorteil.

Bei einem Professorentitel wird es schwieriger. Aber ein Blick in das Vorlesungsverzeichnis oder der Website jener Hochschule oder Universität, bei der der fragliche Gutachter vorgibt zu lehren, hilft schnell weiter. Im Zweifel bei der Abteilung Kommunikation bzw. Pressestelle anrufen und dort nachfragen. Hochschulen haben nämlich ein Interesse daran, über ihre Wissenschaftler nach außen hin auch ‚Marketing‘ zu machen, und wissen über ihre ‚Schäfchen‘ dann auch Bescheid: Wer für was fachlich zuständig oder besonders als Experte ausgewiesen ist.  

Professorentitel werden in unterschiedlichen Abstufungen verliehen. Ein regulärer „Prof.“ an einer Universität nennt sich meistens „ordentlicher Professor“ oder „Universitätsprofessor“. Solche an einer sog. Fachhochschulen bzw. „University of Applied Sciences“ führen einfach nur die Bezeichnung „Prof.“. Und dann gibt es die Kategorie der „Honorarprofessoren“. Das sind Menschen, die – in der Regel auf der Basis diverser Gegenleistungen mit einer Hochschule – einen solchen Titel – quasi ehrenhalber - tragen dürfen, aber dort nur stundenweise Seminare abhalten, wenn überhaupt.   

Und dann gibt es natürlich auch den Fall gekaufter Titel, irgendwoher auf der großen weiten Welt. Akademiker, die mit mehr an Titeln für sich werben als ihnen zusteht, sollte man schnell als unglaubwürdig qualifizieren können.

3) Interessen

Das ist mit der allerwichtigste Fokus: Wessen Interessen vertritt ein Gutachter? Hat er einen (Berater)Vertrag (z.B. als Beratungsarzt) mit einer Berufsgenossenschaft? Oder dem Dachverband, der DGUV? Wie oft ist er für diese Interessensgruppen tätig? Wieviele Gutachten schreibt er pro Jahr?

Wenn jemand im Gutachter-Pool der DGUV gelistet ist, wissen Sie, wessen Interessen er vertritt. Bzw. vertreten muss, um auf dieser Liste zu bleiben.

Dies können Sie herausbekommen, weil diese Liste öffentlich einsehbar ist: http://www.dguv.de/landesverbaende/de/med_reha/gutachter/index.jsp

Was aber nicht heißen muss, dass dort wirklich alle vermerkt sind, die für und/oder im Interesse der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) tätig sind.

Sie sollten in jedem Fall diese Fragen in der Gerichtsverhandlung stellen – unabhängig davon, was Sie herausgefunden haben. Gibt der Gutachter nicht alles preis, was Sie recherchiert haben, und Sie aber dies dann genüsslich präsentieren können, sollte dies einem Richter zu denken geben. Sollte. „Sollte“ bedeutet in unserem Rechtssystem unabhängiger Richter allerdings nicht „muss“. Wir haben Fälle kennen gelernt, in denen Richter trotzdem an ihren „bewährten“ Gutachtern festhalten, egal wie man den Gutachtern an den Karren fahren kann. 

 

+++++++Ergänzung vom 27. Juni 18:

4) Vorstellung bei und Untersuchung durch einen Gutachter

Falls dies notwendig wird, sollten Sie einen solchen Termin nur zusammen mit einer Vertrauensperson wahrnehmen. Und die sollte durchgehend bei allen Dingen, die seitens des Gutachters geschehen, mit dabei sein. Danach dann sollte die Vertrauensperson ein Protokoll anfertigen: für eigene Zwecke, aber diese Darstellung dann auch dem Gutachter zukommen lassen. Widerspricht er den Beschreibungen nicht, gilt im Zweifel das, was im Protokoll festgehalten ist, als zutreffend. So verfahren jedenfalls Richter in Zivilprozessen. 

Bei dieser Gelegenheit könnte man einen Gutachter auch gleich nach den Dingen fragen, die wir hier unter "3 - Interessen" ausgeführt haben. Sie hätten - für Sie im besten Fall - einen schriftlichen Zeugenbeleg, dass er Ihnen nicht die Wahrheit gesagt hat. Über derlei Dinge einfach hinwegzugehen, dürfte dann vor Gericht nicht so ganz einfach sein.

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Die "Gut"achten

Wir haben bei unseren Recherchen eine Reihe von Gutachten zu Gesicht bekommen. Und können verallgemeinernd sagen, dass jene Gutachten, die auf eine Ablehnung einer Berufskrankheit abzielen, eher schlecht als recht verfasst werden. Dies hängt offenbar mit der Motivation dieser Gutachter zusammen. 

Richtig reich wird man mit Gutachtenschreiben nicht. Trotzdem fühlen sich viele gebauchpinselt, wenn sie von einem "Hohen Gericht" in diesen Fragen um Rat gebeten werden. Und viele fühlen sich dann einfach auch ernst genommen und/oder wichtig. Und in einer Parallelwelt, die wir unter Das Schattenreich beschrieben haben, und in der man nur über und mithilfe der darin dominierenden Institutionen auch karrieremäßig weiterkommt, kommt man nicht umhin, sich solchen Anfragen zu beugen.

Weil die Gutachter, wenn sie gleichzeitig Hochschullehrer sind, also lehren und forschen müssen, wenn sie zudem Chefarzt einer Poliklinik sind und in diversen Gremien vertreten sind bzw. sein müssen, wenn sie also gut ausgelastet sind, verbleibt dann nicht mehr ganz so viel Zeit, substantiierte Gutachten anzufertigen. Davon abgesehen, dass ein Arbeitstag maximal 24 Stunden zur Verfügung stellt. 

Das bedeutet: Viele dieser Gutachten sind nicht wirklich 100%ig ausgereift. Es schleichen sich Fehler ein, Ungenauigkeiten, manchmal auch Verwechslungen. Das kann immer mal passieren, weil, wer arbeitet macht auch Fehler. Und wer viel arbeitet, macht auch eher mehr Fehler. Und so etwas bietet potenziell Ansatzpunkte, um ein Gutachten auseinanderzunehmen.

Dazu kommt jene Kategorie der regelrecht abgefälschten Gutachten. Wir haben solche Fälle kennen gelernt, wollten all dies nicht wirklich glauben, mussten aber sehen, das dem doch so ist. Anders gesagt: So selten scheint dies nicht vorzukommen, und möglicherweise gibt es mehr schwarze Schafe als weiße. Was dann der Normalfall ist, darüber entscheidet die Menge. Bzw. jene, die das einfach akzeptieren, weil sie sich nicht die Mühe machen, ein Gutachten auf dessen Substanz hin zu überprüfen.

