PFT - Berichte der WamS, 06.01.2016

Wasserwerke widersprechen Minister-Erlass

Welt am Sonntag (WamS) , 04.11.2007 von David SCHRAVEN

Der Skandal um belastetes Trinkwasser im Ruhrgebiet geht weiter. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" haben mehrere Wasserwerke an der Ruhr in den vergangenen Wochen Widerspruch gegen einen Erlass von NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) eingelegt, der die Wasserwerke schon im August verpflichtet hatte, "unverzüglich und dauerhaft" Reinigungsanlagen zu betreiben, die geeignet sind, giftige Perfluorierte Tenside (PFT) aus dem Trinkwasser herauszufiltern.


Uhlenberg hatte den Erlass angeordnet, nachdem vor allem die Wasserwerke Westfalen ihre provisorischen Reinigungsanlagen über mehrere Monate abgeschaltet hatten und daraufhin die PFT-Werte im Trinkwasser des Reviers an vielen Stellen wieder über den Grenzwert von 100 Nanogramm je Liter gestiegen waren. Diesen Wert hält die Trinkwasserkommission des Bundes zwar für unbedenklich. In einem internen Vermerk kritisiert die Bezirksregierung Arnsberg als Aufsichtsbehörde jedoch die Wasserwerke. Diese hätten "den PFT-Gehalt im Trinkwasser nicht in dem Maße reduziert, wie dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar gewesen wäre".


Vom Uhlenberg-Erlass sind vor allem die Wasserwerke Westfalen betroffen, ein Tochterunternehmen der Gelsenwasser AG. Über seine acht Wasserwerke entlang der Ruhr produziert die Firma jedes Jahr rund 108 Millionen Kubikmeter Trinkwasser. Die restlichen Wasserwerke an der Ruhr produzieren zusammen nur etwa 30 Millionen Kubikmeter Trinkwasser.


In einem Schreiben vom 29. August, das der "Welt am Sonntag" vorliegt, erklärten die Wasserwerke Westfalen gegenüber der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg ihren Widerspruch gegen den Uhlenberg-Erlass. Gründe für ihren Schritt nannte die Firma nicht.


Gleichzeitig erklärten die Wasserwerke Westfalen, die provisorischen Anlagen "dauerhaft zunächst bis zum 31. Dezember weiter zu betreiben." Was danach kommt, bleibt offen. Statt den Uhlenberg-Erlass umzusetzen, verabredeten sich die Gelsenwasser-Vorstände Manfred Scholle und Bernhard Hörsgen mit dem Staatssekretär im Umweltministerium Alexander Schink (CDU), wie aus internen E-Mails der Umweltbehörden hervorgeht. Auf dem kurzen Dienstweg formulierten die drei Herren am 8. September offenbar die Grundlage für ein Folgegespräch mit Vertretern der Wasserwirtschaft und dem Ministerium zwei Wochen später.


Am 24. September ging es dann ans Eingemachte. Laut einem verwaltungsinternen Protokoll der Sitzung appellierte der für die Wasserwirtschaft zuständige Abteilungsleiter im Umweltministerium an die Wasserwerke, dass "diese nun auch ohne rechtliche Verpflichtung kurzfristig zur Zusammenarbeit bereit sein" müssten, gerade weil die Deregulierungen der Landesregierung im Wassergeschäft "bares Geld für die Wasserwerksbetreiber bedeuteten". Aus dem vorliegenden Protokoll geht hervor, dass sich die Umweltbehörden mit den Wasserwerken auf keine unmittelbare Verbesserung einigen konnten.


Stattdessen spielen die Beteiligten auf Zeit. So wird zunächst eine Anfrage an die Trinkwasserkommission des Bundes "abgestimmt", welche Werte am besten einzuhalten seien, heißt es. "Ergebnisse werden gegen Mitte 08 erwartet." Zudem wollen die Wasserwerke noch einmal grundsätzlich über alle Grenzwerte "für die nicht explizit genannten Stoffe" sprechen.
Doch trotz dieser Situation denken die Beteiligten daran, noch im November einen öffentlichkeitswirksamen Durchbruch zu verkünden. Wie aus dem Vermerk hervorgeht, soll ein Papier unterzeichnet werden, das der Arnsberger Vereinbarung von 2006 gleicht, in der sich die Wasserwerke verpflichtet hatten, freiwillig die Wasserqualität der Ruhr zu verbessern.


In dem neuen Papier sollen nun "konkrete Maßnahmen" festgelegt werden. Was das bedeutet, wird erst im Detail klar: Über die Zusagen aus dem vergangenen Jahr hinaus werden nach einer internen Aufstellung der AWWR offenbar kaum weitere Maßnahmen geplant. Stattdessen verkaufen vor allem die Wasserwerke Westfalen ein lange bekanntes 40-Millionen-Euro-Investitionsprogramm als Neuigkeit. Mit dem Geld sollen nur zwei von acht Anlagen mit Filtern nachgerüstet werden, die über eine Berieselung mit Aktivkohle hinausgehen.