Die Richter und ihr Gutachter RUTETZKI

Der Fall Uwe W. - Landkreis Lüneburg

Behörden und "Querulanten" - Richter und Gutachter

Über Richter, die die 3. Gewalt im Staate repräsentieren (sollen), kann man vieles sagen. Zum Beispiel, dass sie Vergleiche lieben. Anstatt ein Urteil der Gerechtigkeit wegen zu fällen.

Vergleiche haben viele Vorzüge für Richter:

  • Es geht schneller
  • Macht weniger Arbeit
  • Man muss kein Urteil schreiben und begründen
  • Muss dazu keine juristischen Kommentare oder vergleichbare Urteile zitieren (und die vorher recherchiert und gelesen haben).

Vergleiche sind einfach bequemer. Jedenfalls für die Richter. Allerdings: Nicht unbedingt für jene, die sich bei der Justiz Recht erhoffen. Oder gar versprechen.

Bei

  • komplizierten Verfahren
  • bei aufwendigen Beweisaufnahmen
  • und/oder wenn sich Richter juristisch ‚verrannt‘  haben und meinen, dies nicht zugeben, geschweige denn etwaige Fehler wieder rückgängig machen zu können,
  • aber auch in anderen Situationen

gibt es ein weiteres Mittel, sich unerfreulicher Materien zu entziehen. Beispielsweise dann, wenn sich Kläger nicht auf einen Vergleich einlassen wollen:

Richter können jederzeit die „Prozessfähigkeit“ z.B. eines hartnäckigen Klägers, der in der Branche auch gerne als "Querulant" bezeichnet wird, überprüfen lassen. Konkret: Ein Gutachter soll dann untersuchen, ob der Betreffende überhaupt "zurechnungsfähig" ist. In dem Sinne, ob er sein Anliegen rational vorbringen und den Prozessverlauf mitverfolgen kann.

Und das kann ganz schnell gehen, dass ein Gutachter - im Auftrag von wem auch immer - jemanden als "paranoid", "geistesgestört" oder für "nicht zurechnungsfähig" erklärt.

Beispiele dafür gibt es immer wieder. Wir haben unter ansTageslicht.de zwei ausführlich dokumentiert - Fälle, in denen sich die Gutachter 'kaufen' ließen und Falschgutachten abgeliefert hatten. Zum großen Nachteil für die Betroffenen:

  • Bundesland Hessen: www.ansTageslicht.de/Steuerfahnder. Dort muss der Gutachter jetzt rund eine Viertelmillion Schadensersatz leisten. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat ihm "sittenwidriges Verhalten" vorgehalten.
  • Bundesland Bayern: www.ansTageslicht.de/Mollath. Dort ist der Gutachterfall juristisch noch nicht ausgestanden.

Auch Lisa HASE hatte das gedroht. Sie war clever genug, das zu verhindern. Vorgesehen als Gutachter hatte der Vorsitzende Richter der 9. Göttinger Landgerichtskammer, Gerhard von HUGO, den in Winsen/Luhe ansässigen Allround-Psychiater und Gutachterspezialisten Dr. med. Uwe-Christian RUTETZKI, der oft auch auf Geheiß von Richtern des Landgerichts Lüneburg tätig war. Ihn haben wir im Kapitel Ein Gutachter namens RUTETZKI portraitiert: als jemanden, "der immer wieder in zweifelhaften Betreuungsfällen in Erscheinung tritt", wie die Kreiszeitung aus Winsen an der Luhe einmal geschrieben hatte.

RUTETZKI war in seiner Funktion weithin bekannt - nicht nur am Landgericht Lüneburg.

Am Landgericht Lüneburg war aber auch in den Jahren 1995 bis 2008 ein Richter namens Gerhard von HUGO tätig. Es ist jener Richter, der im Jahr 2009 Lisa HASE angekündigt hatte, dass er sie auf ihren Geisteszustand hin überprüfen lassen wolle. Man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dem nunmehr am Landgericht Göttingen wirkenden Richter von HUGO der Name und die Arbeitsweise von RUTETZKI bekannt war.