Richter machen das in den allerseltensten Fällen. Denn sie beauftragen ein Gutachten nicht nur, weil sie sich nicht in allen Dingen auskennen (können), sondern manchmal auch, weil dies auch bequemer ist, die Klärung einzelner Sachfragen oder Einschätzungen anderen zu überlassen. Und dann darauf zu vertrauen, dass es damit wohl schon seine Richtigkeit haben wird.

Genau letzteres scheint uns der erfolgversprechendste Ansatzpunkt zu sein: Jede einzelne im Gutachten zitierte Literaturquelle gegenzuchecken:

  • Steht in der drin, was der Gutachter zusammenfassend oder im Detail zitiert?
  • Aus welchem Jahr stammt diese Erkenntnis? Bzw. aus welchem Jahr die Veröffentlichung? Entspricht dies dem neuesten und internationalen Standard der wissenschaftlichen Diskussion?
  • Wie lässt sich der Verfasser (bzw. Gutachter) der zitierten Quelle einschätzen (siehe dazu oben)? Wie ist dessen Interessenslage?
  • Was sagen einschlägige Lehrbücher der Arbeitsmedizin dazu, aber nicht jene des Mainstreams, sondern von arbeitsmedizinischen Autoren, die abseits der üblichen Gutachterpraxis arbeiten? Also nicht im Gutachterpool der DGUV vorgehalten werden?

Nutzen Sie dazu alle in Frage kommenden Informationstools, Datenbanken und Literaturquellen: hinsichtlich der Erkenntnisse toxischer Stoffe und/oder medizinischer und sonstiger wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Ziehen Sie insbesondere folgende Quellen zu Rate:

  • Die DGUV betreibt selbst ein eigenes Gefahrstoff-Informationssystem namens GESTIS. Das sollte allerdings nur eine von vielen Nachschlagemöglichkeiten sein, denn es ist das Informationssystem der DGUV. Mit der und ihren Interessen haben wir uns im Kapitel Das Schattenreich auseinander gesetzt.
  • Benutzen Sie PubMed! Über diese Plattform erhalten Sie weiteren Zugang zu anderen, insbesonders international ausgerichteten Datenbanken:
  • z.B. auf die NBCI-Datenbank (The National Center for Biotechnology Information advances science and health by providing access to biomedical and genomic information), aber auch anderen
  • Weltweit von Bedeutung ist das TOXNET - Toxicology Data Network
  • in Deutschland existiert das NIS - Noxen-Informationssystem für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, angesiedelt beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW, Fachbereich 33 Umweltmedizin, Toxikologie, Epidemiologie: www.lanuv.nrw.de . Darüber ist auch der Zugang zum IGS - Informationssystem für gefährliche Stoffe möglich.

Nutzen Sie wirklich alles, was geht - Sie stehen einem mehr oder weniger geschlossenen Kartell der herrschenden Meinung gegenüber. Das macht Arbeit, sogar viel, das ist uns klar. Aber wir haben an zwei konkreten Beispielen gezeigt, dass genau dies zum Erfolg führen kann, nicht substantiierte oder schlampige oder gar gefälschte Gutachten und ihre Gutachter zu entlarven.

  • Im ersten Beispiel zeigen wir dies an einem maßgeblichen Vertreter der Erlanger VALENTIN-Schule, die in Deutschland den arbeitsmedizinischen Mainstream vertritt: Ein Anwalt, der berufskranke Betroffene vertrat, Hans-Joachim DOHMEIER, hat mit eben diesen Methoden ein Gutachten auseinandergenommen, das hinten und vorne wissenschaftlichen Kriterien nicht standhielt. Und von keinem anderen verfasst wurde als dem, der sich einst zum Präsidenten der "Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM" krönen ließ: Von PCP zu Dioxin: der Arbeitsmediziner Prof. Dr. LEHNERT, "Experte für Unbedenklichkeit". Dem Rechtsanwalt gelang es dann sogar, das Hamburger Sozialgericht in einem anderen Fall davon zu überzeugen, dass die beiden Erlanger Gutachten (erst LEHNERT, dann VALENTIN) als "nicht tragfähig" eingestuft wurden. 
  • Anderes Beispiel: Im Zusammenhang mit einer neuen Berufskrankheit ("BK 1317") musste ein neues wissenschaftliches Merkblatt erstellt werden. Der damit beauftragte Arbeitsmediziner, Prof. Dr. med. Johannes KONIETZKO aus Mainz hatte relevante Informationen, die international bekannt waren, einfach verschwiegen, so dass der frühere Arbeitsminister Norbert BLÜM (CDU), unter dessen Ägide diese BK eingeführt worden war, dies öffentlich als "organisierte Falschdarstellung" bezeichnete. In diesem Fall ist dies aufgeflogen, weil ein Betroffener, Peter RÖDER, der die "Initiative kritischer Umweltgeschädigter" gegründet hatte, praktisch die gesamten Quellen überprüft hatte und feststellen musste, dass dort in den meisten Fällen das Gegenteil von dem drin stand, was der Gutachter und sein Kompagnon auch in anderen Publikationen (z.B. in einer der DGUV) kommunizieren wollten: "Organisierte Falschdarstellung". Organisierte Wissenschaftskriminalität?

Wir müssen darauf hinweisen, dass RA DOHMEIER leider nicht mehr aktiv, sondern im Ruhestand ist. Seine gründliche Vorgehensweise allerdings kann erfolgreiches Vorbild sein.

Gutachter der eigenen Wahl

Nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf ein Kläger beispielsweise gegen eine Berufsgenossenschaft einen eigenen Gutachter freier Wahl einschalten. In der Regel muss man dann die Kosten selbst tragen, wenn sie später nicht von der Gegenseite übernommen werden (müssen), wenn die das Verfahren verliert.

Dies bezieht sich allerdings nur auf ein (arbeits)medizinisches Gutachten. Ein technisches Gutachten nach dieser Vorschrift zu beantragen, dass beispielsweise (nachträglich) die Arbeitsumstände - und -bedingungen oder (potenzielle) Expositionen eines typischen Arbeitsplatzes klären soll, geht ersteinmal nicht. Dazu muss man einen Richter mit Nachdruck überzeugen. Mehr dazu später unter dem Abschnitt "Vor Gericht".

RA DOHMEIER empfiehlt, einen eigenen Gutachter erst in der zweiten (Tatsachen)Instanz einzuschalten, sozusagen als "letzten Schuss",  wenn absehbar ist, dass das LSG selbst keine weiteren Gutachten in Auftrag geben wird, um zu einem Urteil zu kommen. Vorteil: Der eigene Gutachter kann sich dann kritisch mit den in den beiden Tatsacheninstanzen (SG und LSG) eingeholten Vorgutachten auseinandersetzen. Je substantieller der eigene Gutachter dies dann macht und je mehr Schwächen oder einseitige Darstellungen er ausfindig machen kann, umso weniger können die Richter dies ausblenden. Sie müssen sich dann damit auseinandersetzen.

