Dossiert III des WESER-Kuriers vom 16.05.2010

Bericht 1: "In feiner Gesellschaft"

von Christiane KRÖGER, WESER-Kurier, 16.05.2010

Hannover. Das Besondere an Hannover ist, dass nichts Besonderes an Hannover ist: Vielen gilt Niedersachsens Landeshauptstadt als durchschnittlich und langweilig. Ausgerechnet diese Stadt erinnert Experten für organisierte Kriminalität (OK) an bestimmte italienische Regionen – an die Landstriche, in denen die Mafia große Macht hat.

Das liegt nicht an aalglatten Paten aus Familienclans, die ihr Geld aus dem Handel mit Menschen, Drogen oder Waffen längst in legalen Firmen gewaschen haben. Paten, die nun in Maßanzug mit Designerkrawatte in „besseren Kreisen“ verkehren, als Arbeitgeber und Geschäftspartner ökonomische Abhängigkeiten schaffen und sogar milde Gaben für wohltätige Zwecke übrig haben.

Das liegt vielmehr an bulligen Rockern, die in Lederkluft auf schweren Motorrädern unterwegs sind. Rockern, die jenseits ihrer äußeren Erscheinung eine ganz ähnliche Strategie verfolgen sollen wie jene Italiener. Das liegt an Frank Hanebuth und seinen „Hell’s Angels Hannover“. Deren Macht scheint viel größer als bislang bekannt.

Nach Meinung des OK-Abteilungsleiters im Landeskriminalamt (LKA), Volker Kluwe, gehen Hannovers „Höllenengel“ strategisch ähnlich wie kriminelle Organisationen vor. Diese Strategie zielt zunächst auf Einschüchterung: Die Mitglieder provozieren und prügeln, sie demonstrieren ihre extreme Gewaltbereitschaft, wann immer sie können. Vor dieser Drohkulisse beginnen sie sich dann zu etablieren, schleichen sich in die Legalität, investieren im Milieu verdientes Geld in scheinbar seriös arbeitende Firmen und funktionieren ganze Straßenzüge vom schmuddeligen Rotlichtbezirk in eine attraktive Vergnügungsmeile um, die neben Bars und Bordellen auch Kneipen und Diskotheken bietet.

Im Rotlicht- und Vergnügungsviertel Steintor gilt Rockeranführer Hanebuth schon seit vielen Jahren als unumschränkter Herrscher. Bis in die 1990er Jahre stritten sich hier kriminelle Banden um Prostituierte, Drogen, Glücksspiel, Schutzgeld – und um die Türsteherposten. Denn wer die Tür hat, hat die Macht, das wissen Kriminalisten wie Kriminelle. Heute arbeiten im Steintor fast ausnahmslos Türsteher einer Sicherheitsfirma, in der Mitglieder der „Hell’s Angels“ das Sagen haben.

In den Diskotheken und Kneipen in Hanebuths Revier konsumieren Tausende vornehmlich junger Hannoveraner allabendlich Bier und Zigaretten der Marke „Original 81 Support“. Das Label wirbt unverhohlen für die „Hell’s Angels“: Die 81 steht für den achten und ersten Buchstaben im Alphabet, HA für „Hell’s Angels“, und „support“ bedeutet unterstützen. Auch in der Veranstaltungsbranche haben sich die Rocker etabliert. Alljährlich dominieren sie Events wie die Schlagerparade oder die Harley-Davidson-Party.

Bei der jüngsten Schlagerparade warb einer der Trucks, die bunt geschmückt durch die Innenstadt zogen, weithin sichtbar für „Original 81 Support“. Ein anderer pries das Bordell FKK-Villa an, in das Hanebuth Mitte 2008 mehr als 1500 „Hell’s Angels“ aus ganz Europa zu einer Megaparty eingeladen hatte. Damit rund 8000 Menschen eine solche Parade ungehindert bestaunen konnten, ließ die Stadt ganze Straßenzüge sperren und nahm ein beachtliches Verkehrschaos in Kauf.