Wir dokumentieren hier einen Fall, der sich eben auf dieses Landgericht Lüneburg bezieht. Zwei andere, kürzer dargestellte Fälle, kann man nachlesen unter Ein Gutachter namens RUTETZKI.


Das erste Gutachten im ersten Verfahren

Uwe W. wird beschuldigt, Straftaten begangen zu haben. Er bestreitet diese und beschuldigt seinerseits zwei Zeugen, die gegen ihn ausgesagt hatten, im Auftrag oder im Interesse eines einflussreichen höheren Beamten falsch gegen ihn ausgesagt zu haben. Der Fall landet vor dem Amtsgericht Lüneburg (Strafverfahren 14 Ds 106 js 15484/02 (06-03).

Das AG Lüneburg fasst den Beschluss, die Schuldfähigkeit von Uwe W. während der Hauptverhandlung durch einen psychiatrischen Sachverständigen begutachten zu lassen. Die Beschwerde seines Anwalts gegen diesen Beschluss wird vom LG Lüneburg am 14.11.2003 zurückgewiesen (26 Qs 241/03). In dem ablehnenden Beschluss legen die Richter des LG Lüneburg zugleich fest, dass Uwe W. das psychiatrische Schuldunfähigkeitsgutachten

  • erst nach dem Urteil
  • und nur zusammen mit dem Urteil

anfechten kann. Zitat:  „Ein in der Hauptverhandlung erstattetes Gutachten, das im Rahmen eines Urteils Berücksichtigung finden würde, könnte der Angeklagte erst mit der Entscheidung in der Hauptsache gemeinsam angreifen.“

Um sich von dem Verdacht strafbarer Handlungen zu entlasten und die Zeugen der Falschaussage überführen zu können, bringt Uwe W. zum Verhandlungstermin vor der Strafkammer des AG Lüneburg am 24.03.2004 einen Entlastungszeugen mit. Einen Oberstleutnant der Bundeswehr a.D., der seinen Dienst u.a. in hohen NATO-Positionen versehen hatte. Kurz gesagt: kein irgendwer.

Ebenfalls in der Hauptverhandlung zugegen: Ein Gutachter. Konkret ein Psychiater. Sein Name: Dr. med. Uwe-Christian RUTETZKI.

RUTETZKI war vom Gericht zur Verhandlung geladen worden und erklärt Uwe W. – vor der Befragung des Entlastungszeugen und noch während der Verhandlung - in einer Art von Spontangutachten für schuldunfähig. Er erstattet sein Gutachten ausschließlich mündlich. Am Ende der Verhandlung liegt kein schriftliches Gutachten von ihm vor. Er hatte Uwe W. auch nie untersucht, denn Uwe W. hatte von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Begutachtung zu verweigern.

Im amtlichen Protokoll des 'Hohen Gerichts' liest sich das so:

Der Sachverständige erstattete sein Gutachten.

"Ich stelle eine narzisstische, paranoide und querulatorische Persönlichkeitsstörung fest.
Eine wahnhafte Störung ist gleichfalls festzustellen.
Für die Fälle 2-5 kann ich § 20 StGB nicht sicher ausschließen.
§ 21 StGB sehe ich als erfüllt an. (Fälle 2-5). Fall 1: § 20 StGB.
Eine Therapie halte ich für nötig.“

Als Uwe W. dies mitbekommt, ist er perplex - die Verhandlung ist ja noch nicht zu Ende. Und die Beweisaufnahme ebenfalls noch nicht. Also fragt er nach, ob er ein Exemplar dieses "Gutachtens" erhalten könne.

Könne er nicht, so die Antwort, denn es gibt keines. Stattdessen beginnt Gutachter RUTETZKI vorzulesen. Aus einem Buch. Verwundert, dass es möglicherweise ein Buch über ihn gebe, fragt Uwe E. erneut nach, woraus er denn vorlese. Antwort: aus einem allgemeinen Werk über Psychiatrie. Auch die Richterin Angela SCHMEER muss Uwe W. gegenüber eingestehen, dass es kein schriftliches Gutachten gebe.

Aufgrund dieses mündlichen Gutachtens wird Uwe W. vom AG Lüneburg für "schuldunfähig" erklärt und frei gesprochen. Sein Entlastungszeuge wird nicht mehr angehört - er hätte die bisherigen Aussagen erschüttert. Das aber war offenbar nicht gewollt. So entfällt auch die Beweisaufnahme für einige andere Sachverhalte.