Wir empfehlen zusätzlich, Meinungen - und um nichts anderes handelt es sich juristisch bei "Gut"achten - bzw. Einschätzungen oder Empfehlungen bzw. die Argumentation von Gutachtern der anderen Seite mit dem abzugleichen, was in dem Standardwerk der Mainstream-Arbeitsmedizin geschrieben steht. Das entspricht natürlich der "herrschenden Meinung", weil es genau darauf abgerichtet ist und deswegen in (sehr) enger Kooperation mit Juristen aus der Gesetzlicher Unfallversicherung regelmäßig neu aufgelegt wird: "Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Rechtliche und medizinische Grundlagen für Gutachter, Sozialverwaltung, Berater und Gerichte". Aber: Man kann damit klarmachen, dass eben die dort vertretene Sicht aller Dinge jene ist, die der "herrschenden Meinung" entspricht, aber eben auf jene Art und Weise zustande kommt, die wir hier in den vielen anderen Kapiteln kritisieren. Und dass dieses System, das die "herrschende Meinung" monopolartig produziert, mehr als reformbedürftig ist. 

Reformbedürftigkeit ist zwar für Richter nicht unbedingt ein relevanter Aspekt, weil sich Richter lieber an den aktuell geltenden Wortlaut von Recht & Gesetz halten, aber ab und an kommt es doch vor, dass Richter das, was sie auf dem Richtertisch liegen haben, ein wenig hinterfragen. Dies könnte dann nützlich sein.

Ganz generell müssen wir aber sagen, dass wir - bisher - in das System der Arbeitsmedizin und der GUV eingestiegen sind. Aber (noch) nicht in die Sozialgerichtsbarkeit, auf deren Ebene ja letztlich alle Fragen bzw. Klagen entschieden werden. 

Vergleichen Sie das, was in dem die "herrschende Meinung"-produzierenden Buch "für Gutachter, Sozialverwaltung, Berater und Gerichte" steht, mit dem, was in einem unabhängigen Fachbuch steht. Beispielsweise jenes von Prof. Dr. med. Xaver BAUR: Arbeitsmedizin. Xaver BAUR in Berlin ist Präsident der European Society for Environmental and Occupational Medicine (EOM), die die unabhängige Forschung und Arbeitsmedizin repräsentiert.

In diesem Zusammenhang befassen wir uns auch mit der Überlegung, eine zentrale Datenbank aufzubauen. In der könnte man viele Informationen aus vielen Quellen bzw. Fällen beispielsweise zu und über Gutachter zusammentragen - um vergleichsweise a) schnell und b) umfassend ein Bild bekommen zu können, mit wem man es zu tun hat. Bzw. wo die angreifbaren Schwächen von einzelnen Gutachtern liegen.

 

+++++++++Ergänzung vom 15. Oktober 2018

Vor Gericht

"Seit Jahrzehnten: In ca. 90% der Sozialgerichtsverfahren" werden "die Entscheidungen der Unfallversicherungsträger bestätigt."

Dies hat die Bundesregierung, vertreten durch die parlamentarische Staatssekretärin beim BMAS, Kerstin GRIESE (SPD), auf eine Kleine Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag geantwortet. Und eine Begründung für diese hohe Erfolgsquote für die Berufsgenossenschaften gleich dazu mitgeliefert:

Diese Statistik "untermauert die Qualität der eingesetzten Gutachterinnen und Gutachter sowie die der Verwaltungsverfahren der Unfallversicherung."

Das kann man so sehen. Wenn man die Augen vor der Realität verschließt. Wir sehen das anders. Und machen uns hier weitere Gedanken zur Sozialgerichtsbarkeit in Deutschland.

Eigentlich: Amtliche Ermittlungspflicht des Sozialrichters

Ähnlich wie im Strafprozess, aber anders als im Zivilverfahren, sind Sozialrichter verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln. Dies ist zwingend vorgeschrieben. Funktioniert in der Realität allerdings nur in den allerseltensten Fällen. Dies haben wir selbst so feststellen können, dies dokumentieren uns aber auch Rechtsanwälte. 

Richter befinden sich in einer gewissen Machtposition. Der "gesetzliche Richter", egal nach welchem Geschäftsverteilungsplan die Auswahl zustande gekommen ist, handelt quasi als juristischer Monopolist. Die wichtigste Eigenschaft eines Monopolisten ist bekanntlich die Bequemlichkeit, wie wir dies aus der Institutionenlehre der Ökonomie oder der Organisationssoziologie wissen. 

In der Regel lässt ein Sozialrichter die Dinge ersteinmal laufen: Klageschrift und Schriftsätze der Gegenseite, sprich der Berufsgenossenschaft sowie deren Stellungnahmen, Gutachten und Gegengutachten, wieder Schriftsätze undsoweiter. 

Wird ein Richter dann aktiv, weil er einen eigenen Gutachter beauftragen will, spätestens dann gilt es zu handeln. 

Richter greifen gerne auf "bewährte Gutachter" zurück, denn die machen nicht so viel Arbeit. Und schreiben oft das, was der Richter gerne hören bzw. lesen möchte.

An der med. Fakultät der Uni München hatte im Jahr 2016 Benedikt JORDAN seinen Doktorgrad erworben: mit der Auswertung einer Umfrage unter über 500 medizinischen und psychologischen Gutachtern: "Begutachtungsmedizin in Deutschland am Beispiel Bayern". Und dies steht im Kapitel "Zusammenfassung" auf S. 60:

"Bei der Befragung gab nahezu jeder vierte gutachterlich tätige Sachverständige im medizinisch/psychologischen Bereich an, bei einem von einem Gericht in Auftrag gegebenen Gutachten schon einmal „in Einzelfällen“ oder „häufig“(wenige Nennungen) bei einem Gutachtensauftrag eine Tendenz signalisiert bekommen zu haben. Unter humanmedizinischen Gutachtern gab dies knapp jeder Fünfte, unter psychologischen Gutachtern fast jeder Zweite an.

Darüberhinaus teilten 33,6 Prozent mit, aus dem Kollegenkreis schon einmal davongehört zu haben, dass „in Einzelfällen“ oder „häufig“ bei einem gerichtlichen Gutachtensauftrag eine Tendenz genannt wurde. Zudem zeigte sich, dass unter den Gutachtern, die bei gerichtlich in Auftrag gegebenen Gutachten „in Einzelfällen“ oder „häufig“ eine Tendenz signalisiert bekommen haben, durchschnittlich 40,7 Prozent angaben, mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen aus gutachterlichen Tätigkeiten zu beziehen."

