PFT - Berichte der WamS, 16.12.2015

Kläranlagen an der Ruhr halten EU - Werte nicht ein

Welt am Sonntag (WamS) , 09.03.2008 von David SCHRAVEN

Nach Recherchen der "Welt am Sonntag" fließen aus den Anlagen des Ruhrverbandes neben den bereits bekannten Perflourierten Tensiden (PFT) weitere teils krebserregende Schadstoffe in großen Mengen in den Fluss, der der wichtigste Trinkwasserlieferant für über vier Millionen Menschen ist.


Aus Daten des NRW-Umweltministeriums geht hervor, dass die Anlagen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit im europäischen Vergleich teilweise weit abgeschlagen sind. Und das, obwohl im Zuge einer Modernisierungswelle in den vergangenen Jahren weit über eine Milliarde Euro in die Ruhrklärwerke investiert wurden.


Vor allem die Daten für eine Schadstoffgruppe belegen den mangelhaften Zustand einiger Kläranlagen. Einer Richtlinie der Europäischen Union zufolge sollen 75 Prozent des Stickstoffes eliminiert werden, der eine Kläranlage über Abwässer erreicht. Erst danach dürfe das geklärte Wasser in einen Fluss geleitet werden.


Doch 2006 haben nach Informationen des Umweltministeriums 21 von rund 100 Kläranlagen des Ruhrverbandes dieses Ziel nicht erreicht. 2007 waren es 22 Kläranlagen.


Jahrelang veröffentlichte das Umweltministerium die Daten der einzelnen Klärwerke in einem ausführlichen Bericht, der an die Städte und Gemeinden im Land versandt wurde. Auf der Rückseite des Berichtsbandes wurden die Messergebnisse übersichtlich auf einer Landkarte präsentiert. So war auf den ersten Blick zu erkennen, dass etliche Klärwerke des Ruhrverbandes die Ziele nicht erreichen.


Diese öffentlich gemachten Informationen erregten den Zorn des Ruhrverbandes. In einem Brief an Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) schrieb der Vorsitzende des Ruhrverbandes Harro Bode im Frühjahr 2006: "Auf der Rückseite des Bandes ist erneut eine Karte abgedruckt, die einhellig bei allen Betrachtern den Eindruck erweckt, als wäre es mit der Leistungsfähigkeit der Kläranlagen in weiten Teilen des Landes NRW außerordentlich schlecht bestellt." Dies werde von vielen Betreibern "als unsachlich und provozierend empfunden".


Bode drängt darauf, die Karte zumindest nicht mehr auf dem Einband abzudrucken. Als Begründung für die Minderleistung der Anlagen führt der Ruhrverbandschef hohe "Fremdwasserzuflüsse" an. Sprich: Es fließe zu viel Wasser in die Kläranlagen, das nicht verarbeitet werden könne. Anders gesagt: Die Kläranlagen sind zu klein.


Offensichtlich hat Minister Uhlenberg auf den Druck Bodes reagiert. Seit 2007 erscheint die Übersichtskarte nicht mehr in der Form wie bisher. Doch damit nicht genug. Der Bericht über den Zustand der Klärwerke wird nicht mehr in Gänze gedruckt. Stattdessen gibt es nur noch eine kurze Zusammenfassung. Und auf der letzten Seite der Zusammenfassung befindet sich eine CD mit einer PDF-Datei.


In diesem Computer-Dokument finden sich, versteckt unter vielen anderen Informationen, auch die Daten zur Leistungsfähigkeit der Kläranlagen. Allerdings nicht mehr verständlich aufbereitet, sondern in einer Datenflut, die nur für Spezialisten lesbar ist. Wer sich aber durch diesen Wust kämpft, findet immer noch brisante Zahlen.


Ein Beispiel: In den Berichten wird seit mindestens 2001 eine hohe AOX-Fracht ausgewiesen. AOX ist die Sammelbezeichnung für alle organischen Chemieverbindungen, die Halogene enthalten. Das sind Gifte wie Dioxine, Furane oder Lindan. In allen Kläranlagen, die eine relativ hohe PFT-Fracht ausweisen, gibt es auch eine hohe AOX-Fracht. In der Kläranlage Rahmedetal lag der AOX-Ausstoß im vorigen Jahr etwa bei 99 Kilogramm, der PFT-Wert bei rund 30 Kilo. Unklar ist, ob die PFT-Werte in der Sammelbezeichnung AOX mitgerechnet sind. Klar ist hingegen: Wenn der Ruhrverband früher etwas gegen die seit 2001 bekannten hohen AOX-Werte unternommen hätte, wären damit möglicherweise auch die hohen PFT-Werte verhindert worden.


Indes sprechen Eingeweihte von einer fatalistischen Stimmung im Umweltministerium. Der Druck der Ministeriumsspitze, gewollte Ergebnisse zu fabrizieren, sei unerträglich, klagt einer. Umweltstaatssekretär Alexander Schink kündigte in einem Schreiben vom 3. Dezember die Gründung einer Kommission zur Optimierung des Personaleinsatzes an. Diese Kommission wurde unter die Leitung der Bürochefin Schinks gestellt.


Jeder Mitarbeiter des Ministeriums wurde aufgefordert, minutiös seine Aufgaben an die Kommission zu berichten. Das Gremium unter Vorsitz der Schink-Vertrauten entscheidet darüber, dass 20 Prozent der Aufgaben gestrichen werden. Es gebe zu viel im Ministerium zu tun. So bleibe nur die Abschaffung von Aufgaben. In einem Schreiben heißt es, künftig sollten 10 Prozent des Personals zwischen ihren Jobs rotieren. "Da werden Löcher gestopft", sagt ein hoher Ministerialer. "Ordentliche Arbeit ist so nicht mehr möglich."