Bedeutet für Uwe W., dass er weiterhin als beschuldigt gilt, die ihm zur Last gelegten Straftaten begangen zu haben. Das AG Lüneburg hat ihm durch den Freispruch die Möglichkeit genommen, sich zu entlasten.

Gegen einen Freispruch kann man in Deutschland keinen Widerspruch einlegen.

Fünf Tage nach dem Freispruch am 23.3.2004 erstellt Gutachter Dr. Christian RUTETZKI dann am 29.3. ein schriftliches Gutachten über den Geisteszustand von Uwe W., in dem er die oben genannten Diagnosen wiederholt. Erst nachdem das Urteil Rechtskraft erlangt hat, reicht RUTETZKI sein schriftliches Gutachten beim AG Lüneburg ein. Uwe W. und sein Verteidiger erhalten es offiziell erst drei Monate später: Ende Juni 2004.

Zuvor kursiert allerdings das Schuldunfähigkeits-Gutachten von RUTETZKI in anderen Behörden und Gerichten. In Folge des Vorgehens der Richter des AG und des LG Lüneburg in Zusammenarbeit mit dem Gutachter Dr. med. Christian RUTETZKI ist Uwe W. amtlich zum geisteskranken Querulanten gestempelt worden, der nicht glaubwürdig ist. Er kann sich hiergegen nicht mehr wehren. Während andere das Gutachten bereits inoffiziell besitzen, kennt Uwe W. das schriftliche RUTETZKI-Gutachten nicht.

Das erste Gutachten im zweiten Verfahren

So spricht beispielsweise fünf Wochen nach der Übergabe des Gutachtens an das Amtsgericht die Verwaltungsrichterin GÖLL-WÄCHTER mit dem zuständigen Staatsanwalt in einem Verwaltungsverfahren ab, die Akte des Strafverfahren mit dem Gutachten derzeit noch nicht beizuziehen, sondern erst kurz vor der Hauptverhandlung. Der beabsichtigte Effekt ist klar: Uwe W. soll so die Möglichkeit genommen werden, das schriftliche Gutachten RUTETZKI zu kennen und angreifen zu können.

In dieser Verwaltungssache geht es um die Beschlagnahme einer einschüssigen Kleinkaliberwaffe, wie sie in deutschen Schützenvereinen üblich ist. Denn Uwe W. war lange Zeit in einer Mannschaft, wollte aber das reguläre Sportschießen aufgeben - zugunsten des zwangloseren Schießens mit alten, erlaubnisfreien Schwarzpulver-Waffen, wie man sie aus historischen Filmen kennt. Dazu hatte er auch im Jahr 2000 die Erlaubnis für den Besuch eines Schwarzpulver-Lehrgangs erhalten. Doch 2001 ist plötzlich alles anders: Seither will man ihn als geisteskrank dargestellen. Folge: Die Erlaubnis für den Lehrgang wird jetzt verweigert, das Sportgewehr polizeilich beschlagnahmt.

Ungeachtet dessen: Uwe W., der von diesen Absprachen zwischen Verwaltungsgericht und Staatsanwaltschaft ersteinmal nichts wissen kann, erstattet Strafanzeige gegen den Gutachter RUTETZKI wegen des Verdachts falscher uneidlicher Aussage in seinem mündlichen Vortrag vor dem Amtsgericht. Die Staatsanwaltschaft reagiert erstaunlich flott. Und schreibt am 18.05.2004:

„Die von Ihnen gegen Herrn Dr. Rutetzki erhobenen Vorwürfe entbehren jeder Grundlage. Abschließend weise ich darauf hin, dass ich Ihnen unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen gestellten Diagnosen auf weitere Schreiben, Eingaben und Strafanzeigen keinen erneuten Bescheid in Aussicht stellen kann.“

Was der Staatsanwalt damit offenkundig zum Ausdruck bringen will, ist dies: Uwe W. sei für 'verrückt' erklärt und könne deswegen nicht mehr mit Antworten seitens der Staatsanwaltschaft rechnen.

