Die Berichte der Rhein-Zeitung seit der Landtagswahl 2011 bis zum Einlenken der SPD, 30.07.2011

von Ursula SAMARY

Grüne erleben im OLG Koblenz keine Eiszeit

Wird der Streit um das Koblenzer Oberlandesgericht zur schweren Belastungsprobe für die rot-grüne Landesregierung? Die SPD mit Ministerpräsident Kurt Beck will unbedingt die Verlagerung des Gerichts ins ferne Zweibrücken. Und der Koalitionspartner? Obwohl Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler kein Mann der lauten Töne ist, lässt er sich beim Besuch im OLG Koblenz seine Entschiedenheit anmerken, dass mit ihm „keine Reform nur der Reform willen“ zu machen ist. Außerdem will er auch eine „bürgernahe und effiziente Justiz“.

Damit bricht er das Eis im OLG-Sitzungssaal, als er sich die Argumente des Vizepräsidenten Bernd Sator, des Präsidiums, des Richter- und Personalrats mehr als zwei Stunden anhört. Ein sachlicher Gesprächston statt scharfes Kreuzverhör beherrscht die Szene, ganz anders als beim Besuch von Justizminister Jochen Hartloff (SPD) im OLG. Und: Die Grünen wollen den Gesprächsfaden mit den Koblenzer Richtern nicht abreißen lassen, die gegen die OLG-Auflösung und den Umzug nach Zweibrücken kämpfen. Die Zusage lautet: Wenn die von Hartloff eingesetzte Kommission Zahlen zum Sparvolumen vorlegt, wollen die Grünen mit OLG-Vertretern prüfen, wie belastbar sie sind und welche Nachteile damit den Beschäftigten, Bürgern, und Steuerzahlern drohen könnten.

Schwieriger Spagat


Köbler ist anzumerken, dass er einen Spagat zwischen Koalitionstreue und Verständnis für das Anliegen der nördlichen Region hinlegen muss. Aber er wird beim verfolgten Einsparziel auch deutlicher als Hartloff: „Eine siebenstellige Summe im Jahr ist die Messlatte“, erklärt der Fraktionschef. Bei einem solchen Ergebnis sind die Grünen gegenüber dem Koalitionspartner auch „vertragstreu“, ergänzt er. Konkreter will er noch nicht werden.

Aber er betont auch, dass es um eine echte Einsparsumme handeln muss. OLG-Richter gehen davon aus, dass 1 Million Euro nicht einzusparen sind, wenn Umzugs- sowie Investitionskosten in Zweibrücken oder auch Trennungsgelder gegengerechnet werden. „Eine Verlagerung des OLG nach Zweibrücken frisst Einsparungen auf und widerspricht der Schuldenbremse“, sagt Richterratsvorsitzender Peter Itzel.

Dass dem grünen Tross neben den Landtagsabgeordneten Katharina Raue und Nicole Müller-Orth aus der Koblenzer Region auch der Landesvorsitzende Uwe Diederichs-Seidel (Koblenz) angehört, soll dem OLG zeigen: Auch die Partei schaut aufmerksam auf die Entwicklung am OLG, die Bürger wie Richter auf die Barrikaden treibt. „Die Reform ist daran zu messen, ob sie Rheinland-Pfalz nach vorn bringt“, erklärt der grüne Landeschef. Intern und abseits der Mikrofone betonen Grüne selbstbewusst: „Wir werden uns in der Koalition auch nicht entmündigen lassen.“

OLG-Vize Sator wirkt nach dem Gespräch zufrieden, weil es den Grünen nach seinem Eindruck auf substanzielle Einsparungen ankommt und weil sie Vor- und Nachteile abwägen wollen, „bevor bewährte Strukturen in Koblenz zerschlagen werden“. Für den Richterratsvorsitzenden Itzel bleibt letztlich nur der unterschiedliche Standpunkt, dass sich mit der Rechtsprechung auch Strukturpolitik für Zweibrücken machen lässt. Köbler rechnet damit, dass Hartloff unmittelbar nach der Sommerpause erste Einsparziele vorgibt. „Das ist ja im ureigenen Interesse.“ Es kursiert schon die Zahl von 1,3 Millionen Euro. Wie belastbar die Summe ist, wird sich in der Arbeitsgruppe zeigen, in denen die Oberlandesgerichte und Generalstaatsanwaltschaften vertreten sind. Wann sich Einsparungen im Haushalt auswirken, lässt Köbler offen, zumal noch ein Volksbegehren droht. „Das müssen wir dann auch aushalten“, meint der Spitzengrüne. Seidel ergänzt, dass die Grünen dies nicht provozieren wollen.

Angst vor Besetzungsrüge


Eventuell muss ohnehin neu gerechnet werden: Bestätigt das Oberverwaltungsgericht (OVG) das erstinstanzliche Urteil, wonach der Chefposten am Oberlandesgericht schnell besetzt werden muss, „wird das Recht zur Geltung gebracht“, sprich das Urteil umgesetzt. Das versichert Köbler im historischen Sitzungssaal. Die Tatsache, dass auch nach der Einschätzung des Verwaltungsgerichts Koblenz das OLG wegen des seit Monaten unbesetzten Präsidentenpostens nicht mehr ordnungsgemäß besetzt ist, bereitet den OLG-Richtern Sorge. Denn eine darauf fußende Besetzungsrüge könnte dramatisch enden. „Was ist, wenn ein Sicherungsverwahrter deshalb plötzlich freikommen muss?“, heißt es immer wieder auf Koblenzer Fluren.

Köbler wirkt am Ende des langen Besuchs etwas erschöpft. Dabei erwartet ihn bei der Sommertour die nächste große rot-grüne Baustelle: Der Streit um den Ausbau der B 10 in der Pfalz.

Der Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Hans-Josef Bracht, sieht Rot-Grün nach Köblers Besuch beim Oberlandesgericht Koblenz schon „in einer Ehekrise“. Aus seiner Sicht stellt Köbler „fast nicht einlösbare Bedingungen für die Schließung des Oberlandesgerichts“. Die CDU will im Rechtsausschuss des Landtags auch wissen, wie es um das Besetzungsverfahren am OLG steht und was den Steuerzahler der Rechtsstreit bereits gekostet hat. 

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2012

Die Menschen hinter dieser Geschichte: