In Deutschland neigt sich die Ära des Kanzlers Gerhard SCHRÖDER dem Ende zu. Eine große Arbeitsmarktreform (Hartz IV) führt zu Demonstrationen im Land und zu Unruhe auch in seiner SPD. Die Partei rutscht in Umfragen ab. Als im Mai die Landtagswahlen in NRW verloren gehen und das bevölkerungsstärkste Bundesland an die CDU fällt, kündigt SCHRÖDER noch am Abend eine um ein Jahr vorgezogene Bundestagswahl im Herbst an. Im Spätsommer besagen die Umfragen, dass die SPD auch die Bundestagswahl verlieren wird, und das Magazin „Focus“ meldet zeitnah unter Berufung auf russische Kreise, PUTIN wolle für diesen Fall Gerhard SCHRÖDER beruflich auffangen und in russischen Gaskonzernen unterbringen. Später bestätigt die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung", dass die Entscheidung dazu vor der Wahl gefallen sein soll.
Im Frühjahr war festgelegt worden, dass der endgültige Vertrag über den Bau der neuen Ostsee-Pipeline im Oktober unterzeichnet werden soll. Doch die Regierungen in Berlin und Moskau ziehen die Unterzeichnung auf einen Termin vor der Bundestagswahl vor, wohl um die Realisierung vom Wahlausgang unabhängig zu machen. So treffen sich am 8. September, zwei Wochen vor der Wahl, PUTIN und SCHRÖDER in Berlin im Hotel Intercontinental und unterschreiben. Es ist der Start für das Projekt Nord Stream. Man feiert. „Ein historischer Tag“, stellt SCHRÖDER fest. „Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich in langen Gesprächen mit dem Herrn Präsidenten für ein Umfeld gesorgt habe, das diese Form der Zusammenarbeit ermöglicht hat“. PUTIN's Antwort: Er werde, ungeachtet der Position SCHRÖDERs, mit „dem Herrn Bundeskanzler weiter sehr gute Beziehungen unterhalten“. Seine gute Stimmung gibt SCHRÖDER auf Wahlkundgebungen weiter: „Heute sind Deutsche und Russen einander so eng verbunden wie nie zuvor“.
Am 22. September verlieren Gerhard SCHRÖDER und seine rot-grüne Regierungskoalition nach sieben Jahren Amtszeit bei der Bundestagswahl ihre Parlamentsmehrheit. CDU/CSU haben einen sehr knappen Vorsprung vor den Sozialdemokraten und unter ihrer Spitzenkandidatin Angela MERKEL die Möglichkeit einer Koalitionsbildung. Wochenlange Verhandlungen beginnen, an deren Ende die Bildung einer großen Koalition mit der CDU-Kanzlerin MERKEL stehen. SCHRÖDER wird die politische Bühne verlassen.
Was in den Tagen nach der Wahl und während den folgenden Wochen der Koalitionsverhandlungen hinter den Berliner Kulissen vor sich geht, bleibt in Teilen über Monate und Jahre oder auch bis heute unklar.
- Am 10. Oktober berichten deutsche, britische und russische Medien, Gerhard SCHRÖDER sei eine Position bei Gazprom angeboten worden. Die SPD weist das als „übles Gerücht“ zurück“.
- Am 28. Oktober unterschreibt Bundeswirtschaftsminister Wolfgang CLEMENT (SPD) die Vorlage für eine Bürgschaft über eine Milliarde Euro. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass die Nord Stream-Gesellschaft eine auf russischem Boden zu bauende Zubringerpipeleine zum ausgehandelten Unterwasser-Projekt finanziell schultern kann.
- Der Vorgang bleibt zunächst geheim und wird erst fünf Monate später durch ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums an den Bundestag bekannt, um das Parlament über die eingegangene finanzielle Verpflichtung zu informieren. Es handelt sich um die höchste Bürgschaft, die je von einer Bundesregierung abgesichert wurde. Wusste SCHRÖDER davon? „In meiner Regierungszeit hatte ich keinerlei Kenntnis von einem solchen Vorschlag und war deshalb auch nicht damit befasst“, versicherte er 2006. Nord Stream verzichtet auf die Inanspruchnahme der Bürgschaft.
- Anfang November erhält SCHRÖDER, da immer noch amtierender Kanzler, Unterlagen über den geplanten Spatenstich von Nord Stream am 9. Dezember.
- Am 22. November wird Angela MERKEL im Bundestag zur Kanzlerin gewählt und löst Gerhard SCHRÖDER ab.
- Am 9. Dezember findet bei Babajewo nördlich von Moskau der erste Spatenstich des Milliardenvorhabens Nord Stream statt. Gleichzeitig informiert Gazprom, Alt-Bundeskanzler SCHRÖDER werde den Aufsichtsratsvorsitz der Gazpromtochter Nord Stream übernehmen. Sein Jahresgehalt in dieser Position liegt offiziell bei 250 000 Euro, die er neben seinen Einnahmen als Altkanzler bezieht.
Zum Datum des Gazprom-Angebots, den Chefposten beim Aufsichtsrat von Nord Stream zu übernehmen, äußert sich der Ex-Kanzler in einem Handelsblatt-Interview am 02.April 2006 so:
Handelsblatt: Wann haben Sie sich denn für die Übernahme des Mandats entschieden?
SCHRÖDER: "Ich bin mit dieser Frage im November 2005 konfrontiert worden und hatte zunächst abgelehnt. Nicht der Sache wegen, sondern weil ich mich eigentlich auf Beratung konzentrieren und beruflich keine festen Bindungen eingehen wollte."
Handelsblatt: Aber einige vermuten, dass Vorentscheidungen bereits im September fielen, also noch in Ihrer Amtszeit?
SCHRÖDER: "Das ist falsch. Wie gesagt wurde das Thema erstmals im November an mich herangetragen. Am 9. Dezember bin ich dann der Bitte des russischen Präsidenten nachgekommen. Ich kann daran nichts falsches sehen."