Die Berichte der Rhein-Zeitung zwischen den Landtagswahlen 2006 und 2011, 25.11.2010

Zwei Leserbriefe an die Rhein-Zeitung

Leserbrief 1


„Als Minister gegen das Recht“

Für alle billig und gerecht Denkenden war das Vorgehen von Heinz Georg Bamberger spätestens ab dem Moment nicht mehr nachvollziehbar, an dem er sich zur Blitzernennung von Herrn Bartz entschloss, obwohl ihm klar sein musste, dass der zu Unrecht nicht ernannte alle ihm dagegen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe nutzen wird. Jemand, der so handelt, wird sich auch durch die nachträgliche „Verurteilung“ seines Tuns durch zwei oberste Gerichte – das Bundesverfassungs- und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG ) – kaum zur Einsicht in das dem Koblenzer Landgerichtspräsidenten Graefen angetane Unrecht und in die Notwendigkeit des eigenen Rücktritts bringen lassen.

Am unverfrorensten aber sind die aus SPD-Kreisen gegebene, offenbar rechtfertigend gemeinte Begründung für das rechtswidrige Tun des der eigenen Partei angehörenden Ministers und seine Weigerung, deswegen zurückzutreten: Zwei Bundesgerichte hätten ihre Rechtsprechung geändert.

Das ist gleich zweifach falsch. Erstens hat das BVerwG schon lange vor der jetzigen Entscheidung festgestellt, dass die „Ämterstabilität“ nicht gilt, wenn ein Dienstherr Grundrechte seiner Bediensteten verletzt und den Rechtsschutz gegen seine Maßnahmen vereitelt. Und zweitens gab es auch bis zu der aktuellen Leipziger Entscheidung keine Rechtsprechung, die es dem Dienstherrn erlaubt hätte, die Grundrechte der eigenen Bediensteten zu verletzen und ihnen in deswegen anhängigen Rechtsstreiten den Rechtsweg abzuschneiden. Dass das dem Juristen Bamberger bewusst war, wird er selbst kaum bestreiten.

Das BVerwG hat jetzt – zum zweiten Mal – lediglich deutlich gemacht, dass das vermeintliche Schlupfloch, das Bamberger zur Erreichung seines Zweckes, den er mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht erreichen konnte, nämlich Herrn Bartz statt Herrn Graefen auf dem Dienstposten des OLG-Präsidenten in Koblenz zu fördern, nutzen wollte, verschlossen ist. Dieses Schlupfloch – im Vertrauen darauf, dass wegen der sogenannten Ämterstabilität das eigene rechtswidrige Tun folgenlos bleibt – setzt aber zunächst einmal rechtswidriges Tun voraus. Die ebenfalls rechtswidrige anschließende „Blitzernennung“ sollte dann die Früchte des vorangegangenen rechtswidrigen Handelns endgültig sichern. Dass das kein Bundesgericht mitmachen würde, war so klar, wie es unklar ist, wieso die beiden rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichte den eigenen Justizminister nicht schon früher gestoppt haben. Es wäre ein Akt der Fürsorge für den eigenen Chef gewesen.

Der eigentliche Skandal ist nicht, dass Bamberger nicht zurücktreten will, sondern dass er als Justizminister gegen das Recht und ohne menschlichen Anstand gegenüber einem seiner Spitzenbeamten gehandelt hat. Demgegenüber fällt es nicht ins Gewicht, ob er nun einsichtig wird oder nicht und ob er zurücktritt oder trotz des zeitlichen Zusammenfallens von Leipzig und Waterloo auf seinem Ministersessel sitzen bleibt.

Hans-Heinrich Weske, Koblenz


Leserbrief 2


„Über das Maß des Erträglichen“

Selbstverständlich ist es legitim, Entscheidungen der rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichtsbarkeit – auch über die Medien – zu kritisieren. Mit sachlicher Kritik werden wir uns auseinandersetzen. Nicht hinnehmbar ist es jedoch, wenn der rheinland-pfälzischen Verwaltungsrichterschaft in einzelnen Leserbriefäußerungen mehr oder weniger die Unabhängigkeit abgesprochen, sie der Rückgratlosigkeit geziehen oder ihr gegenüber gar der Vorwurf der Rechtsbeugung erhoben und behauptet wird, verwaltungsgerichtliche Entscheidungen ergingen nach Vorgaben des Ministeriums.

Solche Äußerungen überschreiten das Maß des Erträglichen und selbst in politisch aufgeheizten Vorwahlkampfzeiten Hinzunehmenden. Der dem Rechtsstaat immanente Vorgang, dass gelegentlich Entscheidungen im Instanzenzug durch ein höheres Gericht aufgehoben werden, vermag solche haltlosen Unterstellungen und maßlosen Anschuldigungen in keiner Weise zu rechtfertigen. Zudem bleiben die Verfasser jeden konkreten Nachweis für ihre Behauptungen jenseits pauschaler Vorwürfe und Verdächtigungen schuldig. Die rheinland-pfälzische Verwaltungsrichterschaft verwahrt sich gegen jede Unterstellung, dass ihre Entscheidungen nicht stets nach bestem Wissen und Gewissen, orientiert an Recht und Gesetz, ergehen.

Besonders bedenklich ist auch die in manchen Leserbriefen zu Tage tretende Tendenz, die rheinland-pfälzische Richterschaft in „seriöse Richter“ und solche, denen offenbar die Seriosität abgesprochen werden soll, aufzuspalten. Solche Äußerungen sind verantwortungslos und geeignet, das Klima zwischen den Gerichtsbarkeiten zu vergiften und das Ansehen der Justiz in Rheinland-Pfalz insgesamt zu beschädigen. Insbesondere muss auch von Rechtsanwälten als Organen der Rechtspflege erwartet werden, dass sie sich bei in den Medien geäußerter Kritik an verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen an das Gebot der Sachlichkeit halten und nicht einer Spaltung der Richterschaft das Wort reden.

Soweit auch von aktiven oder ehemaligen Richtern ungerechtfertigte Pauschalkritik verbreitet wird, ist an die von Richterpersönlichkeiten aller Gerichtsbarkeiten getragene Mainzer Erklärung zur richterlichen Berufsethik zu erinnern. Diese mahnt auch dazu, den richterlichen Kolleginnen und Kollegen Respekt und Wertschätzung entgegenzubringen. Diese berufsethische Selbstverpflichtung gilt selbstverständlich gerichtsbarkeitsübergreifend.

Hartmut Müller-Rentschler, Vorsitzender der Vereinigung der Verwaltungsrichter Rheinland-Pfalz, Koblenz

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2012

Die Menschen hinter dieser Geschichte: