In der Nobel-Gaststätte "Messerschmitt" sitzen - nach den feierlichen Kundgebungen zum 9. November auch in Bamberg - spätabends die Bamberger Parteifunktionäre beim Bier zusammen. Die Bamberger Nazi-Bonzen treffen sich nicht irgendwo, sondern pflegen dies in Bamberg erster Adresse in der Langestraße zu tun.
Einziges Gesprächsthema dieses Abends: die Schüsse von Paris und der Tod des Botschaftsrates. Es herrscht schon die ganze Zeit eine unruhige Spannung, da wird plötzlich der NSDAP-Kreisleiter Lorenz ZAHNEISEN ans Telefon gerufen. Am anderen Ende: die Gauleitung in Bayreuth.
Kaum vom Telefon zurück schrillt die Stimme ZAHNEISEN's durch den Saal: »Einheitsführer raus!«
Im sogenannten Schlauchzimmer geben er und sein Kreispropagandaleiter Bergner bekannt, "daß auf Befehl von oben die Synagogen zerstört werden müssen. Die Polizei ist verständigt und wird nicht einschreiten. Außerdem sind die Fernsprecher für Zivil gesperrt". Auf die Frage, woher denn so schnell "Einbrecherwerkzeug" nehmen, bietet der Sturmführer des "Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK)" DÖRNBERGER, der Besitzer der ganz in der Nähe gelegenen "Luisengarage" ist, seine Hilfe und sein Werkzeug an.
Als die mit entsprechender Ausrüstung und Benzinkanistern bewaffneten Parteimänner an der Synagoge in der Herzog-Max-Straße eintreffen, waren andere schon schneller: SA-Sturmführer HERTEL und Sturmbannführer SAUER geben ihren Mannen die Kommandos: Inneneinrichtung zerstören, zerschlagenes Holz und Stoff vor dem Altar zusammenlegen, Benzin drüber und Feuer an!
Inzwischen haben sich nicht nur weitere NSKK-Leute eingefunden, jetzt hat auch die alte Parteigarde ihren Stammplatz bei »Messerschmitt« mit dem Ort, 'wo es 'was zu sehen gibt', getauscht. Die Neugier über das aufregende Spektakel treibt auch immer mehr Zivilisten dazu. Kreisleiter Lorenz ZAHNEISEN, der gerade von einem »Kontrollgang« durch die Innenstadt zurückkommt: "Das Feuer brennt doch gar nicht richtig!"
Weitere Brandherde auf der Empore und unter der Dachkuppel bringen das Feuer erst richtig in Gang. Gegen 1 Uhr 10 taucht die Feuerwehr auf. Der anwesende Staatsanwalt SPIEß zum Löschtrupp: die Feuerwehr solle sich nicht um Dinge kümmern, die sie nichts angingen! Als der Stahlrohrführer des ersten Löschzuges, Georg KREISER, trotzdem versucht, mit seinem Löschrohr in den Vorraum der Synagoge zu gelangen, wird er von den betrunkenen SA- und NSKK-Männern, die mit Eisenprügeln Wache stehen, hinausgescheucht. Gegen 2 Uhr schlagen die Flammen durch die Fenster.
Zu dieser Zeit wird der Vorsteher der jüdischen Kultusgemeinde, Wilhelm LESSING, von allen »Willy« LESSING genannt, per Telefon aus dem Schlaf gerissen. Willy LESSING, früher mit dem Berliner Bier-Pionier und Ex-Generaldirektor Ignatz NACHER aus Berlin an mehreren bayerischen Brauereien, u. a. an der Hofbräu in Bamberg und der Henninger Reifbräu in Erlangen (beide firmieren heute unter »Patrizierbräu«) sowie kleineren Braustätten in Weiden und in Lichtenfels gemeinschaftlich beteiligt, ist schon lange enteignet. Die Aktienanteile befinden sich zum größten Teil im Besitz des »Eidenschink-Konsortiums« in München bzw. sind inzwischen weiterverkauft - mit einem Gewinn von 511.934 Mark.
Willy LESSING, seines Vermögens und seiner Einkommensquelle total beraubt, bleibt trotzdem in seiner Heimatstadt. Er kümmert sich als Gemeindevorsteher um die immer dringlicher werdenden Nöte und täglichen Sorgen seiner Gemeindemitglieder.
Im Mantel, den Hut ins Gesicht gedrückt, steht Willy LESSING auf der Urbanstraße in Höhe der Gastwirtschaft »Krug zum grünen Kranze« (heute: »Ristorante Paolo«), von wo er schon die lodernden Flammen aus dem Gotteshaus sehen kann, vor einer Absperrkette aus SA-Männern, die ihn erkennen und ihrem Mannschaftsführer einen Wink geben. Der geht auf Willy LESSING zu und versetzt ihm einen Hieb gegen die Brust: LESSING taumelt benommen zurück. Die SA-Männer, von dem Schauspiel der Zerstörung schon richtig aufgeheizt, machen sich ein Vergnügen, indem sie den Gemeindevorsteher unter lautem Gegröle die Urbanstraße zurückscheuchen bis LESSING mit dem Rücken am Gartengitter des Eckhauses Herzog-Max-Straße/ Amalienstraße Nr. 8 steht, die SA-Leute direkt vor ihm. "Du Saujude", "Dreckjude", "Stinkjude" - fünf SA'ler haben endlich Gelegenheit, ihren aufgestauten Haß auszuleben: Die jungen und kräftigen Kerle schlagen den 57jährigen mit Fäusten in den Bauch und ins Gesicht, treten ihn mit ihren gespornten Uniformstiefeln, werfen ihn an das Eisengitter zurück. LESSING fällt in sich zusammen. Die SA-Männer sind noch nicht fertig: Sie reißen ihn wieder hoch, lehnen ihn am Gartengitter an, zwingen ihn zu sprechen, er sei ein "Saujude", ein "Dreckjude", ein "Stinkjude", schlagen ihn erneut zusammen und trampeln, als LESSING flach auf dem Gehweg liegt, mit ihren Uniformstiefeln auf dem regungslosen Menschenkörper herum. Sie lassen ihn einfach liegen.
Willy LESSING, der sich irgendwann wieder aufraffen kann und sich taumelnd die Gitter entlang nach Hause in die nicht weit entfernte Sophienstraße Nr. 8 (heute "Willy-Lessing-Straße") schleppen kann, bricht dort zusammen. Als LESSING's Frau, zu Tode erschrocken, ihren Mann, so gut das überhaupt geht, verbinden möchte, brechen draußen von der Straße her Zivilisten die Haustür ein, stürzen sich auf den Halbtoten, schlagen ihn so, wie sie ihn finden, mit den Fäusten auf den Rücken, zerren ihn die Treppe herunter auf die Straße, lassen ihren Haß nochmals mit Fäusten aus und schleifen ihn bis zur Hausnummer 4.
Erst jetzt lassen sie von ihm ab und ziehen weiter. Ein Teil der Zivilisten hat derweil einen Korb Holzwolle in der Wohnung angezündet. Als die Flammen schnell um sich greifen und die deutschen "Christen" in Zivil um die angrenzenden Häuser ihrer Volksgenossen fürchten, löschen sie das Feuer an Ort und Stelle und türmen.
Es ist gerade 3 Uhr, als sich Willy LESSING, blutverschmiert mit letzter Kraft nochmals nach Hause schleppen kann. "Lessing stand von seinem Bette nicht mehr auf", wird das Gerichtsprotokoll später konstatieren.