Auch die Harley-Davidson-Party dient offenkundig Etablierung und Imagepflege von Hanebuths Rockerbande. Im vergangenen Sommer war einer der beiden Veranstaltungstage als „Familientag“ deklariert. Mit der Aktion „Don’t touch“ machten die „Höllenengel“ sozialgefällig gegen Kinderpornografie mobil. Das war nicht ihre erste „Mildtätigkeit“, die Rocker sammelten bei anderen Gelegenheiten bereits für die Alzheimer Stiftung, das Deutsche Rote Kreuz oder herzkranke Kinder.

In seiner Heimat präsentiert sich Hanebuth gerne als jovialer Geschäftsmann, der einem Ordnungshüter gleich die Rotlichtmeile saubergefegt hat. Öffentlich dankt der annähernd zwei Meter große Ex-Boxer nicht nur seinen zahlenden Gästen, die sich nicht haben „einreden lassen“, im Steintor sei es „besonders gefährlich“. Sein Dank gilt auch seinen „Freunden und Sponsoren“ – und sogar den Ordnungsbehörden. Die Ämter vertrauen und helfen ihm, versichert Frank Hanebuth. Und Recht hat er: Die Stadt Hannover bewirbt in ihrem offiziellen Marketing längst auch Clubs und Events in seinem Revier.

Nach der Analyse des LKA-Experten Kluwe sind Hannovers Rockeranführer und seine Bande mit ihrer territorialen Herrschaft über das Steintor noch nicht am Ziel: Zwar betreiben sie – oft über Strohleute – längst Diskotheken und Kneipen, Bars und Bordelle, Tattoo- und Fitnessstudios, Sicherheits- und Eventfirmen, doch wollen sie noch weiter expandieren. Laut Kluwe zieht es sie in die Kreise von Wirtschaft und Finanzen.

Wer aber in solch „feine Gesellschaft“ Einlass begehrt, braucht einflussreiche Fürsprecher. So einen hat Hanebuth in seinem Verteidiger Götz von Fromberg gefunden. Rockerboss und Rechtsanwalt verbindet viel mehr als ein Mandat, nach eigenem Bekunden pflegen sie seit Jahrzehnten eine Männerfreundschaft.

Die Freundschaft mit von Fromberg hat Hanebuth mit keinem Geringeren als Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder gemeinsam. Von Fromberg unterhält mit Schröder eine Bürogemeinschaft und gilt als dessen Vertrauter. Bereits als der Notar 1999 eine neue Kanzlei einweihte, feierten mit ihm der damalige Bundeskanzler ebenso wie der Rockeranführer.

Als „Staranwalt“ füllt von Fromberg häufig auch die Klatschspalten in Hannovers Lokalpresse. Ein örtlicher Journalist rühmte den Juristen jüngst an einem Medienstammtisch als „vorbildlichen Netzwerker“, der sich bundesweit erfolgreich für die Belange der Landeshauptstadt einsetze. Der Redakteur gab gerne zu, wie sehr ihm eine Einladung zu von Frombergs alljährlichen „Herrenabenden“ geschmeichelt habe.

Diese „Herrenabende“ sind offenbar weit über Hannovers Grenzen hinaus von Interesse, jedenfalls berichtete die Illustrierte „Bunte“ ihren Lesern bereits von der Männerrunde. „Im Wohnzimmer der Macht“ titelte das Blatt und lichtete auf von Frombergs heimischem Sofa „lauter Hochkaräter mit allerbesten Verbindungen von Pop bis Politik“ ab: TUI-Chef Michael Frenzel und AWD-Gründer Carsten Maschmeyer, den heutigen Hannover-96-Trainer Mirko Slomka und Ex-Boxweltmeister Dariusz Michalczewski, die „Scorpions“-Musiker Klaus Meine und Rudolf Schenker, Rocksänger Udo Lindenberg und „Scooter“-Frontmann H.P. Baxxter.

Vielleicht hat Hanebuth es dem „vorbildlichen Netzwerker“ von Fromberg zu verdanken, dass sich derlei „Hochkaräter“ immer häufiger auch in seinem Steintor tummeln. H.P. Baxxter ließ sich dort jüngst für die Titelseite des Kiezmagazins „Steintor News“ ablichten. In fröhlicher Runde mit „Hell’s Angels“ wie Markus C.* Der fungiert in Hanebuths Rockertruppe als „Sergeant at Arms“ und ist als solcher laut LKA für die Bewaffnung des Clubs und gewaltsame Strafaktionen zuständig.

Baxxter vergnügte sich nicht irgendwo im Steintor, ihn zog es ins „Little Italy“, gelegen gleich neben Hanebuths florierender Diskothek „Sansibar“. Die Wände des italienischen Restaurants zieren Porträts, die neben Hollywoodstars in Mafia-Streifen den echten Al Capone zeigen. In den „Steintor News“ regelmäßig beworben, nahm das Lokal bereits an Hannovers feinem Gourmetfestival teil und erntete Lob vom Gastronomieführer „Hannover geht aus“. Von Frombergs Gattin Martina gab hier ihre Geburtstagsparty, und auf der feierte dann Rockerboss Hanebuth mit „Scorpions“-Sänger Klaus Meine und Komiker Karl Dall.

Von Frombergs können sich im „Little Italy“ ähnlich heimisch fühlen wie in ihrem „Wohnzimmer der Macht“: Das Restaurant hat seine Räumlichkeiten an der Goethestraße 11 bis 13, und diese Immobilie gehört dem „Staranwalt“. Kripobeamte nennen das Haus bereits einen „zweiten Angels’ Place“. Tatsächlich scheinen sich die Rocker im „Little Italy“ ähnlich wohlzufühlen wie in ihrem Clubhaus. Davon zeugen zahlreiche Partyfotos, mit denen das „Little Italy“ in seinem Internetauftritt wirbt.

Wer wie Hanebuth für ein gutes Image viel Aufwand treibt, lässt die Medien nicht außen vor. Der 45-Jährige und seine „Hell’s Angels“ machen längst professionelle Pressearbeit. Mit Erfolg. Manchen Journalisten ist es schon eine Schlagzeile wert, wenn Hanebuth ihnen ein Interview gewährt. Solche Reporter nehmen für diesen fragwürdigen Knüller in Kauf, dass sich die Rocker die Medienvertreter nach Gutdünken aussuchen oder kritische Fragen schon vorab verbitten.

Vorabrecherche nennt Hanebuth dagegen „abartig“, die Presse habe gefälligst zuerst ihn zu fragen, ob er und sein Club überhaupt „Lust haben, eine Geschichte zu machen“. Wird dennoch kritisch berichtet, flattern den Medien häufig böse Briefe von „Staranwalt“ von Fromberg und anderen Rechtsanwälten ins Haus

Kritische Medien rufen von Fromberg nicht nur als Hanebuths Verteidiger auf den Plan, auch der Jurist selbst fühlt sich augenscheinlich rasch persönlich angegangen. Er lasse sich nicht vorschreiben, wen er zu seinem „persönlichen Freund“ mache, beschwert er sich, wenn ihm ein Zeitungsartikel missfallen hat. Schließlich sei Hanebuth „in Hannover inzwischen ein geachteter Mann“, der „sich den Respekt seiner Geschäftspartner über Jahre erarbeitet“ habe, schreibt von Fromberg der Presse. Zudem sei sein Mandant in den vergangenen Jahren „nur einmal rechtskräftig wegen einer Straftat“ verurteilt.

Von Fromberg meint die dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe ohne Bewährung, zu der das Landgericht Hannover Hanebuth Ende 2001 wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt hat. Mit bloßen Fäusten hatte der Ex-Boxer so lange auf einen Rockerkumpan eingeschlagen, bis der im Gesicht lebensgefährlich verletzt war. Laut Zeugenaussagen strafte Hanebuth den „Clubbruder“ ab, weil dieser bei der Polizei Interna der „Hell’s Angels“ ausgeplaudert hatte.

Nicht nur kritischen Journalisten, auch Polizeibeamten wollen die Rocker, die ansonsten bekanntlich nach ihren eigenen Regeln leben, nun ausgerechnet mit Paragrafen beikommen. LKA-Abteilungsleiter Kluwe hat sich jedenfalls mit seiner Analyse der Strategie der „Hell’s Angels“ Ärger mit Anwalt von Fromberg eingehandelt. In Hanebuths Auftrag drohte von Fromberg dem Beamten juristische Schritte an. Er möge gefälligst Beweise für Hanebuths kriminelle Machenschaften heranschaffen oder aber es künftig unterlassen, seinen Mandanten der organisierten Kriminalität zu verdächtigen. Ein Gespräch, das Rechtsanwalt und Rockerboss dem leitenden Kriminaldirektor anboten, soll dieser ausgeschlagen haben.

