Was kann man tun?
Vorab
sei dies betont:
Rettungskräfte und Notärzte sind ausgesprochen engagierte Menschen, die sich um Leib & Leben kümmern. Und meist ein stressiges Arbeitsleben haben, weil sie mit vielen unerfreulichen Situationen zurecht kommen müssen. Manch einer wird nach längerer Zeit davon auch traumatisiert. Und trotzdem wartet bereits wieder der nächste (Überlebens)Einsatz. Dies sollte man sich stetig vergegenwärtigen.
Dennoch kann es vorkommen, dass die Retter zu spät kommen oder doch nicht mehr helfen können. Dies geht dann nicht auf das Konto der Notfallhelfer, sondern ist manchmal der Verkehrssituation geschuldet oder dem System “Notfallrettung”.
Zum Beispiel dann, wenn es um (Klein)Kinder geht, die medizinisch eben nicht nur kleine Erwachsene sind, und bei denen die Retter anders agieren müssen - mit anderer ‘Hardware’ (Geräte) und spezieller ‘Software’ (Know-how).
Wie groß der gefühlte Stress und die fachliche Beklemmung von Notärzten in solchen Fällen ist, hat ein Praxisworkshop “Invasive Notfalltechniken (INTECH)” an der Universitätsklinik Heidelberg in einem dreijährigen Panel abgefragt. “Pädiatrische” Notfälle, also solche mit Kindern, sind besonders gefürchtet. Da hilft nur, Notfallretter auf solche Situationen vorzubereiten.
Aber nicht überall sind solche Rettungsstationen darauf eingerichtet und vorbereitet. Dies kann man ändern. Dazu gibt es hier einige Anregungen
Das kann man selbst tun:
Eine (bequeme) Option besteht darin, nichts zu tun. Und sich stattdessen darauf zu verlassen, dass im Ernstfall jemand kommt, der sich mit Kindern auskennt, konkret: der weiß, was und warum bei Kinderkörpern anders ist und medizinisch anders funktioniert. Und entsprechend mit ‘hardware’ in seinem Notarztwagen vorbereitet ist. In einem solchen Fall setzt man aufs Risiko. Das kann gutgehen. Aber auch schief.
Die andere Option ist jene, etwas zu tun. Sinn und Zweck: das Risiko minimieren.
Und da bieten sich mehrere Handlungsmöglichkeiten an.
Option 1:
Sie erkundigen sich bei Ihrer zuständigen Rettungsstelle und bei den benachbarten, ob sie
a) auf (Klein)Kinder eingestellt und vorbereitet sind ('hardware') und ob sie
b) über das notwendige Know-how verfügen ('software'), konkret: ob sie eine entsprechende Zusatzausbildung oder eine Schulung gemacht haben. Und ob das für alle Einsatzkräfte gilt.
Wenn dies der Fall sein sollte, dann ist alles gut und Sie können sich darauf verlassen, dass im Notfall eigentlich nichts falsch laufen kann.
Wenn Ihre Rettungsstelle, die in aller Regel bei der Feuerwehr untergebracht ist, dies nicht zusagen oder garantieren kann, dann sollten Sie aktiv werden. Und zwar mit der nächsten Aktivität:
Option 2
Sie stellen Nachfragen! Konkret:
1) Warum dies nicht der Fall ist, dass hard- und software nicht vorhanden sind.
2) Ob man sich der Wichtigkeit nicht bewusst ist.
3) Ob man auf Kinderleben weniger Wert legt als das auf (arbeitsfähige) Erwachsene.
Stellen Sie solche Fragen immer schriftlich. Sie haben dann die Antworten schwarz auf weiß und Sie können dann immer dann, wenn es hilfreich ist, darauf zurückgreifen, und niemand kann dann sagen, er hätte diese oder jenes nicht gesagt. Bzw. geschrieben.
Option 3
Wenn Sie Antworten bekommen, die darauf hinauslaufen, dass die Rettungsstelle für die Ausstattung und Ausbildung nicht zuständig sei, sondern andere Behörden oder “die Politik”, dann müssen Sie als nächstes dort ansetzen.
Da kommt die Ebene der Landespolitik in Frage, die entsprechende Gesetze und andere Vorschriften erlassen kann. Aber auch die kommunale Ebene, konkret: Ihre Gemeinde bzw. Ihr Rathaus und der Bürgermeister sind da gefragt. Beziehungsweise sollen ja von Ihnen dazu befragt werden.
Wenn die Antworten ausweichend und/oder sogar ablehnend sind, etwa mit dem Hinweis, dass dafür keine “Mittel”, sprich Gelder vorhanden seien, dann lassen Sie sich konkrete Zahlen vorlegen: über die notwendigen Anschaffungskosten, die dafür notwendig wären. Schriftlich!
Vermutlich werden Sie feststellen, dass man Sie mit hohlen Argumenten abservieren möchte, weil man konkrete Zahlen gar nicht hat. Und das sollten Sie sich nicht gefallen lassen. Bestehen Sie auf konkreten Zahlen!
