Die Berichte der Stuttgarter Nachrichten, 09.02.2008

von Jürgen BOCK

Am Tropf

Sieben Minuten, sagen Experten, sind bei Schlaganfall und Herzinfarkt eine kritische Grenze. Trifft binnen dieser Zeitspanne nach dem Unglück Rettung ein, stehen die Chancen für den Betroffenen deutlich besser als danach. In den meisten großen deutschen Metropolen wird diese Hilfsfrist zumindest annähernd erreicht. In Stuttgart dagegen vergehen im Schnitt 17 Minuten, bis der Notarzt eintrifft. Zu wenige Helfer sind im Einsatz, zu wenige Fahrzeuge. Wer in der Landeshauptstadt des reichen Baden-Württembergs auf rasche Hilfe angewiesen ist, hat deutlich schlechtere Überlebenschancen als in Hannover, Dortmund oder Berlin.

Wenn es nach den Rettungskräften ginge, wäre die Notfallversorgung in Stuttgart erstklassig. Feuerwehr, Rotes Kreuz und andere Dienste würden gerne mehr Fahrzeuge anschaffen und zusätzliches Personal einstellen. Die Stadt sieht die Notwendigkeit ebenso, sogar Bürgerinitiativen setzen sich für die Verbesserung der Situation ein. Dennoch ist keine Lösung in Sicht.

Das Problem: Die Rettungsdienste hängen am Tropf des Landes - und gehen deshalb am Stock. Warum in Baden-Württemberg die Hilfsfrist 15 Minuten beträgt, während sie anderswo zwischen fünf und zwölf Minuten pendelt, weiß wohl nur das Sozialministerium. Die Stadt hat vorerst nur die Möglichkeit, prüfen zu lassen, ob wegen der Nichteinhaltung der Hilfsfrist zusätzliche Mittel zugewiesen werden können. Das wäre aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Um die Situation grundsätzlich zu entschärfen, müsste das Rettungsdienstgesetz geändert werden. Das aber kostet in der Folge Geld und macht zähe Verhandlungen mit den Krankenkassen nötig.

Dennoch steht die Notwendigkeit außer Frage. Der Stuttgarter hat Anspruch darauf, im Notfall genauso schnell gerettet zu werden wie der Hamburger oder Berliner.

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