Mehr als die Hälfte der Mitglieder einschlägiger Rockerbanden wie der „Hell’s Angels“ seien wegen „rockertypischer Taten“ aktenkundig, heißt es in einem Bericht der niedersächsischen Minister für Inneres und Justiz. Als „rockertypisch“ gelten Tötungsdelikte, gefährliche Körperverletzung, Waffengesetzverstöße, Drogenhandel, sexuelle Nötigung, Bedrohung und Erpressung. Doch laut Kluwes Analyse brauchen die Rocker in Hannover kaum noch zuzuschlagen: Das Spiel mit den Muskeln, die latente Drohung mit roher Gewalt ist längst allgegenwärtig.

Einer kritischen Journalistin sagte Hanebuth einmal, er werde es sich nicht gefallen lassen, mitsamt seinem „Club“ in die „kriminelle Ecke“ gestellt zu werden. Ob das eine Drohung sei, wollte die Frau wissen. Das sei keine Drohung, das sei ein Versprechen, antwortete der Rockerchef. Kein Wort zu wenig und keines zu viel. Im Spagat zwischen vermeintlich seriösem Geschäftsmann und offenkundig bedrohlichem Bandenanführer hat Hanebuth gelernt, sich zu beherrschen. „Die Drecksarbeit machen längst andere, den kriegen wir nicht mehr“, sagt ein Ermittler und fügt sarkastisch hinzu: „Es sei denn, er hinterzieht mal Steuern.“

Es war Al Capone, der einst wegen Steuerhinterziehung hinter Gitter musste. Unter den Augen des legendären Gangsterbosses möchten Frank Hanebuth und Götz von Fromberg nun offenbar regelmäßig speisen, via Kiezmagazin haben sie angekündigt, sich im „Little Italy“ einen Stammtisch einzurichten.

* Name von der Redaktion geändert

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Bericht 2: "Höllisch gut beraten" - Interne Polizeidokumente zeigen, wie Franke Hanebuth und seine Rocker arbeiten

von Christine KRÖGER, WESER-Kurier, 16.05.2010

Der „harmlose Motorradclub, dessen Mitglieder sich zu friedlichen Wochenendausflügen treffen“, sei eine PR-Legende, sagte Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie, als er kürzlich das „Charter“ der „Hell’s Angels“ in Flensburg verbot. Tatsächlich wolle diese regionale Organisation des „Motorradclubs“ in der Gegend kriminelle Macht entfalten und mit Gewalt durchsetzen.

Das unbestritten bundesweit mächtigste „Charter“ der „Hell’s Angels“ aber sitzt nicht in Flensburg, es ist das von Frank Hanebuth in Hannover. Doch gegen diese Organisation scheinen Polizei und Justiz weitgehend machtlos. Sind Hannovers „Höllenengel“ und ihr Anführer weniger kriminell als ihre „Brüder“ – oder gehen sie lediglich gerissener vor?


Bei der Polizei sind die Rocker ein Fall für die Abteilung Organisierte Kriminalität (OK). Deren Ermittler arbeiten im Verborgenen und lassen sich kaum in die Karten gucken. Erhellend ist deshalb der Blick in interne Polizeidokumente, die dem WESER-KURIER zugespielt wurden. Darin legte die Polizei bereits vor zehn Jahren dar: In der nächtlichen Glitzerwelt von Hannovers Party- und Rotlichtquartier Steintor führen Hanebuth und sein „Club“ nicht nur ein strenges Regiment, dem sich Prostituierte und Bordellbetreiber unterzuordnen haben. Hinter der funkelnden Fassade steckt auch ein weit verzweigtes Netzwerk, das die Macht der Rocker seit vielen Jahren wachsen lässt. Ein Netzwerk aus besten Kontakten unter anderem zu renommierten Rechtsanwälten und einflussreichen Unternehmern. Ein Netzwerk, in dem der Hannoveraner Rechtsanwalt Götz von Fromberg und der Garbsener Sicherheitsunternehmer Wolfgang Peter Schlüsselrollen spielen sollen.


