Eigentlich hätte bereits die empfehlende Zahnärztekammer einen anderen Gutachter auswählen müssen. Bzw. zumindest auf diesen potenziellen Interessenskonflikt aufmerksam machen müssen. Und eigentlich hätte der Gutachter eben wegen eines potenziellen Interessenskonfliktes diesen Auftrag ablehnen müssen. Nichts davon ist geschehen. Standard in der niedersächsischen Zahnmedizin?
Egal wie: Jedenfalls geschah danach dies:
Gutachter Nummero 1 stellte in seiner ersten Untersuchung am 31.1.2005 fest, dass es tatsächlich Okklusionsfehler bei der Aufbissschiene gibt, die die UMG für Lisa HASE angefertigt hatte. Und machte Fotografien.
Allerdings vertauschte er in seinem schriftlichen Gutachten die dafür verantwortlichen Zahnärzte. Nicht seine "Kollegen" von der zahnärztlichen Uniklinik hätten Fehler gemacht, sondern die Zahnärzte X, Y und Z. Diese Dentisten jedoch hatte Lisa HASE erst im Sommer 2005, also nach seiner gutachterlichen Untersuchung zwecks Behandlung aufgesucht. Qualitativer Standard bei Gutachter Nummero 1?
Auf ausdrückliche Bitten von Lisa HASE, diesen Fehler zu korrigieren, reagierten weder der Gutachter noch der Richter. Letzterer müsste - eigentlich - dem Gutachter vorgeben, was er zu tun habe. Aber offenbar hatte der 'kleine' Richter am Amtsgericht kein Interesse, sich gegen den Gutachter durchzusetzen; sollen doch die 'höheren' Kollegen am Landgericht sich mit Prof. LOTZMANN herumärgern - typischer Alltag in der deutschen Justiz: Richter fragen sich immer zuallererst: Sind sie denn überhaupt zuständig? Anders gefragt: Kann man eine (juristische) Herausforderung vielleicht jemandem anderen aufhalsen?
Und so erstellte Gutachter Nummero 1 drei weitere Ergänzungsgutachten - alle gegen Honorar. Bzw. auf Kosten von Lisa HASE. Aber ohne auch in diesen den unschwer erkennbaren Fehler zu korrigieren. Eine mündliche Anhörung vor Gericht kam ebenfalls nicht zustande. Der Gutachter wollte nicht. Und der Richter - wie oben erwähnt - ließ ihn nicht wollen. Richterliche Unabhängigkeit.
Ergebnis: Gutachter Nr. 1 zog das einfache Beweissicherungsverfahren 3 1/2 Jahre in die Länge - ohne seinen Fehler zu korrigieren. Dann gab der Richter am Amtsgericht das Verfahren an das Landgericht ab. Inklusive des jetzt juristisch kodifizierten Fehlers, der jetzt als 'wahre' Tatsache in den Akten steht.
Als HASE's Anwältin beantragte, den Gutachter aufzufordern, seine Beweisfotos dem Gericht zu geben, waren diese verschwunden. Er habe sie zu den Gerichtsakten gegeben, so der Gutachter. Dort indes sind sie nicht auffindbar. Und er selbst habe keine Duplikate.
Der Aufforderung durch Lisa HASE's Anwältin, zumindest die Beweisfotos seines zweiten Untersuchungstermins zur Gerichtsakte zu geben, kam der Gutachter insoweit nach, dass er daraufhin an das Gericht schrieb und 19 Diapositive im Original beifügte, wie er behauptete. Merkwürdig nur: Als Lisa HASE sie einsehen wollte, waren sie ebenfalls nicht in der Akte.
Sieben Jahre später wird der Vorsitzende Richter am Landgericht Göttingen, David KÜTTLER, mitteilen, er gehe davon aus, dass sie vor Gericht verloren gegangen sind. So wie die ersten Fotoaufnahmen. Göttinger Landgericht eben.
So ging es hin & her, über mehrere Jahre. Die Beweisfotos aus beiden Untersuchungsterminen bleiben bis heute verschwunden. Offenbar Standard am Landgericht Göttingen.
Gutachter Nummero 2
In einem weiteren Beweissicherungsverfahren kam Gutachter Nummero 2 zum Einsatz. Seine Einschätzung über die Risiken von Schienentherapien lautet:
"Wegen der vielschichtigen Ursachen von Funktionsstörungen ist die Misserfolgsrate bei Schienenbehandlungen besonders hoch."
Wenig später vor Gericht über solche Aufbissschienen befragt, (be)urteilt er (ein wenig anders):
"Es ist wissenschaftlich abgesichert, dass eine Schienentherapie von Erfolg gekrönt ist“.
Kosten dieses Gutachtens für Lisa HASE: knapp 3.000 Euro. Hilfreich ist es nicht.
Ergebnis für HASE und ihre Anwältin auch hier: Jahrelange Fleißarbeit und lange Schriftsätze, in denen sie versuchen müssen, den Spekulationen und Behauptungen auch dieses Gutachters die Glaubwürdigkeit zu entziehen. Gutachten in Gestalt von 'Schlechtachten' oder gar Falschgutachten erzeugen nicht nur überflüssige Kosten. Sie vereiteln die Beweisführung eines Klägers vor allem auch deshalb, weil es viel Zeit und einen gigantischen Arbeitsaufwand bedeutet, diese wieder vom Tisch zu bekommen. Und kaum ein Anwalt bereit ist, einen solchen Aufwand zu leisten. Und meistens gelingt es trotzdem nicht. Ein grundsätzliches, sprich strukturelles Problem.
Soweit zur bisherigen Gutachter-Vorgeschichte. Nun kommt ein neuer auf den Plan: