Die Berichte der FAZ, 09.12.2015

von Thomas THIEL

Die Akzeptanz schwindet

F.A.Z. Frankfurter Allgemeine Zeitung , 13.09.2007

In den vergangenen Wochen haben wir in einer kleinen Artikelserie über die mitunter haarsträubenden Methoden des Gebühreneinzugs berichtet, von verschleppten Prozessen, ignorierten Beschwerden bis hin zur Überwachung. Man könnte damit fortfahren bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, wie uns die Leserpost beweist. Da liest man von Geschichten, die man nicht glauben will, doch der Alltag des Gebühreneinzugs schreibt sie. Man könnte darin ein System mit Methode sehen oder die dunkle Seite schönen öffentlich-rechtlichen Scheins. Die Landesrundfunkanstalten und die Gebühreneinzugszentrale GEZ aber fühlen sich vor allem missverstanden. Sie könnten jedoch gut mit den Darstellungen der GEZ-Kritiker leben, zumal sie polemische Anfeindungen gewohnt seien, schrieb uns Jürgen Gruhler, der Leiter der Abteilung Rundfunkgebühren des Südwestrundfunks, zu unseren zahlreichen Fragen. Zu den hier vorgetragenen konkreten Fällen und Prozessen wurde uns leider kaum Auskunft zuteil. Die Gebühren-Karawane zieht weiter.

Das Denken der GEZ und der Landesrundfunkanstalten gehorcht dem bürokratischen Delegationsprinzip: Dank der politischen Ermächtigungsurkunde des Rundfunkgebührenstaatsvertrags, der ihr rechtliche Grauzonen gewährt, ist die GEZ ihrer Sache sicher. Das Grundproblem besteht darin, dass sich die GEZ niemandem gegenüber rechenschaftspflichtig fühlen muss. Sowohl Journalisten als auch Wissenschaftlern antwortet sie auf Fragen nach der Höhe der Provisionen für ihre Gebührenbeauftragten, den Gesamtkosten des Gebühreneinzugs oder den Aufwendungen für Gebührenprozesse mit der uniformen Replik, dieses Wissen werde sie nicht preisgeben, da es, "nicht sachgerecht interpretiert, zu völlig falschen Ergebnissen führen" könnte. Dies ließe sich über viele Dinge sagen, würde aber, verhielten sich alle Behörden ähnlich wie die GEZ, Berichterstattung nahezu unmöglich machen - was kaum im Sinne einer Organisation sein dürfte, die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig ist.

Man fragt sich, wieso die GEZ sich eine vom Gebührenzahler finanzierte Presseabteilung leistet. Denn ihre Funktion scheint darin zu bestehen, alle wichtigen Fragen an die Landesrundfunkanstalten weiterzugeben, die sie in anonymer Form beantworten und auf Konkretes nicht eingehen. Wenn Gerüchte der Wellenschlag unterdrückter Informationen sind, wie der französische Schriftsteller Roger Peyrefitte schreibt, darf sich die GEZ nicht wundern, dass die Geschichten über sie etwas Sagenhaftes annehmen. Fast ausschließlich in Gerichtsurteilen dringen Informationen über den Gebühreneinzug nach außen, etwa die Summe von mehreren 100 000 Mark, die Spitzenverdiener unter den Gebührenbeauftragten in den Jahren 1993 bis 1997 verdient haben sollen.

Die GEZ aber beruft sich gebetsmühlenartig auf die Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags, die leider vieles offenlassen. Das Gesetz definiert etwa nicht befriedigend, wie der Kasseler Medienrechtler Maxim Hauk schreibt, inwieweit die GEZ der Öffentlichkeit gegenüber auskunftspflichtig ist. Zwar stehen dem Rundfunkteilnehmer aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit hier keine subjektiven Rechte zu. Doch auch der Gesetzgeber, der diese Rechte dann stellvertretend für ihn wahrnehmen müsste, kann dies nicht tun. Die GEZ, von der Verfassung als staatsferne Institution gedacht, gestattet den Landesparlamenten nur sparsame Einblicke in ihr Gebaren.

