Da, wo in Lüneburg heute ein Bio-Supermarkt steht, direkt hinter dem Bahnhof, war vormals das Schützenhaus. Ein augesprochen beliebter Ort des geselligen Zusammenseins in allen seinen Formen der 60er Jahre.
Am Freitag, den 16. November 1962 gab es dort eine ausgesprochen ungewöhnliche Versammlung: eine Podiumsdiskussion, die an die 3 (in Worten: drei) Stunden dauerte. 700 Lüneburger saßen innen im Warmen und lauschten gespannt, draußen hörten weitere 200 Menschen in klirrender Kälte den Lautsprechern zu. So steht es jedenfalls in einem fast ganzseitigen Bericht der Lüneburger Landeszeitung (siehe aktives Bild).
Wir haben einen gefunden, der dort auf dem Podium saß und mitdiskutiert hatte: Herbert LUDZ, damals 29 Jahre alt und junger Redakteur bei der Illustrierten stern.

SPIEGEL-Affäre 1962: Protest in Lüneburg


Stellt man sich vor, dass Lüneburg damals rund 60.000 Einwohner hatte und auch noch keine Universität und rechnet man die 900 Zuhörer innen und draußen auf die Einwohnerschaft um, dann wären das 1,5% der Lüneburger, die da gebannt den Diskutanten lauschten.
Vergleicht man diese Zahl mit der Podiumsdiskussion, die in Hamburg im Audimax der Universität am 1. November stattgefunden hatte und bezieht die Zuhörer von etw 2.300 auf die Hamburger Einwohnerschaft, dann waren es im Städtchen Lüneburg rund 10 Mal so viel. Offenbar ein Ort, in dem sich die Menschen für Politik bzw. die Vorgänge um denSPIEGEL interessiert hatten.
Schauen Sie sich das Foto vergrößert an (Mausklick!). Der Fotograf Josef MAKOVEC hat es im Auftrag der Lüneburger Landeszeitung gemacht. Man erkennt geradezu, wie aufmerksam die Zuhörer den Diskussionsverlauf verfolgen, obwohl auf dem Podium keine Streithähne saßen, die schon deswegen für Unterhaltung und Spannung gesorgt hätten. Auf dem Podium wurde über Fragen der Politik und der Pressefreiheit diskutiert. Etwas, wofür sich die Menschen interessieren.
(JL)
Online am: 07.02.2016
Inhalt:
- "Wir haben einen Abgrund von Landesverrat": die SPIEGEL-Affäre im Überblick
- Die SPIEGEL-Affäre bis zur Invasion im Oktober 1962 - Chronologie Teil I
- SPIEGEL-Affäre 1962: das Vorspiel seit 1957 im Detail
- SPIEGEL-Affäre 1962: die Invasion am 26. Oktober
- Journalistische Solidarität und "Hamburger Kumpanei" bei der SPIEGEL-Affäre
- SPIEGEL-Affäre und Protest: Die Zivilgesellschaft geht auf die Strasse
- Protest in Hamburg: Der 31. Oktober und der 1. November
- SPIEGEL-Affäre 1962: Protest in Lüneburg
- Die Kubakrise. Wie sie die SPIEGEL-Affäre beeinflusst
- Die SPIEGEL-Affäre: Wie es nach der Invasion weitergeht (Chronologie Teil II)
- Wie die Wahrheit bei der SPIEGEL-Affäre scheibchenweise ans Tageslicht kommt
- Das (juristische) Ende der SPIEGEL-Affäre - Chronologie Teil III
- Was sich nach der SPIEGEL-Affäre ändert
- Die SPIEGEL-Affäre in Illustrationen, Karikaturen und Comics
- Porträts zu den Akteuren der SPIEGEL-Affäre
- SPIEGEL-Affäre: ABC der Akteure
- ABC der Zeitzeugen in der SPIEGEL-Affäre
- Axel SPRINGER und die SPIEGEL-Affäre: ein Verleger in der Zwickmühle
- Literatur und Quellen zur SPIEGEL-Affäre
- Das hamburgweite Projekt "50 Jahre SPIEGEL-Affäre 1962"
- Die Partner, das Team
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