Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 06.01.2016

Lächelnd in die Offensive

Hessische/Niedersächsische Allgemeine , 05.08.2008

Frankfurt. Jürgen Emig ist ein Profi. So einer lächelt gelassen auch in ein Dutzend Kameras. Auch wenn er auf der Anklagebank sitzt. Ein Blitzlichtgewitter prasselt auf den einstigen Sportchef des Hessischen Rundfunks herab, und der Mann, der vorgestern 63 Jahre alt wurde, lächelt. Wenig später wird er vor der Wirtschaftsstrafkammer des Frankfurter Landgerichts ernst, sein Rücken strafft sich und der stets gebräunte Mann mit der Designer-Brille geht in die Offensive: "Natürlich habe ich Fehler gemacht. Dazu stehe ich. Aber ich werde kämpfen, dass mir keine Fehler zur Last gelegt werden, für die andere verantwortlich sind."

Jürgen Emig ist wegen Bestechlichkeit, Anstiftung zur Bestechung, Betrug und Untreue angeklagt. Dafür könnte er bis zu fünf Jahre ins Gefängnis gehen. Emig hatte über die Agentur SMP, deren Geschäftsführer der mitangeklagte Harald Frahm (64) war, hinter der aber in Wirklichkeit die Emig-Ehefrau Atlanta Killinger steckte, bei Sportveranstaltern abkassiert.

"Man ließ mich machen"


Wer ins Fernsehen wollte, musste sich an den Produktionskosten beteiligen. Viel Geld kam dabei zusammen. Über 400 000 Euro sollen laut Staatsanwalt so auf dem Konto des Ehepaares Emig/Killinger gelandet sein. Dass er sich damit strafbar machte, sei ihm erst klar geworden, als der Staatsanwalt an seine Tür klopfte, sagt Emig. Denn beim HR habe man das Einsammeln von Sponsorengeld und die damit verbundene Schleichwerbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stillschweigend geduldet. "Man ließ mich machen", sagt Emig. "Keiner war da, der sagte: Lass doch den Quatsch."

Denn der Sender brauchte Geld. Die Einschaltquoten gingen zurück, man war bei der ARD an letzter Stelle. Da kam einer wie Emig mit guten Kontakten zur Industrie gerade recht. Dass hinter der Agentur SMP seine Ehefrau steckte und dass ein Teil des Geldes nicht zum HR, sondern in die eigene Tasche floss, davon wusste sein Sender nichts, sagt Emig.

Überhaupt übte man sich beim HR im Weghören: "Um Gottes willen, ich will das gar nicht hören", habe etwa Programmdirektor Hans-Werner Conrad gesagt, wenn Emig über seine merkwürdigen Finanzierungsmethoden berichten wollte. Die Vorgesetzten wussten sowieso, wie der Hase lief, meinte der angeklagte Ex-Top-Journalist: "Der HR stellte für die Sendung "Sport am Samstag" genau 11 500 Euro zur Verfügung. Nicht pro Sendung, sondern für das ganze Jahr. Den Verantwortlichen musste damit doch klar sein: Das Geld für die Sendung kommt woanders her."
Nämlich von der Agentur SMP. Die sammelte die nötigen Finanzen ganz einfach ein: Wenn etwa von der Internationalen Autoausstellung berichtet werden sollte, schrieb SMP Opel an: Der HR werde ein Interview mit dem Vorstandvorsitzenden bringen, wenn Opel 30 000 Euro zahle. Gesagt, getan. Emig: "Das machen doch alle Sender so. Nicht nur der HR."

Emig bescheinigte gestern vor Gericht dem HR eine insgesamt "chaotische Buchführung" und eine "chaotische Geschäftsführung". Man habe darüber "einfach nicht geredet". Er sei ein Rädchen im Finanzierungssystem des HR gewesen. Ein erfolgreiches, lobt sich Jürgen Emig selbst: Elf Millionen Euro habe er dem HR eingebracht, der ARD fast 20 Millionen. Er selbst habe davon nichts gehabt: Seine Familie und er stünden fast vor dem wirtschaftlichen Ruin.

Der Prozess wird am 12. August fortgesetzt.