"Das Ganze ist auch ein Stefan-Aust-Komplex"

Anlässlich des neuen Films "Der Baader-Meinhof-Komplex" mit Moritz BLEIBTREU und Martina GEDECK in den Hauptrollen interviewen Michael OHNEWALD und sein Kollege, der Polizeireporter Markus HEFFNER, den amtierenden Generalstaatsanwalt Klaus PFLIEGER und dessen Stellvertreter Rainer CHRIST.

Letzterer war 1980 jener Staatsanwalt, der das Leck im Polizeiapparat finden wollte, das der Illustrierten stern einige geheime Fotos zugespielt hatte, die der stern (natürlich) auch veröffentlicht hatte. CHRIST musste das Ermittlungsverfahren ergebnislos einstellen - dem Profi des stern, Gerhard KROMSCHRÖDER, war er nicht gewachsen.CHRIST hatte aber auch nach dem Suizid der RAF-Leute das so genannte Todesermittlungsverfahren geleitet. Und dabei keinerlei Verfehlungen auf Seiten des Staatsapparats entdecken können.

Die beiden Zeitungsjournalisten wollen nun die Einschätzung der beiden RAF-Ermittler von damals zu dem Film erfahren, der das Geschehen erneut in die öffentliche Diskussion zurückgebracht hat. Es wird gleichzeitig ein Gespräch über die 'Kultur' der Staatsanwaltschaft, wie man mit den Medien und der Öffentlichkeit umging bzw. heute umgeht.

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Im Verlauf dieses Gesprächs werfen die Staatsanwälte dem Journalisten Stefan AUST vor, er habe "in früheren Büchern und SPIEGEL-Artikeln ... die Vermutung geäußert, die Stammheimer Häftlinge seien von staatlicher Seite ermordet worden." Außerdem sei AUST "nur deshalb plötzlich von seiner Mord-Version abgerückt, weil aus der RAF heraus die Selbstmorde bestätigt worden sind."

Gegen diese Äußerungen geht Stefan AUST juristisch vor, weil er sich offensichtlich in seiner journalistischen Ehre verunglimpft sieht: Er will der Zeitung untersagen, diese Äußerungen der Staatsanwälte nicht weiter zu verbreiten.

Im Normalfall ist es rechtlich so, dass Journalisten und Medien für beleidigende Äußerungen Dritter ("Schmähkritik") haften, auch wenn sie diese nur zitieren und sich nicht ausdrücklich davon distanzieren. Allerdings: Wenn es ein öffentliches Interesse daran gibt, zu erfahren, wer über wen beleidigende Äußerungen getätigt hat, dann können Medien und Journalisten nicht in Haftung genommen werden.

Die immer noch nicht wirklich geklärte Diskussion

  • um alle Umstände der fraglichen Todesnacht

  • und um die Frage, ob und inwieweit die Häftlinge mit der vorhandenen Abhöranlage und/oder dem von den Häftlingen selbst heimlich installierten internen Kommunikationssystem staatlicherseits angehört worden sind,

kann als öffentlichkeitsrelevant angesehen werden. Entsprechend auch die Äußerungen und gegensätzlichen Einschätzungen seitens Vertreter der Staatsräson und kritisch nachfragender Journalisten. So gesehen gäbe es keinen Grund, ausgerechnet einer Zeitung, die sich auch als Plattform kontroverser Meinungen versteht, den Mund zu verbieten.

Die Stuttgarter Zeitung wollte ursprünglich diesem Ansinnen auch nicht nachkommen, klein beizugeben. Letztlich war es der Druck und Stress des journalistischen Alltags, die geforderte Unterlassungsverpflichtungserklärung, die eine sonst zu zahlenden Vertragsstrafe angedroht hatte, zu unterschreiben. Die Zeitung hat dies später als Fehler erkannt, nachdem in einem ähnlichen Fall ein Gericht der Saarbrücker Zeitung in zweiter Instanz Recht gegeben hatte.

Trotz allem verbleiben auch heute noch viele Fragen ungeklärt. Die so genannten Todesermittlungsakten hat bis heute (Stand Dezember 2010) ebenfalls noch niemand einsehen können. Mehr über diese Fragen, die vor allem immer wieder Stefan AUST aufgeworfen hatte, erfahren Sie in der kleinen Chronologie der wichtigsten Ereignisse.