Deswegen sollte man vorher erfahren (können), auf welchen Gutachter ein Sozialrichter zurückzugreifen gedenkt. Und man sollte darauf dringen, bestimmte Informationen über einen solchen "Sachverständigen" zu erhalten. Dazu hatten wir im vorigen Abschnitt Hinweise gegeben. Vor allem sollte ein auserwählter Gutachter darüber Auskunft geben, für welche Institutionen bzw. Auftraggeber er in den letzten - sagen wir fünf - Jahren gutachterlich tätig war. Tut er das nicht oder hat der Richter an einer solchen Information kein Interesse, so muss man das selber in Erfahrung bringen - vorbehaltlich der Maßnahmen, auf die wir etwas weiter unten zu sprechen kommen.

Wichtig ist ebenfalls, darauf zu achten, dass der Richter in seinem Gutachtenauftrag keine Rechtsfragen abklären lassen will - ein Sachverständiger darf sich nur zu Tatsachen äußern. Und er darf sich auch nur dazu äußern, wozu er gefragt wurde. Geht ein Gutachter darüber hinaus, kann dies ein juristischer Ansatzpunkt sein, einen Gutachter 'abzuschießen'. 

Mit anderen Worte: Der Richter muss klar unterscheiden zwischen Tatsachenfragen und Rechtsfragen.

Werden (Fach)Ärzte mit derlei Aufträgen betraut, so sollte man wissen, dass sich ein (Fach)Arzt nur zu jenen Thematiken gutachterlich äußern darf, für die er ausgewiesen, sprich zertifiziert ist. Dies geben die Weiterbildungsordnungen (WBO) der jeweiligen Landesärztekammern vor. 

(Arbeits)Technische Gutachten

Auf die Möglichkeit, selbst einen eigenen Gutachter ins Spiel zu bringen, hatten wir im vorigen Abschnitt erwähnt. Dies bezieht sich aber nur auf ein arbeitsmedizinisches Gutachten. Für ein arbeitstechnisches Gutachten geht das nicht, also wenn etwa die Angaben eines Technischen Außendienstes (TAD) einer BG überprüft und/oder bewertet, vergleichbare Erfahrungswerte ermittelt, typische Arbeitsabläufe u.ä. beschrieben werden sollen. Einen Sozialrichter von der Sinnhaftigkeit und/oder Notwendigkeit zu überzeugen, funktioniert in der Regel nur mit viel Überzeugungsarbeit.

Für technische Gutachten kann man Arbeitswissenschaftler an Universitäten, Gewerbeämter, die Dekra oder ähnliche Institutionen beauftragen. Keinesfalls sollte man ein Institut aus dem Schattenreich der DGUV akzeptieren (z.B. IFA, IAG).

Andererseits kann die Verweigerung eines solchen Sachverständigen bwz. dessen Ergebnisse einen Revisionsgrund darstellen, wenn man überzeugend argumentieren kann, dass hier "rechtliches Gehör" verwehrt wurde und dies potenziell entscheidungsrelevant sein kann. Wir haben einen solchen Fall ausführlich dargestellt unter 1 Gutachter - 2 Meinungen: Prof. Dr. med. Stephan LETZEL. Da geht es auch um dieses Problem.

Landet ein vor einem LSG verlorenes Verfahren beim Bundessozialgericht, so steigen die Chancen ganz erheblich, doch noch zu gewinnen. Auf dieser Ebene herrscht offensichtlich erheblich mehr Einsicht und juristisches Know-how als in den Instanzen darunter. Dies zeigt die Erfahrung. Allerdings ist es nicht so einfach, bis zur dritten Instanz zu gelangen. Dazu gleich etwas mehr.

Zeugen

Sozialrichter dazu zu bringen, einen Zeugen einzuvernehmen bzw. zu akzeptieren, ist ebenfalls nicht ganz einfach. Häufigstes Argument: Das wären 'Ermittlungen ins Blaue hinein'.

Hier hilft dies:

Der Zeuge, dessen Aussagen benötigt werden, muss vorher schriftlich niederlegen, was er auszusagen hat. Und dies so präzise wie möglich. Und dann mit Unterschrift, Datum und ladungsfähiger Adresse versehen. Über eine vorhandene schriftliche "Urkunde" kann sich ein Richter nicht hinwegsetzen - dies allein wäre bereits ein Verfahrensfehler und damit ein Revisionsgrund.

Ablehnungsgründe für einen gerichtlich bestellten oder seitens der BG aufgefahrene Gutachter: 

In den beiden vorigen Abschnitten hatten wir ausführlich potenzielle Ablehnungsgründe dargestellt, die sich auf 

  • Aktualität und Vollständigkeit bei der Darstellung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Gutachten beziehen. Gutachten müssen auf dem neuesten Stand der Erkenntnis sein. Dies hat das Bundessozialgericht eindeutig bestätigt (z.B. BSG B 2 U 1/05 R v. 9.5.2006, Tz 26).
    Ist dies nicht der Fall, so hilft nur, einen solchen Gutachter abzulehnen.
  • Wir würden empfehlen, auch Stellungnahmen und/oder Gutachten nicht zu akzeptieren, die von "Experten" gefertigt wurden, die darin ihre industriefinanzierten Erkenntnisse unterbringen. Ein solches Beispiel haben wir beschrieben in einer Grafik www.ansTageslicht.de/werwiewaswarum, die zum Kapitel Kasuistik gehört: www.ansTageslicht.de/Kasuistik.
  • Ob man überhaupt Sachverständige aus der VALENTIN-Schule akzeptieren möchte, ist eine weitere Frage (www.ansTageslicht.de/VALENTIN). Professoren aus dieser 'Schule' orientieren sich sehr eng am Mainstream und der wird v.a. dominiert von den Interessen der Berufsgenossenschaften /DGUV) und den diese finanzierenden Unternehmen. Der Hinweis der Bundesregierung, dass die Sozialgerichte in 90% aller Fälle den Ablehnungen der Gesetzlichen Unfallverseicherung folgen, ist ein ziemlich klares Indiz dafür.
  • Und man sollte ausgesprochen auf der Hut sein, wenn es auf Gutachter hinausläuft, die sich - irgendwann einmal und u.U. wegen besserer Verdienstmöglichkeiten - selbstständig gemacht haben. Die müssen Gutachten ohne Unterlass produzieren und solche Aufträge erhält man beispielsweise aus den Institutionen des DGUV-Schattenreichs und/oder von Richtern, die nicht von Amts wegen ermitteln, wenn man schreibt, was dort gerne gelesen wird.