Namens seines langjährigen Mandanten Hanebuth beschwerte sich der renommierte Strafverteidiger von Fromberg am 24. Februar 1999 bei Hannovers Polizeipräsident Hans-Dieter Klosa und Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg. Von Fromberg hatte einiges an arbeitsrechtlichen Vorschriften für ausländische Frauen auszusetzen. Müssten sich „deutsche Bordellbetreiber“ wie Hanebuth daran halten, könnten sie ihre Etablissements gleich ganz zumachen. „Es bedarf keiner großen Phantasie, um herauszufinden, wer dann in das hannoversche Steintor-Milieu einzieht“, prophezeite der Anwalt. Er meinte damit keineswegs Hanebuths Rocker, sondern offenbar gefährliche ausländische Banden.


Heute kann sich von Fromberg an dieses Schreiben nicht mehr erinnern. „1999 ist lange her“, schreibt er auf Anfrage des WESER-KURIER. Sehr wohl erinnern kann er sich jedoch heute noch, wie er im selben Jahr vor dem Präventivrat der Stadt Hannover einen Vortrag hielt. Darüber, „wie man das Steintor befrieden und modernisieren kann“. Dieser Vortrag sollte dann „verschiedenen Behörden“ bei ihrer „internen Beurteilung“ helfen.


In seinem in Vergessenheit geratenen Schreiben erwähnte von Fromberg diesen Vortrag ebenfalls. Doch nicht nur der „Befriedung“ des Steintors galt damals die Sorge des Rechtsanwalts, sondern auch der Allgemeinheit. Nach Schließung der Bordelle „deutscher“ Betreiber fielen die Frauen „der Sozialhilfe zur Last“ und würden dann „in Wohnungen der Prostitution nachgehen“, schrieb Götz von Fromberg, damit wachse nicht zuletzt die „Gesundheitsgefahr für die Freier“.


Was Polizeibeamte von diesen Einlassungen hielten, zeigt ein interner Bericht vom 18. Januar 2000. Von Fromberg arbeite „nicht etwa im wohl verstandenen Interesse der Prostituierten“, sondern einzig für den „Vermögensvorteil deutscher Bordellbetreiber“, schrieben OK-Ermittler.
Die Kripoexperten arbeiteten seit 1997 verdeckt in Garbsen und gingen dem Verdacht auf Menschenhandel und andere Milieutaten gegen Hanebuths Rockertruppe nach. Ein schwieriges Unterfangen: Die Polizisten mussten ein unübersichtliches Geflecht aus Bordellen, Firmen und Immobilien analysieren, in dem zahlreiche Strohleute und vertragliche Regelungen die wahren Besitzverhältnisse und Geldströme undurchsichtig machten. Viele Verträge in diesem Netz hatte Götz von Frombergs Kanzlei aufgesetzt.
Formal trat Hanebuth darin nicht als Bordellbetreiber auf. Via Telefonüberwachung wiesen die Garbsener Ermittler dem Rockerboss akribisch nach, in welchen Bordellen er dennoch das Sagen hatte. „S. teilt dem Hanebuth mit, dass sich die Prostituierten Jacqueline* und Tatjana* privat mit einem Freier“ getroffen hätten, schnitten die Beamten mit, „Hanebuth weist S. daraufhin an, die beiden rauszuschmeißen“. Gernot S.* ist einer der „Höllenengel“ aus Hanebuths „Charter“ und arbeitete laut Polizeibericht damals für ihn als Bordellwirtschafter.


Die Beamten berichteten weiter, dass in den Bordellen am Steintor ausländische Frauen gefälschte Pässe hatten oder bereits im Alter von 17 Jahren mit der Prostitution begannen. Die Frauen müssten ihre überhöhten Zimmermieten auch zahlen, wenn sie nicht arbeiten, einige von ihnen seien daher hoch verschuldet.