Jetzt beauftragt Uwe W. Prof. Dr. Dirk FABRICIUS, Professor für Strafrecht, Kriminologie und Rechtspsychologie in Frankfurt, ein methodenkritisches Gutachten zu dem Gutachten des Dr. RUTETZKI zu erstellen. FABRICIUS schreibt am 17.08.2004:

„Die Tatsache, dass das Gesetz den Schöffen, den Zeugen, dem Angeklagten persönlich die Akteneinsicht verwehrt, lässt schon erkennen, wie sehr sich der Gesetzgeber der vorurteilserzeugenden Wirkung von Akten bewusst war. .. Anders gesagt: jeder, der die Akte studiert, ist zu einer „quellenkritischen“ Haltung verpflichtet. ...

Eine Herausarbeitung möglicher tatsächlicher Varianten wäre hier umso notwendiger gewesen, als die später gegebene Diagnose „Verfolgungswahn“ voraussetzt, dass es keine Verfolgung gegeben hat oder gibt. … Es werden Behauptungen aufgestellt, ohne die nahe liegenden Probleme auch nur anzudeuten...

.. und ob jemand die Realität verkennt, ist nur zu beurteilen, wenn man selber die Realität (besser) kennt...

Es werden Behauptungen aufgestellt, ohne die nahe liegenden Probleme auch nur anzudeuten.“

Ein zweites Gutachten in einem dritten Verfahren: geplante Entmündigung

Im Sog des "Freispruchs wegen Schuldunfähigkeit" sind noch andere Verfahren gegen Uwe W.im Gange, von denen er nichts weiß.

So läuft seit 23.6.2004 beim AG Lüneburg ein geheimes Entmündigungsverfahren gegen ihn. Davon erfährt er durch einen anonymen Anruf im Sommer 2004. Das AG Lüneburg leugnet zwar in seinen telefonischen Nachfragen, daß ein solches Entmündigungsverfahren existiert, und weist Uwe W.'s Vermutungen als Symptome seiner Wahnerkrankung zurück. Doch kurze Zeit später erhält Uwe W. am 18.10.2004 die entsprechenden Unterlagen des Richters MENGE zum Entmündigungsverfahren mit dem Aktenzeichen 21 XVII W 526 und das bisher geheime Betreuungs-Gutachten des Landkreises Lüneburg vom 11.8.2004.

Auszüge aus dem internen Schreiben der Betreuungsbehörde des Landkreises Lüneburg an das AG Lüneburg. Zunächst zur amtlichen Einschätzung des Uwe W. durch die Behörden:
 

Und hier die amtlicherseits kolportierten Krankheitsbilder des Uwe W - nebst der "Berichtgrundlage":
 

Als Uwe W. die vollständigen Gerichtsunterlagen einsehen will, verweigert das Richter MENGE

Uwe W. reicht also u.a. das ihm inzwischen vorliegende Gegen-Gutachten von Prof. Dr. FABRICIUS ein. Richter MENGE verweigert dessen Prüfung. Stattdessen versucht er das Verfahren abzubrechen, indem er erklärt, er werde keine Betreuung einrichten.

Gleichzeitig erklärt Richter MENGE aber am  29.10.2004 schriftlich, das Gutachten RUTETZKI sei "von so hervorragender Qualität", daß es zur Entscheidungsfindung ausreiche. Wie MENGE trotz des vorliegenden Gegen-Gutachtens seitens FABRICIUS über die mangelhafte Qualität der Gutachten RUTETZKI kommt, bleibt sein Geheimnis.

Viertes Verfahren: nicht in Lüneburg, sondern vor dem OLG Celle

Parallel zu all dem läuft außerdem ein Schadensersatzverfahren gegen Uwe W. vor dem OLG Celle. Die Kläger nehmen das Gutachten des Dr. RUTETZKI zum Anlass, die Überprüfung der Prozessfähigkeit von Uwe W. zu beantragen. Das Gericht beauftragt dazu einen Gutachter: Dr. Christian RUTETZKI, der bereits vor dem AG Lüneburg in Sachen Uwe W. begutachtet hatte.

Was Wunder, dass RUTETZKI - ausschließlich gestützt auf die gerichtlichen Akten - zum gleichen Ergebnis kommt wie beim anderen Gericht: Uwe W. leide an einer Wahnerkrankung und einer querulatorischen Persönlichkeitsstörung und sei daher auch prozessunfähig.

Uwe W. bemüht ein weiteres Mal den renommierten Strafrechtler und Kriminologen Prof. Dr. Dirk FABRICIUS, der ein Gegengutachten erstellen soll . FABRICIUS konstatiert in seinem methodenkritischen Gutachten über das RUTETZKI-Gutachten am 2.12.2004 dies:

"Man erfährt noch nicht einmal, was Tatsachenbasis des Gutachtenauftrags ist ....

Der Gutachter stellt weder in dem einen oder anderen Gutachten die tatsächlichen Anhaltspunkte für seine Hypothesen vor, ja er geht ohne Hypothesenbildung gleich zur Beurteilung über, was eine differentialdiagnostische Diskussion unmöglich macht. Kriterien werden keine Befunde zugeordnet, Befunde sind rar. Auf dieser Basis ist es unmöglich, die Schritte des Gutachters hin zu einer Diagnose nachzuvollziehen.“

Jetzt ist das OLG Celle am Zug. Die Richter fordern RUTETZKI daraufhin auf, zu den Eingaben des Anwalts von Uwe W. und dem vorgelegten methodenkritischen Gutachten von FABRICIUS Stellung zu nehmen.

Gutachter Dr. Christian RUTETZKI weist den Vorwurf von Prof. FABRICIUS, er habe den Akteninhalt unzulässigerweise als unstreitige Wahrheit unterstellt, zurück und schreibt:

„Hierzu ist festzustellen, dass es sich bei den Akteninhalten um Anknüpfungstatsachen handelt, die ein Sachverständiger zusammen mit den Ergebnissen der Hauptverhandlung seinem Gutachten zugrunde zu legen hat. Dass Herr Prof. Fabricius diese Vorgehensweise kritisiert, legt die Vermutung nahe, dass er mit den Grundsätzen einer psychiatrischen Begutachtung durch einen Sachverständigen vor Gericht in keiner Weise vertraut ist.“

Die OLG-Richter setzen für den 24.2.2005 eine Verhandlung an. Sie wollen RUTETZKI befragen, RUTETZKI antwortet so:

„Ich habe die Anhörung soeben natürlich mit verfolgt. … Herr Uwe. W. (hat) sich heute an die Regeln, die man bei einer Gerichtsverhandlung einzuhalten hat, halten können. ... Allerdings gibt es bei derartigen Erkrankungen, über die wir hier reden, durchaus Schwankungen der „Tagesform“. ... Zu den Kriterien ist zu sagen, dass diese natürlich nicht immer erfüllt sein müssen. Es geht vielmehr um Verhalten über einen längeren Zeitraum, in dem dann Beobachtungen gemacht werden, die für eine bestimmte, manchmal auch nur kurze Zeit, unter die genannten Kriterien fallen können.

Wenn mir vorgehalten wird, dass Herr Uwe W. möglicherweise prozessual gesehen situationsadäquat reagiert hat, als die Frage angesprochen worden ist, ob er sich das Vorbringen seines Anwalts zur möglichen Schuldunfähigkeit zu eigen machen wolle, so ist darauf folgendes zu sagen: Aus meiner Sicht handelt es sich hier bei der Erkrankung von Herrn XYZ nicht um eine Geisteskrankheit sondern um eine seelische Erkrankung. Diese erlaubt es ihm aufgrund seiner Wahnvorstellungen von vornherein nicht, die Frage, ob er tatsächlich schuldunfähig ist, unvoreingenommen und objektiv zu beurteilen. Vielmehr ist Herr Uwe W. aufgrund seiner Erkrankung genau daran gehindert.

Dass Herr Uwe W. heute, wie es scheinen mag, situationsadäquat argumentiert hat, ist auch Teil seiner Wahnvorstellungen, die er auf diese Weise nach außen hin aufrechtzuerhalten versucht.