Ablehnung von Richtern wegen der "Besorgnis der Befangenheit"

Gibt es triftige Gründe, einen Sachverständigen abzulehnen und wird dies vom Richter abgelehnt, so hilft nur, eben diesen Richter abzulehnen: nicht wegen "Befangenheit", sondern wegen der "Besorgnis" der Befangenheit.

Ein Richter, den man mit guten Gründen ablehnen möchte bzw. sollte, muss nicht unbedingt "befangen" sein. Es genügt der sog. "böse Anschein". Bedeutet: Wenn eine "vernünftig denkende Partei" die Sorge haben könnte, dass ein Richter nicht objektiv entscheiden könnte (Konjunktiv !), dann kann man eine "Besorgnis" geltend machen. Es geht also vorrangig nicht um die Befangenheit, sondern um die Sorge im Vorstadium.

Dass die Ablehnung von Richtern nach § 42 ZPO in der täglichen Praxis meist nicht funktioniert, hat zwei konkrete Gründe:

  1. Richter kennen sich nicht im Befangenheitsrecht aus. Das haben sie aufgrund ihrer juristischen Monopolstellung auch nicht nötig, solange sich
  2. die Anwälte nicht im Befangenheitsrecht auskennen - und die Richter zum korrekten Handeln im Verfahren zwingen. 

Zu dieser Thematik gibt es ein ganzes Buch eines ehemaligen Richters am OLG Köln, der sich wegen seiner kritischen Sicht vieler Dinge unter seinen Berufskollegen unbeliebt gemacht hatte, t.w. sogar angefeindet wurde und der nach seiner Pensionierung als Rechtsanwalt tätig war:

Dr. Egon SCHNEIDER (2008): Befangenheitsablehnung im Zivilprozess, 3. Auflage, LexisNexis Deutschland GmbH, ZAP-Verlag Münster.

Dieses 281 Seiten umfassende Werk ist das Standardwerk. Zum einen, weil es sonst dazu wenig gibt, zum anderen, weil es a) übersichtlich aufgebaut, b) verständlich geschrieben ist und c) detailliert auf alles eingeht, was man dazu wissen muss. 

Egon SCHNEIDER, der mehrere zivilrechtliche Bücher und unzählige rechtswissenschaftliche Fachaufsätze verfasst hatte, schreibt dazu in seinem Vorwort:

"Doch immer noch schrecken nicht wenige Anwälte davor zurück, für ihre Partei ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter einzureichen, obwohl dies oft die einzig wirkungsvolle Maßnahme ist, Mandanten vor Fehlentscheidungen zu schützen. Dabei wirkt sich nach meiner Beobachtung auch aus, dass vielen Anwälten das Ablehnungsrecht nicht hinreichend vertraut ist. Sie befürchten,verfahrensrechtlich falsch zu reagieren, in das prozessuale Abseits zu geraten und dadurch ihre Position noch mehr zu verschlechtern.

So ganz von der Hand zu weisen ist diese Besorgnis nicht. Eine Reihe von Entscheidungen belegt, dass gerade verfahrenswidrig handelnde Richter Probleme damit haben, ihre Fehler einzusehen, und stattdessen aggressiv reagieren. Doch das darf ein Anwalt wegen des ihm anvertrauten Mandantenschutzes nicht hinnehmen. Außerdem sind gerade solche Fälle besonders Erfolg versprechend, weil diese Richter sich leicht im Ton vergreifen, ausfallend werden und sich Blößen geben, die ihrerseits eine Ablehnung stützen oder einen bereits vorhandenen Grund verstärken."

Bezogen auf das Problem unzulänglicher Sachverständigengutachten dürfte es einem wegen der "Besorgnis der Befangenheit" abgelehnten Richter ziemlich schwierig fallen, in seiner darauf notwendigen "Dienstlichen Äußerung" substantiiert zu begründen, weshalb er einem Sachverständigen folgen will, der nachweislich schlecht, also etwa einseitig, unvollständig oder gar falsch begutachtet hat.

Hilfreich könnte auch sein, an passender Stelle darauf hinzuweisen, dass in der Dritten Instanz beim Bundessozialgericht vieles kritisch gesehen wird, zum Beispiel, dass "das Entscheidungsverhalten der Unfallversicherungsträger und der Gerichte ebenso wie die Begutachtungspraxis der von ihnen gehörten medizinischen Sachverständigen zum Teil deutlich voneinander" abweicht. "Dies wird rechtsstaatlichen Maßstäben - angesprochen sei ... das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - nicht gerecht."

So hat das beispielsweise Dr. Peter BECKER, Richter am BSG, 2011 zu Papier gebracht, und zwar in einem Buchbeitrag: Entwicklungslinien im Berufskrankheiten-Recht. In: Albert NIENHAUS/Gabriele VOLANTE/Andreas SEIDLER (Hg.): Arbeitsmedizin in sozialer Verantwortung. Hamburg: VSA-Verlag, S. 20 - 36.

Dieser Artikel ist eine sehr kritische Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen System. Indirekt spricht BECKER sogar von "Systemversagen" (S. 28). 

Damit kann sich die Justiz, wenn die Politik nicht handelt - eigentlich - nicht abfinden.

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Öffentlichkeit herstellen

Öffentlichkeit sorgt für Druck. Öffentlichkeit stellt Transparenz her, holt Dinge ans Tageslicht, die sonst im Schatten bleiben. Und kann so für Diskussionen sorgen.

Umgekehrt spielen sich - derzeit noch - praktisch alle Klagen vor den Sozialgerichten und praktisch alle Gutachten bereits im GUV-Verwaltungsverfahren zuvor sich im Dunkeln ab. Und solange dies so ist, wird eben vieles nicht bekannt. Man kann nicht voneinander lernen. Und es baut sich kein öffentlicher Druck auf.

Fragen, die mit Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten zusammenhängen, Dinge, die die Sozialgerichtsbarkeit betreffen, sind natürlich keine öffentlichen Aufreger und generieren so gut wie keine Schlagzeilen. Aber "Öffentlichkeit" spielt sich auf vielen Ebenen ab. In der Kommunikationswissenschaft spricht man von Teilöffentlichkeiten oder auch Fachöffentlichkeiten. Was beispielsweise im Bundestag diskutiert wird, gerät nur zu einem kaum wahrnehmbaren Bruchteil an die allgemeine Öffentlichkeit und wird dann - etwa in der Tagesschau - in ein bis maximal drei Sätzen aufgegriffen.