Nach den Polizeiunterlagen verdiente Hanebuth nicht nur an den Zimmermieten: An den Bordelleingängen im Steintor standen schon damals Männer seiner Sicherheitsfirma. Die GAB-Security-GmbH betreibt Hanebuth seit 1993 zusammen mit „Clubbruder“ und Bordellbetreiber Wolfgang Heer. Die Firma tritt öffentlich als „Bodyguard Security“ auf, unter ihren Mitarbeitern sind zahlreiche Rocker, sie bewachen heute fast alle Kneipen, Diskotheken, Bars und Bordelle im Steintor.


Ein V-Mann berichtete der Polizei im Oktober 2001, „Hell’s Angel“ Gernot S. habe ihm erklärt, wie Hanebuths „Motorradclub“, seine Sicherheitsfirma und seine Bordelle „kooperieren“. Der Club leihe den laut Gernot S. meist „hirnlosen“ Rockern 30000 bis 40000 D-Mark für ihr Harley-Davidson-Motorrad. Diesen Kredit würden die Männer dann abarbeiten. Die meisten als Türsteher, andere als Bordellwirtschafter. Selbstverständlich würden bei diesem Deal kräftig Zinsen fällig, auch unter „Clubbrüdern“ habe schließlich niemand „etwas zu verschenken“. Allein auf diese Weise lande allmonatlich viel Geld in Hanebuths Kasse, zitierte der Spitzel den Rocker.


Noch mehr Geld fließe über die IMV Immobilien-Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH in die Tasche des Rockeranführers, ermittelte die Polizei. Die Firma gehörte offiziell Hanebuths Mutter und vermietete laut Polizeibericht Bordellbetreibern im Steintor eigene Häuser – oder aber sie „verwaltete“ die Gebäude gegen ein beachtliches Entgelt für deren Eigentümer.
Mit ihrem Bericht vom 18. Januar 2000 wähnte sich die Garbsener Polizei am Ziel: Sie hielt Frank Hanebuth der Ausbeutung von Prostituierten, der Zuhälterei, des Menschenhandels und des Wuchers für „dringend verdächtig“. Und die Beamten wollten damals auch ausreichend Material für ein weiteres brisantes Ermittlungsverfahren beisammen haben: eines gegen Götz von Fromberg wegen Geldwäsche.


Der Hannoveraner Staatsanwalt Uwe Görlich machte den Polizisten einen Strich durch die Rechnung, ihm erschienen die polizeilichen Finanzermittlungen zu dünne. Görlich nannte die Zusammenarbeit mit der Polizei später „wenig erfreulich“, es sei zu „heftigen Auseinandersetzungen“ gekommen. Polizisten bezichtigten den Staatsanwalt ihrerseits, kaum mit ihnen zusammengearbeitet zu haben, er habe nicht einmal ihre Akten gelesen.


Laut Staatsanwaltschaft „relativ erfolglos“ stellte die Garbsener Polizei ihre Ermittlungen am 29. März 2000 ein. Nur Monate später, im November 2000, geriet Staatsanwalt Görlich selbst ins Visier der Strafverfolgungsbehörden, weil er von Mai 2000 an allzu intensive Kontakte zu einer Hannoveraner Bordellbetreiberin gepflegt hatte (wir berichteten). Angeblich, um mit ihrer Hilfe Hanebuth oder seinen Vertrauten doch noch Geldwäsche nachzuweisen, weil der Polizei das schließlich nicht gelungen sei.


„Hanebuth und sein unmittelbares Umfeld“ seien „klassische Zielpersonen von OK-Ermittlungen“, gab der Staatsanwalt zu Protokoll. Er sei „überzeugt, dass im Täterkreis Hanebuth“ Delikte begangen worden seien, „die umfangreiche Geldwäscheverfahren zur Folge hätten haben müssen“. Doch letztlich ermittelte auch Görlich weitgehend erfolglos.


Wenige Wochen nach Ende der polizeilichen Ermittlungen verfasste von Fromberg erneut empörte Zeilen. Am 31. Mai 2000 beschwerte er sich bei der Staatsanwaltschaft. „Infam persönlich angegriffen“ und „einzigartig diffamiert“ fühle er sich von „unfähigen“ OK-Ermittlern. Mit dem Behördenleiter, Hannovers leitendem Oberstaatsanwalt Manfred Wendt, wollte von Fromberg besprochen haben, dass dessen Behörde solche Ermittlungen fortan straffer zu führen habe. Polizisten sollten nicht mehr „tun und lassen können, was sie wollen“.
Die Arbeit der Beamten nannte von Fromberg „völlig einseitig“, gespickt mit „Sachverhaltsverfälschungen, bewussten Verdrehungen, Stimmungsmache und sonstigen Methoden, die eines deutschen Polizeibeamten nicht würdig“ seien. Am Ende hätten die Kriminalisten ein „hasserfülltes Bild“ gezeichnet, das nur „in ihrer Phantasie“ existiere, schimpfte der Rechtsanwalt.


Auch an dieses Schreiben, das dem WESER-KURIER vorliegt, kann sich von Fromberg heute nicht mehr erinnern: „Das trifft nicht zu“, teilt der Anwalt auf Anfrage mit. Im Jahr 2000 habe er die Polizei vielmehr „in einem völlig anderen Zusammenhang“ kritisiert, die Ermittler hätten ihren Fehler eingesehen und sich bei ihm „persönlich entschuldigt“.


Nach Ende der Garbsener Ermittlungen im März 2000 übernahm die Fachinspektion Organisierte Kriminalität der Polizeidirektion Hannover die Arbeit gegen Rockerkriminalität. Sie heuerte im September 2000 Bernd Kirchner als V-Mann an (wir berichteten). Kirchner agiere „nicht auf der Ebene einzelner Mitglieder“ der „Hell’s Angels“, schrieb ein Polizeibeamter, sondern in Frank Hanebuths „direktem Umfeld“. Dazu zählten nicht nur „weitere Bordellbetreiber“, sondern auch „Rechtsanwälte und Notare aus Hannover und Umgebung“, „Geschäftsleute“, „Personen aus der Industrie“ sowie „die Betreiber des Sicherheitsunternehmens Pegasus“.


An den Betreibern der Pegasus Security GmbH in Garbsen zeigten die Polizisten schon damals besonderes Interesse, namentlich am damaligen Gesellschafter des Unternehmens. In Wolfgang Peter vermuteten sie einen ganz besonderen Vertrauten des Rockeranführers, nicht nur Kirchner nannte den Unternehmer „Hanebuths Gehirn“: Peter ziehe die Strippen, er entwickle die „Geschäftsideen“, er verwalte das Geld.


Wolfgang Peter nennt das „absoluten Unsinn“. Hanebuth sei „intelligent genug“, eigene Geschäftsideen zu ersinnen, lässt Peter den WESER-KURIER wissen. Er kenne Hanebuth seit 30 Jahren, bereits im Alter von 15 Jahren habe sich dieser um Peters Pferde gekümmert. Bis heute sei sein Kontakt zu dem Rockeranführer rein privat, man treffe sich ein bis zwei Mal im Jahr. Seine Sicherheitsfirma habe mit Hanebuth niemals Geschäfte gemacht, er selbst zu keinem Zeitpunkt „Firmen, Immobilien oder sonst irgendetwas für Herrn Hanebuth verwaltet oder sonstwie betreut“.


Dass er im Jahr 2000 Eigentümer der Immobilie Scholvinstraße 7 im Steintor war, räumt Peter allerdings ein. In dem Gebäude residierte schon damals das Bordell „Bangkok“, dessen Betreiber Hanebuth nahestand. Peter will das Gebäude in der 1980er Jahren als „reines Renditeobjekt“ erworben und heute längst wieder veräußert haben. Solange es ihm gehörte, habe er es alleine verwaltet.


Im Polizeibericht ist anderes nachzulesen: Von den 63000 D-Mark, die der Betreiber des „Bangkok“ allmonatlich erwirtschafte, zahle er 17000 D-Mark an die IMV, ermittelte die Polizei, und von dem Geld gebe die Firma 14000 D-Mark an Peter weiter. Dazu würde passen, dass Peter in jenen Tagen gefürchtet haben soll, ausländische Zuhälter wollten Hanebuth „entmachten“. Das berichtete V-Mann Kirchner der Polizei. Um die „Probleme“ im Milieu „zu erörtern“, arrangiere der Unternehmer ein einwöchiges Treffen in einem Luxushotel auf Gran Canaria, meldete Kirchner, nur weit weg von Hannover wähne sich Peter „vor der Polizei sicher“.