Meiner Bewertung liegt zugrunde, dass viele der Vorfälle, die Herr Uwe W.  schildert, sich jedenfalls so nicht abgespielt haben. Wenn dieses anders wäre, ergebe sich möglicherweise ein anderes Bild.“

Eine psychiatrische Diagnose, die sich weder auf Tatsachen noch auf beobachtbares Verhalten noch auf andere Untersuchungsergebnisse stützt und deren diagnostische Kriterien gar nicht erfüllt sind, ist auch für medizinische Laien unübersehbar keine ärztliche Diagnose, sondern eine unbelegte Behauptung.

Die Richter am OLG Celle ziehen ihre Schlüsse. Sie folgen in ihrer Entscheidung dem Gutachter RUTETZKI nicht (AZ: 13 U 6/04):

„Der Beklagte ist, was der Senat von Amts wegen zu prüfen hatte, prozessfähig. Davon ist der Senat aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks sowie des insgesamt vernünftigen und sachgerechten Prozessverhaltens des Beklagten trotz der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Rutetzki überzeugt. ... Jedenfalls ist er in der Lage, seine prozessualen Entscheidungen eigenständig auf der Basis vernünftiger Überlegungen zu treffen."

Uwe W. ist froh, dass er auf der wörtlichen Protokollierung der Aussagen des Dr. RUTETZKI in der Verhandlung bestanden hat. Denn er geht davon aus, dass ausschließlich die beiden methodenkritischen Gutachten der „Autorität“ des Prof. Dr. Dirk FABRICIUS und das wörtliche Protokoll ihn vor dem Entzug der Prozessfähigkeit bewahrt haben. Denn das OLG Celle hatte in seinem Beweisbeschluss vom 08.09.2004 trotz Kenntnis der offensichtlich unzureichenden Qualität des RUTETZKI-Gutachtens erneut eben diesen Gutachter RUTETZKI beauftragt, „auf der selben Grundlage, auf die er sich seinerzeit gestützt hat“ ein weiteres Gutachten zu erstellen.

Wie auch immer: Die Kosten der unübersehbar unzulänglichen Begutachtung des Dr. RUTETZKI hat das OLG Uwe W. in Rechnung gestellt: rund 1.000 Euro.

Übrigens: Uwe W. wurde nicht entmündigt.


Lisa HASE und Gutachter RUTETZKI

Das Gleiche hätte Lisa HASE widerfahren können. Denn wem die Geschäftsfähigkeit oder Prozessfähigkeit abgesprochen wird, kann nicht mehr (weiter) klagen. Und ein Richter hat auf einen Schlag weniger Arbeit.

Insbesondere wenn sich ein Richter die einschlägige Rechtsliteratur zu eigen macht. Zum Bespiel eine Abhandlung mit dem Titel "Die Prozessfähigkeit eines Querulanten im Verfahren". Erschienen in der Fachzeitschrift Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Nr. 2/2009, S. 63 - 65. Dort hat der Autor Sebastian LUBE eine "Kasuistik" zusammengestellt, die dazu "als Leitfaden herangezogen" werden kann. Literatur, die derlei Richter, die es sich einfach machen (wollen), kennen dürften.

Lisa HASE konnte ihre Zwangsbegutachtung verhindern: durch einen sehr intelligenten Trick, beschrieben in der Chronologie Odyssee einer medizinischen und juristischen Leidensgeschichte. Dort die Einträge ab Februar 2009. 

Über den hier in Rede stehenden Psychiater gibt es noch mehr zu berichten: Ein Gutachter namens RUTETZKI.

Lisa HASE hat diesen Fall Uwe W.  ./. Dr. med. Uwe-Christian RUTETZKI am 31.12.2015 in einer ergänzenden Petition an den Niedersächsischen Landtag in Hannover dargestellt (Petition 01475/11/17 vom 14.12.2014): im Zusammenhang mit den Fragen,

  1. an welchen Kammern der ihr zugedachte Gutachter RUTETZKI am LG Lüneburg tätig war und
  2. an welchen Kammern 'ihr' langjähriger Vorsitzender Richter am Landgericht Göttingen, Richter Gerhard von HUGO, vormals am LG Lüneburg gewirkt hatte.

Richter von HUGO hatte 2009 RUTETZKI als Gutachter für Lisa HASE auserkoren. 

(JL)