Aber im Bundestag fallen die relevanten Entscheidungen. Entscheidungen, die in den diversen Ausschüssen zuvor mehrfach diskutiert und vorbereitet wurden. Diese Ausschüsse beispielsweise sind dann auch die Adressaten. Im konkreten Fall betrifft dies die Ausschüsse für

  • Arbeit und Soziales, der offiziell für das Thema GUV zuständig ist
  • Gesundheit, der nicht nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständig ist, in dessen fachliche Kompetenz aber eigentlich diese Fragen gehören
  • Verkehr - z.B. wenn es um das Thema Fume Event geht oder auch
  • Tourismus, weil dort schon einige Male das Thema "kontaminierte Kabinenluft" verhandelt wurde.

Schreiben Sie nicht nur das Sekretariat an. Suchen Sie sich die Namen aller dort vertretenen Abgeordneten aller Parteien heraus und schicken Sie jedem von ihnen Ihr Anliegen bzw. ihre Informationen. Wichtig sind vor allem die Sprecher der Ausschüsse und die Stellvertreter.

Grundsätzlich in Frage kommt auch der Petitionsausschuss des Bundestages. 

Wenden Sie sich auch an das Bundesminierium für Arbeit und Soziales (BMAS). Dort gibt es zwei Referate, die für Berufskrankheiten und Arbeitsschutz zuständig sind, was sie im Organigramm (Stand 2018) nachschauen können: das Referat

Schalten Sie auch die Pressestelle ein, deren Kontaktdaten Sie auf der Website des BMAS finden.

Bei Fragen, Problemen usw, die mit der kontaminierten Kabinenluft, Fume Events usw. zusammenhängen, sollten Sie die Minsterien 

  • Verkehr und digitale Infrastruktur
  • Wirtschaft

in gleicher Weise beschäftigen. Mit "beschäftigen" meinen wir, denen bestimmte Dinge zu kommunizieren. Auf dass möglichst viele Mitarbeiter in vielen staatlichen Behördenapparaten darüber Kenntnis erlangen, dass es ungelöste Probleme gibt, die die vermutlich alle nicht kennen. Ab und an kommt es dann zum Austausch - auf formaler, oft aber auch informeller Ebene, weil, sich viele Staatsbedienstete untereinander kennen, öfters ihren Arbeitplatz wechseln, aber dann immer noch Kontakt halten. Beispielsweise beim Mittagessen in einem der vielen Restaurants, Cafe's etc, die sich im Berliner Regierungsviertel befinden. Anders gesagt: Man sollte auch auf diesen Ebenen auf Multiplikatoreffekte setzen.

Um die politische Ebene abzuschließen: Sprechen Sie Ihre Abgeordneten Ihres Wahlkreises zuhause an. Machen Sie das gleiche mit den unterlegenen oder neu aufgestellten Kandidaten. Lassen Sie niemanden aus, der sich als "Volksvertreter", also als "Vertreter" von Ihnen selbst, irgendwo politisch aktiv zu werden vorgibt. 

Man kann unserem politischen System einer "parlamentarischen Demokratie" viele Schwächen vorhalten. Aber nicht dies, dass man hierzulande nichts unternehmen könnte. Demokratie will gelebt sein, und das setzt aktives Engagement von Bürgern voraus. Und damit 'oben' auch alles ankommt, muss man 'nach oben' auch kommunizieren.

Manchmal hilft auf diesem Weg 'nach oben' auch die Berichterstattung in den Medien, also Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen oder Online-Medien. Nicht jedes Medium interessiert sich für alles. Manche haben sich auf bestimmte Themenbereiche spezialisiert. 

Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL greift regelmäßig gesellschaftlich relevante Themen auf. Wenn sich ein Redakteur für ein spezifisches Thema interessiert, sei es, weil er einen Tipp bekommen hat oder sogar einen interessanten 'Fall', dann fragt er in der hauseigenen Dokumentation nach, ob die schon etwas in dieser Art haben. Je mehr da schon gesammelt wurde, umso eher wird/kann der Redakteur auf das Thema einsteigen, wenn er andere vergleichbare Fälle vorfindet. Deshalb unsere Empfehlung, die wir mit der SPIEGEL-Dokumentation abgesprochen haben:

Beschreiben Sie Ihr Problem bzw. Ihren Fall auf maximal 2 Seiten. Erwähnen Sie auch, was Sie an Dokumenten dazu haben (Urteile, Gutachten, andere Unterlagen usw.). Und üben Sie sich dann bitte in Geduld.

Schicken Sie alles in digitaler Form. Dann können die Dokumentationsjournalisten das alles viel besser und schneller archivieren. Emailadresse: Hauke.Janssen at Spiegel.de. Und in die Betreffzeile: Material für Ihre Dokumentation. Nehmen Sie im Begleittext dann Bezug auf unsere Dokumentation www.ansTageslicht.de/krankdurcharbeit. 

Weitere wichtige Fachöffentlichkeiten

Dies betrifft die vielen Behörden und Institutionen, die zum 1) Bereich der politischen Exekutive gehören, aber auch 2) halbstaatliche Institutionen. Beispiele:

  • Bundesinstitut für Risikoanalyse, die u.a. für das Thema "Glyphosat" zuständig ist, aber auch bei Fume Events keinen Ursachenzusammenhang sehen kann (will oder darf), aber eine Kommission betreut, die sich "Bewertung von Vergiftungen" nennt. Ihre Aufgabe: "das Erkennen, die verbesserte Dokumentation und die Bewertung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Produkte, Stoffe und andere Noxen im Rahmen von § 16 e des Chemikaliengesetzes und der neuen internationalen Bestimmungen nach REACH/GHS." 
    Schreiben Sie alle Mitglieder einzeln an, aber auch den Geschäftsführer.
    Wir haben das z.B. am 11. April 2018 gemacht, aber innerhalb von vier Wochen kein einziges Feedback erhalten. Wir haben diese Aktion deshalb wiederholt. Und werden dokumentieren, wer antwortet und wer nicht. Bzw. wer sich um derlei Belange wirklich kümmert. Bzw. wer nicht.
    Aber egal, ob die Vertreter dort antworten oder nicht: Wichtig ist, dass denen bestimmte Probleme zu Gesicht oder zu Ohren kommen. Und einen kleinen Schritt weiter wäre man, wenn dies im Rahmen einer der Sitzungen dann auch diskutiert werden würde.
  • Beim BMAS gibt es den "Ärztlichen Sachverständigenbeirat 'Berufskrankheiten' (SVBR BK)". In diesem erlauchten Gremium wird - nach sehr langen Diskussionen und Einflussnahmen vorbereitend entschieden (mehr dazu unter Das Schattenreich), ob eine BK neu aufgenommen wird oder nicht. Natürlich hat auch dort die GUV entscheidenden Einfluss, aber je besser die anderen Mitglieder von solchen informiert werden, die nicht dem Schattenreich-System angehören und deshalb hautnah von Problemen berichten können, die den Mitgliedern möglicherweise völlig unbekannt sind, umso eher die Chance, dass es auch dort zu Diskussionen und sich ändernden Meinungsbildern kommt.
    Nutzen Sie dazu nicht nur das Kontaktformular auf der Website, nutzen Sie auch die Emailadresse des Referatsleiters im BMAS, der diesen SVBR BK juristisch betreut: harald.goeke[at]bmas.bund.de . 
    Und: sprechen Sie auch alle Mitglieder persönlich an - die Mitgliedernamen und wo man sie erreichen kann, finden sich auf der hier genannten Website.
  • Nicht zu vergessen: Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Sie führt ganz offiziell die 'Geschäfte' des SVBR BK und der anderen BMAS-"Ausschüsse". Macht aber auch eigene Untersuchungen und beschäftigt sich ganz generell mit den Themen, für die sie ihren Namen trägt. Bemerkenswert finden wir den Umstand, dass sich in diesen Gremien, z.B. bei den "mitwirkenden Autoren" einschlägiger Broschüren, kein einziger Name aus der Mainstream-Arbeitsmedizin-Branche findet. 
    Wir denken daher, dass die BAuA ein sehr wichtiger Kommunikator und Multiplikator in diesen Fragen darstellt.

