PFT - Berichte der WamS, 16.12.2015

Gelsenwasser rüstet seine Wasserwerke auf

Welt am Sonntag (WamS) , 13.01.2008 von David SCHRAVEN

Seit dem Sommer 2006 sorgt die PFT-Verschmutzung an der Ruhr für Unruhe. Wissenschaftler der Uni Bonn hatten damals herausgefunden, dass sich der krebserregende Stoff im Trinkwasser von Millionen Menschen im Ruhrgebiet nachweisen lässt. Spätere Untersuchungen wiesen das Gift sogar im Blut von Arnsberger Kindern nach. Provisorische Anlagen zur Wasserreinigung wurden an der Ruhr aufgestellt. Über eine endgültige Lösung der Umwelt-Krise aber verhandelten die Verantwortlichen von Politik und Unternehmen mehr als ein Jahr lang.
Jetzt ist der Durchbruch da. Gelsenwasser, der größte Trinkwasserversorger in NRW, will 140 Millionen Euro in die Wasseraufbereitung stecken. Im Interview mit der "Welt am Sonntag" fordert der Konzern-Vorstand, Bernhard Hörsgen, zudem weitere Anstrengungen von Politik und Unternehmen: "Der Druck zur Reinhaltung der Ruhr muss aufrecht erhalten werden."


Welt am Sonntag:
Herr Hörsgen, ist das Trinkwasser im Revier sauber?


Bernhard Hörsgen:
Unser Wasser entspricht heute wie auch in der Vergangenheit allen gesetzlichen Anforderungen. Auch bei den PFT-Belastungen, die in den letzten Monaten für Aufsehen gesorgt haben, liegen die Werte aktuell in allen mit Gelsenwasser verbundenen Wasserwerken deutlich unter 100 Nanogramm je Liter. Diese Konzentration ist laut der deutschen Trinkwasserkommission der langfristig zu erreichende Zielwert. Trotzdem betreiben wir weiter unsere Anlagen zur Zudosierung von Aktivkohle. Damit sind wir auch auf der sicheren Seite, wenn die PFT-Belastung in der Ruhr schwankt. Ich kann damit sagen: Die PFT-Belastung in unserem Trinkwasser wird nach heutigem Ermessen nicht mehr über den Wert von 100 Nanogramm je Liter ansteigen.


Welt am Sonntag:
In anderen Wasserwerken am Oberlauf der Ruhr wird über moderne Aufbereitungsanlagen nachgedacht. Was plant Gelsenwasser?


Hörsgen:
Wir stellen uns der Herausforderung und rüsten mit unseren Partnern DEW21 sowie den Stadtwerken Bochum und Essen in den nächsten Jahren die Wasserwerke nach. Aktuell stehen 40 Millionen Euro für die Ertüchtigung der Wasserwerke Echthausen und Westhofen zur Verfügung. In Essen sind 50 Millionen Euro für den Um- und Ausbau der Wasserwerke Überruhr und Horst geplant. Mit den neuen Anlagen sind die Werke nach dem derzeitigen Stand optimal ausgestattet, unerwünschte Stoffe nicht ins Trinkwasser gelangen zu lassen. In der mittelfristigen Planung werden darüber hinaus alle weiteren Wasserwerke an der Ruhr entweder ausgebaut oder stillgelegt. Wir sind allerdings nicht unter Zeitdruck, da alle Werke mit den provisorischen Aktivkohleanlagen alle Auflagen der Trinkwasserkommission sicher erreichen.


Welt am Sonntag:
Wie teuer wird das gesamte Paket?


Hörsgen:
Wir haben im ersten Schritt Investitionen in Höhe von 90 Millionen Euro beschlossen. Nach heutiger Schätzung werden wir etwa 50 Millionen für die anderen Werke benötigen. Die Planungen laufen derzeit noch.


Welt am Sonntag:
Können Sie schon sagen, welche Kosten mit den beschlossenen Investitionen auf die Bürger zukommen?


Hörsgen:
Wir rechnen damit, dass mit dem 90-Millionen-Euro-Programm der Preis für 1000 Liter Trinkwasser um circa 15 Cent steigen könnte. Dies kann Gelsenwasser aber nicht selber beschließen. Der Preis wird aufgrund der Kalkulation von einer unabhängigen Schiedskommission festgelegt.


Welt am Sonntag:
Ist mit den Investitionen in die Wasserwerke das Thema PFT abgeschlossen?


Hörsgen:
Das Thema PFT haben wir im Griff. Die neuen Aufbereitungsverfahren sollen aber nicht dazu verleiten, dass die Gewässer weiter verschmutzt werden dürfen. Im Gegenteil. Ein sauberer Fluss muss weiter das Ziel aller Nutzer sein. Darum ist es nötig, weiter den Druck zur Reinhaltung der Ruhr aufrecht zu halten. Meine Idee ist, in einer konzertierten Aktion von Aufsichtsbehörden, Industrie, Naturschutz und Touristik zusammen mit Trink- und Abwasserunternehmen den Schutz der Ruhr zur gemeinsamen Sache zu machen. Davon sind wir heute leider noch einige Schritte entfernt.


Welt am Sonntag:
Was fehlt Ihnen konkret?


Hörsgen:
Wir brauchen an der Ruhr in einem ersten Schritt ein für die Beteiligten zugängliches Kataster, in dem alle Erkenntnisse über Schadstoffbelastungen erfasst werden. Dies schließt die indirekten und direkten Einleitungen von Schadstoffen in die Ruhr ein. Deren Genehmigungen gehören auf den Prüfstand, denn die technische Entwicklung von Vermeidung wie auch Aufbereitung geht ja weiter. Wir können heute viel besser durch dezentrale Anlagen Schadstoffe von der Ruhr fernhalten, wenn das gewollt ist. Es geht schließlich darum, diesen Fluss auch in Zukunft als eine sichere Quelle für die Trinkwassernutzung zu erhalten.


Das Gespräch führte David Schaven