Der Hamburger Verleger Axel SPRINGER zählte Anfang der 60er Jahre zu den schillernsten und mächtigsten Figuren der Medienwelt, die damals vor allem aus Tageszeitungen und Zeitschriften bestand. Den Marktanteil des Verlages bezifferte ein Untersuchungsbericht, den der Deutsche Bundestag in Auftrag gegeben hatte (GÜNTHER-Kommission) auf
- 39% bei den Tageszeitungen (inkl. BILD-Zeitung)
- 82% bei den überregionalen Tageszeitungen (inkl. BILD-Zeitung)
- und auf 48% bei den Publikumszeitschriften (z.B. Hörzu).
In den beiden großen Städten Hamburg und Berlin lag dieser bei rund 70%.
SPRINGER, der sich besonders narzisstisch darstellte, viel Zeit in weißem oder feinem Tuch auf Golfplätzen oder erlauchten Empfängen verbrachte, stand politisch der CDU nah. Sein eigentliches Credo indes bestand vor allem in Anti-Kommunismus. So ließ er die damals bereits bestehende DDR (Deutsche Demokratische Republik) in all seinen Blättern als „Zone“ schreiben. Als der zweite deutsche und real existierende Staat international anerkannt war, mussten seine Redakteure die drei Buchstaben in Anführungszeichen setzen: „DDR“. Politisch Handelnde und alles, was nicht dieselbe klare Linie bezog, galt als „links“.
Axel SPRINGER’s Redakteure mussten sich aber nicht nur an dieser politischen Leitline orientieren, die jeder Redakteur in seinem Arbeitsvertrag unterschreiben musste. SPRINGER’s eigentliche Religion aber war das Geschäft und die Macht. Allen voran die BILD-Zeitung, deren Umsatz auch heute noch zu rund der Hälfte aus Gewinn besteht – eine “Inszenierung, ein Volksstück, das die Kassen füllt, aber auch seine gefährlichste Waffe, der Kettenhund des Volkstribunen“, wie es der Ex-stern-Chefredakteur Michael JÜRGS in seiner Biografie über den „Fall Axel SPRINGER“ formulierte.
Die „SPIEGEL-Affäre 1962, die sich über immerhin fünf Wochen erstrecken sollte, bis sie einen vorläufigen Schlusspunkt mit dem Rücktritt von Franz Josef STRAUSS und einer neuen Bundesregierung ohne STRAUSS fand, wurde schnell zu einem Problem für den charismatischen Zeitungszaren: Wie sollte/wollte er über Rudolf AUGSTEIN und sein Nachrichtenmagazin berichten (lassen)? AUGSTEIN war alles andere als (s)ein Bruder im Geiste oder gar ein befreundeter Verleger. Schließlich hatte DER SPIEGEL oft genug seine spitze Feder auch gegen die SPRINGER-Blätter eingesetzt. Auf der anderen Seite hatte gerade dieser Vorgang die Menschen sensibilisert wie wenig andere Ereignisse. Axel SPRINGER sah sich deshalb in einer Zwickmühle. Insbesondere bei seinen drei in Hamburg erscheinenden Tageszeitungen.
Wie die Redakteure, die zum großen Teil die Invasion in den SPIEGEL als klaren Affront gegen die Presse betrachteten, mit der Berichterstattung und Kommentierung dieser Vorgänge umgingen, wird im nachfolgenden analysiert: anhand der wichtigsten Ereignissen dieser „Affäre“.
Zuvor eine kleine Skizze der hier untersuchten Zeitungen.