Der V-Mann flog im März 2001 mit nach Spanien – und will auf dieser Reise nicht nur „Hell’s Angels“ und Bordellbetreiber getroffen haben, sondern auch einflussreiche Geschäftsleute, Rechtsanwälte und Notare. Im selben Ambiente und in ähnlicher Besetzung sei man im November 2002 erneut auf der kanarischen Insel zusammengekommen, meldete der Spitzel weiter.
Aber auch im heimischen Hannover treffe sich eine ähnlich illustre Runde. Jeden Montag säßen im Konferenzraum einer Bank im nahen Langenhagen Rocker, Unternehmer und Rechtsanwälte an einem Tisch – unter ihnen ein einflussreicher niedersächsischer Bauunternehmer, ein vermögender ehemaliger Müllentsorger sowie der Inhaber einer renommierten Autorepräsentanz, berichtete der V-Mann. Sie alle sollen dort gemeinsame Geschäfte eingefädelt haben.


Wolfgang Peter will weder von Reisen nach Gran Canaria noch von montäglichen Treffen etwas wissen. Auch glaubt er sofort, die Quelle dieses „eindeutigen Quatschs“ zu kennen. „Die Polizei kann so viel ermitteln, wie sie will“, schreibt Peter, weil „es nichts zu ermitteln“ gebe. Es sei lediglich schade „um die so vergeudeten Steuergelder“.


Nach eigenen Angaben arbeitet Wolfgang Peter als Zahnarzt, zugleich fungiert er als Geschäftsführer der Pegasus Management GmbH. Die Firma übernahm 2006 die Geschäfte der insolventen Pegasus Security und residiert an der Bremer Straße 15 in Garbsen. Den ehemaligen Sitz der Pegasus Security gleich nebenan verpachtete Peter an Hanebuths IMV. Die hatte dort vorübergehend ihren Firmensitz, heute residiert in dem Gebäude die „Original 81 Vertriebsgesellschaft mbH“. Sie bietet „Unterstützerware“ für die „Hell’s Angels“ an, Geschäftsführer Matthias L.* ist ebenfalls ein „Höllenengel“ aus Hanebuths „Charter“.


Peter beteuert, der Mietvertrag mit der IMV sei die einzige Geschäftsverbindung, die er zu Hanebuth unterhalte. Genau genommen gehöre die Firma nicht einmal dem Rockeranführer, sondern dessen Mutter. Außer Hanebuth will Peter „nicht viele“ Rocker kennen, diese wenigen nur „flüchtig“.
Das niedersächsische Landeskriminalamt sei die Ursache jeden Verdachts gegen ihn, gibt Peter der Presse zu verstehen. Das ermittle „dilettantisch und einzig und allein zum Zwecke der Profilierung einzelner Mitarbeiter“ gegen ihn und habe daher einen „falschen Fundus“ an Informationen. Polizeibeamte erinnern solche Äußerungen an jenen „Verfolgungswahn“ des Unternehmers, von dem der V-Mann Kirchner den Ermittlern bereits im August 2001 berichtet hatte.


Ein Hannoveraner Kriminalist hielt im November 2000 fest, den Rockern gehe es bei all ihren Aktivitäten nicht allein ums Geschäft, sie wollten vor allem „gesellschaftsfähig“ werden. Zum Teil sei ihnen das bereits gelungen, meinte der Beamte. In Hannover sei es bereits „schick, sich mit Personen aus dem Milieu zu umgeben“.


Das Beziehungsgeflecht um Frank Hanebuth verglich der Ermittler mit einem „Spinnennetz“, das „offensichtlich in alle Gesellschaftsschichten“ reiche. Die Kriminalisten müssten dieses Netz dringend durchleuchten, um „noch illegale“ von „schon legalen“ Geschäftsbereichen zu unterscheiden. Wenn das vor annähernd zehn Jahren bereits nicht gelang, kann heute nicht überraschen, dass Hannovers „Hell’s Angels“ für Polizei und Justiz kaum noch zu packen sind.


* Name von der Redaktion geändert


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