Familie HATJE und das Hotel Silber - eine kleine Chronologie
1874
Das Hotel Silber wird eröffnet. Erbauer und Eigentümer: Heinrich SILBER
1888
Lina HATJE wird in Breslau als Kind jüdischer Eltern geboren
1914
Lina HATJE heiratet ihren Mann Johann
1915
Sohn Gerhard wird geboren
1919
Das Hotel Silber wird umfunktioniert zur Generaldirektion der Reichspost
1920
Geburt der Tochter Elsa
1928
Das Hotel Silber wird, weil es zentral gelegen ist, Polizeipräsidium
1. Mai 1933
Die Eisenbahngewerkschaft, der der Vater Johann als Bezirksleiter vorsteht, wird von den Nazis zerschlagen. Nachdem Johann HATJE die Kasse der Gewerkschaft nicht freiwillig herausgibt, landet er im Gefängnis, in der „Büchsenschmiere“ in der Büchsenstrasse
15.09.1935
Die Nürnberger Gesetze, auch Nürnberger Rassengesetze genannt, werden vom 7. Reichsparteitag der NSDAP verabschiedet. Geistiger Vater und Autor des Gesetzes: Hans Josef Maria GLOBKE.
Ministerialdirigent GLOBKE wird später unter Konrad ADENAUER, dem ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Chef des Bundeskanzleramts. Er wird seinen neuen 'Chef' von 1953 bis 1963 bis zu dessen Rücktritt begleiten. Für seine politischen Leistungen erhält er das "Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland"
1936
Jetzt ziehen in der Dorotheenstrasse 10, dem Hotel Silber, die Nazis ein. Das ehemalige Hotel dient der Gestapo als Zentrale für Stuttgart
1940
Elsa HATJE, die Tochter von Lina und Johann, bekommt ein Kind: Uschi. Lina und Johann HATJE sind jetzt Großeltern
23.12.1942
Vater und Großvater Johann hat Geburtstag. Er geht ins Kino. Seine Frau Hatje und Tochter Elsa bleiben der Umstände wegen - sie sind jüdisch und dürfen deshalb nicht in ein (arisches) Kino - zu Hause.
Nur wenig später steht die Gestapo in der Wohnung und nimmt Lina HATJE und Tochter Elsa zum Verhör mit ins Hotel Silber. Lina wird dort verhört. Man behält sie gleich da.
Die Familie darf die Lina in der Gestapo-Zentrale besuchen. Sie wird im Nachhinein als „gebrochene Frau“ bezeichnet, obwohl sie sonst immer stark war
01.01.1943
Die Gestapo verfrachtet Lina HATJE vom Hotel Silber nach Rudersberg in ein Arbeitserziehungslager
27.01.1943
"Mir geht’s es soweit ganz gut“, steht auf ihrer ersten Postkarte
12.03.1943
Die nächste Postkarte ist bestimmt von Hoffnung auf baldige Freilassung
21.02.1943
Die letzte Postkarte ist mit zittriger Handschrift geschrieben. Sie beschreibt, wie krank und erschöpft sie ist. Sie befindet sich auf dem Weg nach Ausschwitz
21.03.1943
Lina HATJE wird im Todeslager Ausschwitz vergast. Todeszeitpunkt 12 Uhr 00 Minuten steht es wenig später in einem Brief. Offiziell ist sie an Sepsis und Phlegmone gestorben
Mitte Juni 1943
Eine Mitinsassin aus dem Lager Rudersberg erkundigt sich bei der Familie HATJE in Stuttgart nach ihrer Leidensgenossin Lina und erzählt, dass Lina es noch schwerer hatte als Jüdin im Arbeitslager.
Tochter Elsa verkraftet das nur schwer und muss psychologisch betreut werden
1949
Nach dem "Tausendjährigen Reich" wird das Gebäude des Hotel Silber zum erstenmal seit 1945 wieder bezogen. Jetzt benutzt es die Kriminalpolizeit bzw. eine Polizeidienststelle
1956
Elsa HATJE's zweite Tochter Caroline wird geboren
1984
In das ehemalige Hotel Silber in der Dorotheenstrasse 10 zieht jetzt das Baden-Württembergische Innenministerium ein
2009
Die Bürgerinitiative „Die AnStifter“ arbeiten ein Konzept zum Erhalt des Hotel Silber als Gedenkstätte aus.
Der Dachverband der Jugendverbände fordert ebenfalls den Erhalt des Gebäudes als Gedenkstätte oder aber eine entsprechenden Ausgleich als Ersatzgedenkstätte
Anfang 2010
Treffen der beiden Cousinen Uschi und Caroline HATJE in Stuttgart
während des Jahres 2010
Caroline HATJE, die Enkelin von Lina, steht nahe der Dorotheenstrasse 10 auf dem Karlsplatz in Stuttgart und verteilt Flugblätter gegen den Abriss des Hotels, der ehemaligen Gestapozentrale. Sie wirbt für den Erhalt und Bau einer Gedenkstätte an selbiger Stelle
(WJ)
Online am: 08.01.2016
Inhalt:
- Ehemalige GeStaPo-Zentralen in Deutschland: Ein Überblick
- In einer finsteren Nacht
- Familie HATJE und das Hotel Silber - eine kleine Chronologie
- Vermächtnis eines Vaters
- Weg(e) der Erinnerung in Stuttgart
Tags:
History | Michael OHNEWALD | Reportage | Stuttgarter Reportagen | Stuttgarter Zeitung