Die Berichte der FAZ, 09.12.2015

von Thomas THIEL

Die Zweitgeräte des Autohändlers

F.A.Z. Frankfurter Allgemeine Zeitung

Im April des vergangenen Jahres bekam der Automobilhändler Thomas Winterberg auf seinem Firmengelände Besuch von Klaus R., einem Gebührenbeauftragten der GEZ. Weil er dort einen Gebrauchtwagen sah, verlangte R. von Winterberg die Zwangsanmeldung einer Hörfunk-Händlergebühr und einer Hörfunkgebühr für die Vorführwagen mit rotem Kennzeichen - und das seit der Gewerbeanmeldung im Jahr 1992. Für den Zeitraum von vierzehn Jahren setzte er eine Summe von 1585,42 Euro fest, obwohl Winterberg dementierte, Radios in seine Vorführwagen montiert zu haben.

Also beantragte Winterberg einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Koblenz, das Gericht gab dem Antrag statt. Der Gebührenbeauftragte habe nicht nachweisen können, dass der Autohändler in seinen Vorführwagen in der Vergangenheit Rundfunkgeräte montiert hatte, urteilte das Gericht. Gleichwohl wies der Südwestrundfunk (SWR), der die GEZ als für sie verantwortliche Landesrundfunkanstalt in Rechtsangelegenheiten vertritt, den Widerspruch Winterbergs gegen den Gebührenbescheid zurück. Er wiederholte einfach das Argument, Winterberg habe Autoradios in seine Vorführwagen eingebaut. Auch auf die Verjährung könne Winterberg sich nicht berufen, meinte der SWR, obwohl diese normalerweise nach vier Jahren eintritt. Zur Erinnerung: Vierzehn Jahre hatte der Fahnder die Gebühr nachberechnen wollen.

Eine Anwältin mit „allgemeiner Lebenserfahrung“

Winterberg erhob Klage. Der SWR verwies nun auf Aufnahmen von Winterbergs Firmengelände sowie auf weitere Ermittlungen, die der Gebührenbeauftragte im Laufe des gerichtlichen Verfahrens durchgeführt habe. Die Fotos, aus großer Distanz geschossen, brachten jedoch keinen Nachweis der beanstandeten Autoradios. Wiederum urteilte das Gericht zu Winterbergs Gunsten.

Aufs Neue widersprach der SWR. Die externe Anwältin, der er den Prozess überantwortet hatte, hielt fest, dass Winterberg seit dem Jahr 1992 „mindestens ein Radio in einem Fahrzeug bereitgehalten hatte“. Genau dies hatte sie jedoch im vorausgegangenen Prozess nicht nachweisen können. Nun genügte ihr zu ihrer Behauptung die Tatsache, „dass Winterberg mit Fahrzeugen handelt und sich diese seit Dezember 1992 auch auf seinem Hof befunden haben“. Es entspreche der „allgemeinen Lebenserfahrung“, so die Anwältin weiter, dass ein Autohändler Fahrzeuge, die mit einem Radio ausgestattet sind, auf seinem Gelände zum Verkauf anbietet. Schließlich kehrte sie die Beweislast um: Da unstreitig sei, dass Winterberg einen Autohandel betreibe, liege es an ihm nachzuweisen, dass er zur Ausübung dieser Tätigkeit keine Fahrzeuge mit Autoradios angeboten habe.

Hausverbot? Kein Thema für den GEZ-Mann

Auch das Verwaltungsgericht Koblenz, dem der Fall nun übergeben wurde, gab Winterberg recht. Den SWR und die in seinem Auftrag handelnde GEZ machte die neuerliche Niederlage jedoch nicht einsichtiger. Man klagte weiter. Je länger sich der Prozess hinzog, desto abenteuerlicher wurden die Methoden der GEZ. Klaus R. begann nun, Winterberg und seinen Anwälten nachzuspionieren. Ein anderer Gebührenbeauftragter folgte Winterbergs Lebensgefährtin, als sie nach Andernach zum Büro von Winterbergs Rechtsanwälten Görgen & Frosch ging.