Für den Problemkreis kontaminierte Kabinenluft / Fume Events kommen in Frage:

Diese letzteren sind allerdings Institutionen, von denen man nicht viel erwarten sollte - sie sind mit dem Luftfahrtbusiness zu eng verflochten (siehe dazu unser Kapitel Wer, wie, was warum? Wer nicht forscht, bleibt dumm. "Kasuistik" beim Aerotoxischen Syndrom).

Trotzdem sollte man diese Behörden nicht auslassen. Denn irgendwann gehen die 'Oberen' in ihren Ruhestand, jüngere folgen nach. Und bei jenen, die bei in ihrer beruflichen Karriere noch nicht so ganz eingerostet sind und sich für nichts mehr einbringen wollen oder müssen, weil sie sich längst mit den Bequemlichkeiten eines Behördenapparates arrangiert haben, gibt es immerhin die Chance, dass sich in deren beruflichen Perspektive Aspekte finden, die mit Effzienz, Problemlösungen und Veränderungen verbunden sind. Auf die gilt es - längerfristig - zu setzen.    

Es gibt weitere Institutionen. Zum Beispiel das Bundesversicherungs(aufsichts)amt. Das - eigentlich - die Aufsicht über die Sozialversicherungsträger hat. Uns ist es bei unseren Recherchen nicht wirklich untergekommen, es scheint - wie so oft - eine Behörde ohne nennenswerten Biß zu sein. Jedenfalls ist uns keine Aktivität bekannt, die GUV irgendwo in ihre Schranken zu weisen bzw. den versicherten, aber berufkranken Arbeitnehmern irgendwie zur Seite zu stehen, wenn es um deren Rechtsansprüche geht. Dies ist zumindest unser Eindruck.

Aber der muss nicht unbedingt zutreffend sein. Und ebenso ist es denkbar, dass man den fast 600 Mitarbeitern in den 8 Abteilungen bzw. in den 47 Referaten durch regelmäßiges Anschreiben 'Beine machen' kann. 

Wenn wir von "Anschreiben" schreiben, meinen wir nicht, nur einmal zu schreiben. Und es dabei dann bewenden zu lassen. Wenn wir von "anschreiben" schreiben, meinen wir, dass Sie solange und so oft schreiben und immer wieder daran zu erinnern sollten (wenn Sie keine Antwort bekommen), bis Sie eine Antwort erhalten. Fällt die nicht zu Ihrer Zufriedenheit aus, sollten Sie eine zweite Runde starten. Und gegebenenfalls auch eine dritte oder vierte ins Auge zu fassen. Die Personen, die im "Öffentlichen Dienst" arbeiten, sind - eigentlich - für die Öffentlichkeit da. Und deswegen sollten Sie nicht klein beigeben. Das ist eine unserer wichtigsten Empfehlungen. Auch wenn man da oft einen langen Atem braucht. 

Wenn es um Gesundheitsprobleme geht, die mit dem Fliegen zusammen hängen, kommen beispielsweise auch Institutionen wie das Umweltbundesamt in Betracht. Im UBA arbeiten - im Gegensatz zu anderen Behörden - viele engagierte Menschen, die sich tatsächlich engagieren, in diesem Fall für Umweltfragen. Und die deswegen für ungelöste Probleme oder Anregungen offen sind. 

Weiter gibt es hierzulande die Kommission zur Reinhaltung der Luft (KRdL). Und andere mehr. Diese Liste hier erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt einen ersten Anfang dar. Hinweise sind uns stets willkommen.

Gewerkschaften

Eigentlich, aber nur eigentlich, würde man annehmen, dass sich Gewerkschaften für Arbeitnehmerrechte einsetzen. Dies ist aber offenbar nicht generell der Fall. 

Die Berufsgenossenschaften und die DGUV sind - eigentlich - paritätisch besetzt. Konkret: Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sind anzahlsmäßig gleichermaßen vertreten. Die Arbeitnehmer-, konkret: die Versichertenseite, wird in der Regel von Gewerkschaftlern bestückt. Gewerkschaftler sind meistens Funktionäre. Und Funktionäre sind das, was man üblicherweise mit diesem Begriff verbindet: Personen, die eine bestimmte "Funktion" ausüben. 

Wie wir bei unseren Recherchen sehen konnten, erschöpft sich diese Funktion genau in der Ausübung dieser Funktion. Anders gesagt: ohne nennenswertes Engagement.

Denn wie kann es sein, dass es im Jahr um die 70.000 Anträge auf Anerkennung einer Berufskrankheit geht und nur 27% überhaupt anerkannt werden. Besteht die Differenz vollständig aus Simulanten und/oder "Rentenjägern", wie das in der Erlanger VALENTIN-Schule heißt? Und: Sterben jedes Jahr rund 2.500 Menschen an ihrer Berufskrankheit freiwillig?

Wir konnten bisher nicht erkennen, dass sich Gewerkschaften hier nennenswert einbringen. Aber Berufskranke haben oft nicht mehr die Kraft, sich dann in derlei Institutionen zu engagieren, wenn sie berufsunfähig, sprich nachhaltig krank geworden sind. Und tote Arbeitnehmer sind erst recht uninteressant: Tote zahlen bekanntlich keine Gewerkschaftsbeiträge (mehr).

Es ist ähnlich wie in der Politik: Wer keine Wahlstimme hat, ist für die Politik gänzlich uninteressant. Bei den Gewerkschaften ganz offenbar nicht anders. 

