Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 06.01.2016

von Frank THONICKE

Die Ära nach Jürgen Emig

Hessische/Niedersächsische Allgemeine , 02.04.2004

FRANKFURT. Die heutige Rundfunkratssitzung des Hessischen Rundfunks (hr) wird wohl so spannend wie schon lange keine mehr. Im Mittelpunkt werden die umstrittenen Praktiken des Senders stehen, bei Sportvereinen und Verbänden für deren Präsenz im Fernsehen abzukassieren. Das Kassieren von Geld war eng mit einer Person im hr verknüpft: Sportchef Jürgen Emig musste seinen Hut nehmen, nachdem unsere Zeitung aufgedeckt hatte, dass es offenbar zu enge Verflechtungen zu der Sponsoring-Agentur seiner Ehefrau Atlanta Killinger gegeben hat.

Inzwischen sind weitere Vorwürfe gegen Emig und seine Praktiken aufgetaucht. Es geht um die Berichterstattung über das Footballteam Frankfurt Galaxy, um Handballübertragungen und den Ironman Germany.

Mancher im Rundfunkrat befürchtet, dass mit der Person Emig noch lange nicht das System Emig aus der Sportredaktion des Senders verschwunden ist. Dass Geld für Übertragungen kassiert wird, ist vor allem dem Landessportbund Hessen ein Dorn im Auge. Dessen Präsident Rolf Müller ist auch Mitglied des Rundfunkrates. Von der heutigen Sitzung erwartet er mehr Transparenz in der Sportberichterstattung des hr. Müller zu unserer Zeitung: Es müssen Regeln festgelegt werden, nach welchen journalistischen Kriterien übertragen wird. Er glaube aber, dass Intendant Helmut Reitze für diese Transparenz nun sorgen werde.

Sicher scheint, dass auf der heutigen Sitzung nicht schon Namen von möglichen Nachfolgern Emigs präsentiert werden. Man könne eine Frau oder einen Mann für den wichtigen Posten schließlich nicht aus dem Hut zaubern, heißt es. Für Landessportbund-Chef Rolf Müller müsse der Nachfolger ein Gesicht haben, das den hr auf dem Bildschirm repräsentiert. Gleichzeitig müsse der Sportchef aber auch die Redaktion richtig führen. Müller: Daran hat es in der Vergangenheit gehapert. Emig war ja viel unterwegs. Der Rundfunkrat wird sich außerdem mit der Berichterstattung des Senders über den größten deutschen Kokain-Fall und die vom Sender behauptete Verstrickung der Polizei darin befassen. Manche meinen, der Beitrag sei schlecht recherchiert gewesen und sei mit den Vorwürfen gegen die Ermittler übers Ziel hinausgeschossen (wir berichteten).