In vielen Fällen sind es die Ungenauigkeiten des Staatsvertrags, die fragwürdige Methoden der Gebührenbeauftragten stützen. Die Landesrundfunkanstalten fürchten, man wolle das öffentlich-rechtliche Gebührenprinzip an sich abschaffen. Dabei wäre eine Änderung des Gebühreneinzugs gerade angesichts der aktuell "schwindenden Akzeptanz der Gebührenzahlung", die der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzende der Rundfunkkommission, Kurt Beck, schon einmal konstatiert hat, äußerst wichtig, um einem weiteren Ansehensverlust des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Einhalt zu gebieten.

Eine Veränderung des Gebühreneinzugs ist schon seit sieben Jahren in der Diskussion - bislang ergebnislos. Im Oktober des vergangenen Jahres hat die Ministerpräsidentenkonferenz ihre Rundfunkkommission beauftragt, binnen eines Jahres alternative Lösungen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erarbeiten. Unter den verschiedenen Modellen kam auf Ministerialebene zuletzt wieder die Idee einer Finanzierung der Gebühr aus dem Staatshaushalt auf. Die größten Bedenken bestünden hierbei in der Frage, ob ein solches Finanzierungsmodell gegen das Gebot der Staatsferne verstößt, das im Grundgesetz festgeschrieben ist. Da man so aber die Kosten des Gebühreneinzugs in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro einsparen könnte - das läuft nach dem Motto: Gebühren zahlen für den Gebühreneinzug -, hält der Medienrechtler Maxim Hauk die steuerliche Finanzierung jedoch für eine probate und verfassungskonforme Lösung: Die GEZ würde überflüssig.

In Wolfram von Eschenbachs großem mittelalterlichen Versroman gelangt der junge Ritter Parzival in die Gralsburg ans Bett des siechen Königs Amfortas und verhält sich diesem gegenüber regelgerecht und ganz im Sinne des höfischen Sittenkodex. Trotzdem oder deshalb wird er mit Schande von der Gralsburg vertrieben, gerade weil er glaubte, mit der höfischen Regelfolge seiner Pflicht Genüge getan zu haben, und die anteilnehmende Frage vergessen hatte, woran der König denn leide, die diesen von seiner Krankheit hätte erlösen können.

Es wäre naive Verkennung des seit dieser Zeit immens fortgeschrittenen Institutionalisierungsprozesses, von einer Organisation wie der GEZ zu erwarten, die Lehre, die Parzival hier erteilt wird, zu beherzigen: Dass es zur Persönlichkeitsbildung nicht ausreichen könnte, sturen Regeln zu folgen, sondern dass es wichtig ist, ein individuelles Taktgefühl und Gerechtigkeitsbewusstsein zu entwickeln.

Man muss sich den idealtypischen GEZ-Mitarbeiter wohl weiterhin als einen Regelfolger vorstellen, der sich auf ein vorhandenes Gesetz beruft, dessen Rechtmäßigkeit er nicht anzweifelt, und der keine Einzelfallerwägung vornimmt: Hier bin ich, ich kann nicht anders, als Gebühren einziehen, und deshalb trampele ich durch Ihren Vorgarten und ramme meinen Fuß in die Tür.

Das ist eine gute Methode, wenn man sich von denen, in deren Namen der öffentlich-rechtliche Rundfunk auftritt und als deren legitime Rundfunkfreiheitsträger sich gerade erst durch das Bundesverfassungsgericht mit einem Freifahrtschein für jedwede Dehnübungen ins digitale Zeitalter bestätigt sieht, entfremden will. Die deutsche Rundfunkpolitik steht vor großen Aufgaben. Wenn sie sich ihnen stellt. Wir beenden unsere Fallsammlung fürs Erste.