Washington Post, 09.09.2001

von Sarah COHEN

Serie "Lost Children" Teil 3

Regina Brown, allein erziehend, gilt bei Nachbarn als fürsorgliche und liebevolle Mutter. Sie verwöhnt und umsorgt ihren einzigen, 8 Jahre alten Sohn Sylvester.

Ein Blick hinter die Fassade verrät jedoch ein anderes Bild: Regina Brown ist psychisch krank und leidet unter Halluzinationen. Sie glaubt, Dämonen würden zu ihr sprechen und ihr befehlen, ihren Sohn zu töten.

Verwandte bemerken Verhaltensauffälligkeiten der Mutter und ahnen, dass Sylvester in Gefahr ist. Sie alarmieren mehrmals selbstständig Polizei und Sozialarbeiter der D.C. Child and Family Services Agency, die ihren Hinweisen jedoch nicht ausreichend nachgehen.

Nach Hausbesuchen und Gesprächen mit Mutter und Sohn ließen die Polizeibeamten den Verdacht auf Kindesgefährdung fallen. Es erfolgt keine Berichterstattung an die Sozialarbeiter. Die Polizei begründet, sie sei nur zuständig für körperliche Übergriffe. Die D.C. Child and Family Services Agency kümmere sich hingegen um Anzeichen auf Kindesvernachlässigung. Es herrscht Verwirrung, wer wofür zuständig ist.

Kurz vor Weihnachten 1996 wird Sylvester schließlich von seiner eigenen Mutter im Bett erstochen.

Monate zuvor alarmiert Jenny Peterson, Regina Browns Schwiegermutter, erneut die Polizei, da Brown ihr anvertraute, dass die Stimmen in ihrem Kopf immer lauter und bedrohlicher werden. Regina Brown wird in eine psychiatrische Klinik gebracht, wo ein Arzt eine psychische Störung diagnostiziert. Auch hier erfolgt kein Bericht an die Sozialarbeiter.

Die zuständige Polizeibeamtin Vanessa M. Douglas konnte sich im Interview mit der Post nicht an die Einzelheiten des Falls Sylvester erinnern und sagte aus, dass ein Beamter oft für 30 bis 40 Fälle zuständig und oft überfordert war. Die D.C. Child and Family Services Agency entgegnete, sie konnten nichts für Sylvester tun, da die Polizei diesen Fall übernahm. Ein wirres Durcheinander.

In Washington starben zwischen den Jahren 1993-2000 mindesten 9 von 229 Kindern, obwohl sie beim District Protection System registriert waren. Grund dafür war mangelnde Kommunikation zwischen Polizei und Behörden, die trotz akuter Anzeichen auf Kindesgefährdung nicht gehandelt haben.

Der Bezirk reagierte mit einer Aufhebung der Aufteilung der Arbeitsbereiche zwischen Polizei und Sozialarbeitern. Regina Brown ist in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht, nachdem sie vom Gericht für unschuldig aufgrund von Unzurechnungsfähigkeit gesprochen worden ist.