Andere, die sich engagieren

Es gibt leider (zu) wenige. Denn mit Kritik kann man nicht unbedingt Geld oder ein finanzielles Zubrot verdienen, weshalb sich wohl die meisten aus dem System der GUV und der Arbeitsmedizin lieber in Schweigen hüllen. Und damit offenbar leben können.

Einer, der das nicht (mit)macht, ist Dr. Franz H. MÜSCH, Medizinaldirektor a.D. und heute im (Un)Ruhestand. Er hatte lange Jahre im "Arbeitsmedizin" beim BMAS gearbeitet, das es so heute gar nicht mehr gibt. Von dort aus hatte er auch den "Ärztlichen Sachverständigenbeirat 'Berufskrankheiten'" geschäftsführend betreut und in seiner Ägide haben eine ganze Reihe neuer Berufskrankheiten Eingang in die "BK-Liste" finden können. Denn nur, was da gelistet ist, kann - grundsätzlich natürlich nur - anerkannt werden.

MÜSCH kennt sich aus. Auf nationaler wie supranationaler EU-Ebene. Und er betreibt eine Website, in der viel Wissen gespeichert ist: www.berufskrankheiten.de

Einer seiner Themen, die ihm am Herzen liegen, ist der Umstand, dass jährlich etwa 2.500 Berufskranke an ihrer Krankheit sterben. Das sind im Schnitt 6 bis 7 Tote jeden Tag. Und das seit Jahrzehnten, egal wie die Arbeitsminister heißen - ob Andrea NAHLES (SPD), Ursula von der LEYEN (CDU), Olaf SCHOLZ (SPD), Franz MÜNTEFERING (SPD), Wolfgang CLEMENT (SPD) und Ulla SCHMID (SPD), Walter RIESTER (SPD). Darauf weist MÜSCH auch regelmäßig hin: "Keine robuste Trendwende".

Inzwischen ist MÜSCH auch als a) Berater und b) Gutachter vor den Sozialgerichten unterwegs. Wir empfehlen, in fraglichen Fällen mit ihm Kontakt aufzunehmen. Er vertritt die Seite der Berufskranken. Und ist für eine Kontaktaufnahme bereit. 

Eine andere Adresse lautet www.bk1317.com. Darüber erreichen Sie die "Initiative kritischer Umweltgeschädigter e.V. (IKU)". Sie wurde von Peter RÖDER initiiert, der selbst berufskrank bzw. Holzschutzmittel- und Dioxingeschädigt ist. Und anderen zu helfen versucht.

Peter RÖDER haben wir in seiner wichtigen Funktion bei der Aufdeckung eines abgefälschten "wissenschaftlichen Merkblatts" durch zwei ("honorige") Professoren 'portraitiert'. Er hat die Enthüllung der Fälschung ins Laufen gebracht (mehr unter "Organisierte Falschdarstellung". Organisierte Wissenschaftskriminalität?). 

Und noch einige (letzte) Hinweise

1) Ein wichtiges, weil aufschlussreiches Buch, das sich in keiner öffentlichen Bibliothek finden lässt. Zumindest nicht im nord- und mitteldeutschen Raum:

"Berufskrankheiten im Verständnis bewährter Gutachter der Berufsgenossenschaften"

Verfasst im Jahre 2005 von Prof. Dr. Rainer FRENTZEL-BEYME aus Bremen. Wir können es hier mit freundlicher Genehmigung in eingescannter Form online stellen. Es ist schon lange vergriffen, wurde aber nie neu aufgelegt. Es gibt viele fachliche Hinweise und Erklärungen für die Gutachter-Misere.

Der herausgebende Verlag, der Deutsche Anwaltverlag in Bonn, der dieses Buch einst veröffentlicht hatte, hat sich inzwischen zu einem "der renommierten juristischen Fachverlagen in Deutschland" gemausert: "Die erfolgreiche Entwicklung der letzten Jahre zu einer der ersten Adressen für praxisorientierte Anwaltsliteratur ist das Ergebnis der konsequenten Umsetzung des eigenen Anspruchs, der Verlag für Anwälte und Anwältinnen zu sein."

Wer Unbequemes oder gar Kritisches veröffentlicht oder verlegt, gehört - quasi automatisch - nicht zum Mainstream. Aber Geld verdienen geht am besten, wenn man mit dem Strom schwimmt.

2) Die GUV verkörpert ein Monopol. Das haben wir unter Das Schattenreich beschrieben. In diesem Fall betrifft es auch das Herrschaftswissen, das in einem eingetragenen Verein gebündelt ist, der sich "Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V." nennt. Und dieser Verein "DGUV" setzt alles daran, dass dies auch so bleibt.

Bedeutet: Dagegen zu halten, ist nicht einfach. Vor allem dann, wenn man informationsmäßig unterlegen ist. Dies ist hier der Fall. 

Deswegen unser Aufruf:

  • Wer Informationen, Akten, Dokumente von Fällen, Gerichtsverfahren, Schriftwechseln usw. hat: Werfen Sie nichts weg! Heben sie alles auf!
  • Wir sind dabei, einen zentralen unabhängigen Standort zu finden, wo derlei wertvolle Informationen sinnvoll gesammelt und Interessierten zugänglich gemacht werden können. Dies könnte beispielsweise eine Hochschule im Zusammenhang mit Forschung und Lehre sein.

Wir konnten unsere Recherchen nur durchführen, weil wir hier, da und dort doch noch die ein oder andere Unterlage finden konnten. Aber in mehreren Fällen waren wir zu spät. Deswegen die dringende Empfehlung, ersteinmal alles aufzubewahren. Sobald wir eine sinnvolle Lösung gefunden haben, werden wir diese zur Diskussion stellen und hier bekannt geben.

Wer weitere Hinweise oder Anregungen hat, der möge sich einfach melden: redaktion[at]ansTageslicht.de. Und bitte in die Betreffzeile ein passendes Stichwort einsetzen. Zum Beispiel "krank durch Arbeit" oder "Fume Event".

Wer - aus verständlichen Gründen - lieber anonym mit uns Kontakt aufnehmen möchte, kann auch das tun: Wie Sie sicher mit uns kommunizieren können.

(JL)

Online am: 10.03.2018
Aktualisiert am: 12.09.2021


Inhalt:

Berufskrankheit: Was kann man tun


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Was Sie hier lesen, gehört zum Themenkomplex

Krank durch Arbeit.

Weitere Bestandteile sind diese Themenschwerpunkte:

Ebenso dazugehörig, aber an anderer Stelle bei uns platziert:

Alle diese Themenschwerpunkte bestehen aus mehreren (ausführlichen) Texten, die wir "Kapitel" nennen. Den gesamten Themenkomplex im Überblick können Sie direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/krankdurcharbeit.