In einem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, gab GEZ-Mann R. gegenüber seinem Vorgesetzten, Professor Armin Herb vom SWR, außerdem an, gemäß dessen Vorschlag inkognito eine Probefahrt bei der Firma Winterberg durchführen zu wollen, um sich so von der Existenz der Autoradios zu überzeugen. Er wolle auch recherchieren, wo Winterberg privat wohne. Dass das Anwaltsbüro Görgen & Frosch der GEZ sowohl für ihre Kanzlei als auch für ihre Privatgrundstücke und für das Firmengelände Winterbergs Hausverbote erteilt hatte, schien Herb offenbar nicht zu interessieren. Ein Hausverbot gelte nicht für die hoheitlich beliehenen Gebührenbeauftragten, meinte Herb auf Nachfrage. Eine strittige Behauptung, da die Gebührenbeauftragten dazu nicht vom Staatsvertrag ermächtigt sind. Außerdem hätte Herb vorher einen Durchsuchungsbefehl beantragen müssen.

Beschattung hält der SWR für „prinzipiell gerechtfertigt“

Der SWR verlor auch beim nächsten Gerichtstermin. Die SWR-Anwältin wiederholte daraufhin ihre zurückgewiesenen Vorwürfe. Einen Beweis für die Existenz von Autoradios erbrachte sie dabei abermals nicht. Drei Tage später erhielt Winterbergs Rechtsanwalt Jens Dötsch, vorletzte Pointe der Geschichte, eine Anmeldebestätigung der GEZ, höflich und fragend formuliert. Als Beispiele der Gebührenpflicht, letzte Pointe, waren dort Autoradios in nichtehelichen Lebensgemeinschaften aufgeführt. Und die allerletzte Pointe: Während des Prozesses hatte Winterberg weiterhin Zahlungsaufforderungen mit Säumnisgebühren erhalten, obwohl seine Anwälte vor Gericht erfolgreich beantragt hatten, diese Forderungen während des Prozesses aufzuschieben. Der SWR sah sich jedoch nicht veranlasst, dieser gerichtlichen Anweisung Folge zu leisten.

Obwohl R.s Mail an ihn das Gegenteil belegt, weist Armin Herb auf Nachfrage jegliche Verantwortung für die Überwachungsaktionen zurück und begründet sie mit dem Übereifer des Gebührenbeauftragten. Mit welchen Konsequenzen Klaus R. nun zu rechnen habe? „Das könne prinzipiell bis zur Kündigung gehen“, sagt Herb. Ob R. denn schon eine Abmahnung erhalten habe? Das wisse er nicht. „Ich erhalte so viele Mails, da kann ich mir nicht jedes Detail merken. Wahrscheinlich aber eher nicht.“ Die Beschattung von Personen hält Herb hingegen prinzipiell für gerechtfertigt, im Sinne des Gebührenzahlers, der für den Schwarzseher mitzahlen müsse. Auch die Beschattung von Personen, denen bis dahin nichts nachgewiesen werden konnte? „Auch das.“

Rechtsanwalt Jens Dötsch sieht als Folge derartiger Verfahren, dass viele Anwälte keinen Prozess gegen die GEZ und die hinter ihr stehenden Landesrundfunkanstalten führen wollten. Er könne es nachvollziehen, wenn Anwälte für die geringen Streitwerte, um die es in derartigen Verfahren meist geht, einen so langwierigen Prozess mit ungewissem Ende nicht aufnehmen wollten. Ihm sei es zuletzt rein um den sportlichen Ehrgeiz gegangen, der sich jedoch in keiner Weise ausgezahlt und ihn nicht selten frustriert habe angesichts der prinzipiellen Renitenz der GEZ. „Es ist jedem Rundfunkteilnehmer möglich, die Rechtmäßigkeit unserer Gebührenforderung gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Kosten für ein solches Verfahren sind nicht unkalkulierbar hoch“, schreibt dazu Jürgen Gruhler vom SWR.