Nürnberger Nachrichten, 16.12.2011

von Michael Kasperowitsch

Jetzt wird die Justiz doch noch gegen die Bank aktiv

Rund acht Jahre nach einer Anzeige durch Ferdl G., der seit sechs Jahren in der Psychiatrie eingesperrt ist, hat die Staatsanwaltschaft jetzt Vorermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen die HypoVereinsbank eingeleitet. Außerdem wird sich der Rechtsausschuss im Landtag vermutlich im Frühjahr mit dem Fall beschäftigen.

Wolfgang Träg, Sprecher der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, bestätigte auf Anfrage unserer Zeitung, dass seine Behörde am Mittwoch einen Brief an die Bank abgeschickt hat. Darin werde „zeitnah“ um die Beantwortung einer Reihe von Fragen gebeten. Details nannte Träg nicht.

Anlass für die Aktivitäten ist, so der Sprecher, eine Stellungnahme der Zentrale der HypoVereinsbank in München gegenüber den Nürnberger Nachrichten vor fünf Wochen — wir berichteten. Darin hieß es, „diverse Schreiben“ von Ferdl G. (Name geändert) hätten schon damals zu internen Untersuchungen geführt. Dabei habe man festgestellt, dass sich Mitarbeiter im Zusammenhang mit Schweizer Bankgeschäften „weisungswidrig“ verhalten haben.

Die Verantwortlichen der Bank haben daraufhin bei mehreren Mitarbeitern „personelle Konsequenzen“ gezogen. Auch die Frau von Ferdl G. war „Mitarbeiterin und für die Betreuung von Privatkunden zuständig“. Ob sie an umstrittenen Machenschaften beteiligt war, lässt die Bank in ihrer Erklärung offen. Der 55-jährige Ingenieur aus Nürnberg will mitbekommen haben, wie seine Frau über Jahre Schwarzgeld in Millionenhöhe für Bankkunden mit der Absicht in die Schweiz brachte, Steuern zu hinterziehen. Als sie sich von ihm, ihrem damaligen Mann, nicht von ihrem Tun habe abbringen lassen, zeigte er die HypoVereinsbank bei der Staatsanwaltschaft an. Er nannte dabei eine Reihe von Details und führte etliche Namen auf.

Die Nürnberger Anklagebehörde sah — anders als die Bank selbst — damals nicht einmal einen „Prüfungsansatz“, der Ermittlungen rechtfertigen könnte. Unter den neuen Gegebenheiten sieht die Staatsanwaltschaft das jetzt anders.

In der Psychiatrie landete Ferdl G. vor fast sechs Jahren, weil ihn seine damalige Frau in dem Streit wegen Körperverletzung angezeigt hatte und ihn auf seinen Geisteszustand überprüfen lassen wollte, was auch geschah. Erst im vergangenen Sommer hatte ein gemeinsamer Bekannter des früheren Ehepaares G. erklärt, auch ihm habe die Frau angeboten, eine Summe ab 100 000 Euro in die Schweiz zu bringen und ihn eindringlich gebeten, auf ihren Mann, Ferdl G., einzuwirken. „Wenn Ferdl mich und meine Bank anzeigt, mache ich ihn fertig. Ich habe gute Beziehungen“, soll sie dem Bekannten, so dessen Beteuerung, unmissverständlich angekündigt haben.

Der Fall hat in den vergangenen Monaten in der Öffentlichkeit hohe Wellen geschlagen. Auf Antrag der Freien Wähler (FW) und der SPD beschäftigte sich gestern das Landtagsplenum mit der Angelegenheit. Die FW-Fraktion sieht einen „handfesten Justizskandal“ heraufziehen.

Verweis auf Gerichtsurteile


Justizministerin Beate Merk (CSU) hat im Maximilianeum jede Spekulation entschieden zurückgewiesen, Ferdl G. könnte zu unrecht eingesperrt sein. „In einem Rechtsstaat wird keiner willkürlich untergebracht, weil er Strafanzeige erstattet“, sagte sie. Die Ministerin verwies auf die bisherigen Gerichtsurteile durch alle Instanzen und schilderte ausführlich die Taten von Ferdl G. gegenüber seiner Frau, wegen der er am Ende zwangsweise in der Psychiatrie landete.

Der Landtag stimmte aber fraktionsübergreifend dem Antrag zu, den Fall Ferdl G. im Rechtsausschuss des Parlaments zu behandeln. Dort soll die Staatsregierung über die Hintergründe berichten, wie die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit den Strafanzeigen des heute 55-Jährigen umgegangen ist. Das Thema Einweisung in eine forensische Abteilung könne dabei nicht völlig ausgespart werden, hieß es bei Abgeordneten.

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2013

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