Die können Sie dann nämlich vergleichen mit anderen Ausgaben bzw. Haushaltstiteln und dann sieht man schnell, wo die finanziellen Prioritäten liegen und dann wird auch schnell klar, dass Ausgaben für eine vollständig ausgerüstete Rettungsstelle verglichen mit dem Nutzen eben nicht so teuer oder gar “zu teuer” ist.
Verbündete: Parteien, die um die Gunst der Wähler buhlen
Je nachdem, wie Sie weiterkommen: Denken Sie auch daran, die Ratsmitglieder der unterschiedlichen Parteien vor Ort und/oder die Mitglieder Ihres Landtags einzuschalten. Veranstalten Sie einen politischen Wettbewerb. Sprechen Sie alle demokratischen Fraktionen an, versuchen Sie mit Ihren Fragen herauszufinden, wer sich denn wirklich um Ihre Belange kümmert. Wer also tatsächlich die Bezeichnung “Volksvertreter” zu Recht trägt.
Vergessen Sie auch nicht den Petitionsausschuss auf Landesebene. Da sind jene Abgeordnete vertreten, die sich um die “Sorgen der Bürger” kümmern (sollen bzw. wollen). Aber erwarten Sie nicht zu viel von einem solchen Gremium. Die Abgeordneten selbst werden nicht wirklich aktiv, sie leiten entsprechende Anfragen oder Bitten einfach an die zuständigen Ministerien weiter und die reichen sie ihrerseits dann nach unten durch: in die einzelnen Ämter oder zuständigen Abteilungen und dort werden dann Stellungnahmen erarbeitet - von Bediensteten im öffentlichen Dienst, im schlechtesten Fall von empathielosen Bürokraten.
Von dort nehmen dann die Stellungnahmen denselben Weg wieder zurück nach oben ins Ministerium, das dann den Abgeordneten mitteilt, was Sache ist. Und dann bekommt ein Antragsteller ("Petent") genau diese Antwort: eine Antwort nicht von politischen Entscheidungsträgern (die die Möglichkeit hätten, etwas zu verändern), sondern von Angestellten oder Beamten, die immer (nur) das ausführen, was ‘von oben’ erwartet wird.
So wie wir solche Vorgänge beobachten, ist die Einschaltung eines Petitionsauschusses ein möglicher Weg, in den seltensten Fällen aber ein zielführender. Wir haben zwei solcher Fälle dokumentiert: www.ansTageslicht.de/Landtag-Niedersachsen. Der andere Fall ist derzeit - aus anderen Gründen - offline, wird aber absehbar wieder online gehen.
Zumindest sollte man eine solche Option “Petitionsausschuss” deswegen nutzen, um eben auch von dieser Ebene eine schriftliche Antwort bzw. Begründung zu bekommen, warum dieses oder jenes (angeblich) nicht möglich sei. Denn auch ablehnende oder ausweichende Antworten haben einen Wert: beispielsweise für die Presse!
Die Presse als Verbündeter
Denn potenziell sind die Medien Ihr Verbündeter. Jedenfalls dann, wenn bürgernahe Berichterstattung auf deren Zettel steht. Meistens ist dies bei den lokalen Medien der Fall, also der Zeitung vor Ort oder den lokalen Rundfunkstationen, aber nicht immer. Sie sollten das austesten. Denn Öffentlichkeit erzeugt Druck und Druck ist oft das einzige, was politisch Verantwortliche zum Nachdenken und im Idealfall zum Handeln bringt. Das Problem Notarzt und Kinderleben sollte jedenfalls für alle ein “Thema” sein.
Hilfreiche Adressen
Für aktute Notfälle sollten Sie eine Site des Malteser Hilfsdienstes aufrufen: Erste Hilfe für Babys und Kinder. Da gibt es konkrete Hinweise für die verschiedensten Erkrankungen und Notfälle.
Ein bundesweit bekanntes Zentrum für Kinderkrankheiten und -unfälle ist die Kinderklinik im “Dr. von Haunerschen Kinderspital” in München, das zur dortigen Universität gehört. Dort kann man generell - unabhängig vom konkreten Notfall - Informationen erhalten.
Was man ganz generell und präventiv machen kann, um eine entsprechende Kindernotfallversorgung aufzubauen oder zu sichern, dazu gibt die private Initiative HeldenStärker Auskunft, deren Entstehungsgeschichte wir hier dokumentiert haben.
(JL)
Online am: 08.02.2024
Aktualisiert am: 27.06.2024
Inhalt:
- "Versorgungslücke": der Originalbericht im SZ-Magazin
- "Warum haben Sie nicht geholfen?" - Der Folgeartikel
- Wie der Bericht entstand: das Making-of
- Die beiden 'ausgezeichneten' Journalistinnen: Nicola MEIER und Vivian PASQUET
- Die Entstehungsgeschichte von HeldenStärker
- Was kann man tun?
Tags:
Gesundheit und Leben | Gesundheitswesen | Justiz | Kinder | Medizin | Notfallrettung
Auszeichnungen:
"Wächterpreis der Tagespresse" 2024