Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 06.01.2016
von Frank THONICKE
Nun ist der Fernsehausschuss am Zug
Hessische/Niedersächsische Allgemeine , 10.03.2004
FRANKFURT/KASSEL. Empörung, Verwunderung und Staunen - diese Reaktionen haben unsere Berichte über Praktiken des Hessischen Fernsehens hervorgerufen. Der HR setzt Sportvereine unter Druck, in dem er von ihnen eine finanzielle Beteiligung bei Sportübertragungen fordert. Wer nicht zahlt, über den wird nichts gesendet, lautet die Formel. Medienrechtler halten das bei einer öffentlich-rechtlichen Anstalt wie dem HR für verboten.
Das Vorgehen des HR wird nun auch Konsequenzen haben. Dr. Rolf Müller, Chef des Landesportbundes und gleichzeitig Rundfunkratsmitglied, wird die Praktiken des HR vor den Fernsehausschuss des Senders bringen. Müller will nun wissen, wie das Sponsoring-System beim Hessischen Rundfunk läuft: Als Mitglied des Rundfunkrates will ich wissen, wie das beim HR konkret gemacht wird. Als Präsident des Landessportbundes kann ich nicht zulassen, dass es im Sport eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt. Die der reichen Vereine, die zahlen können und deren Veranstaltungen übertragen werden und die der Armen, die nichts haben und also auch nicht im Fernsehen vorkommen. In unserem gestrigen Bericht hatten wir zwei Beispiele aus dem Handball und dem Reiten geschildert. Die Melsunger Handballer zahlten für eine Fernseh-Übertragung des Pokalspiels gegen Lemgo im Jahr 1999 und der Veranstalter des Spangenberger Reitturniers überweist jedes Jahr Geld an den HR.
Auch Rundfunkrats-Mitglied Gerhard Bökel (SPD) will das Thema Sponsoren auf der Sitzung des Programmausschusses des Hessischen Rundfunks in der nächsten Woche ansprechen. Auch eine mögliche Verflechtung von beruflichen und privaten Interessen von HR-Sportchef Jürgen Emig - seine Frau Atlanta Killinger betreibt eine Sponsoring-Agentur - soll laut Bökel erörtert werden.
Der SPD-Landtagsabgeordnete sieht die ganze Sache bisher aber eher gelassen: Der öffentlich-rechtliche Auftrag heißt ja nicht, dass es verboten ist, sich Sponsoren zu suchen, sagte Bökel gestern unserer Zeitung. Der hessische Landtagsabgeordnete Tarek Al-Wazir von den Grünen sitzt ebenfalls im Rundfunkrat. Auch für ihn sind unsere Recherchen jetzt Anlass, nachzuhaken. Besonders die Rolle von HR-Sportchef Jürgen Emig müsse beleuchtet werden, sagt Al-Wazir.
Verwundert zeigte man sich bei anderen Fensehanstalten. Beim Bayerischen Fernsehen hieß es, von einer derartigen Vorgehensweise, wie es sie beim HR gibt, habe man noch nichts gehört. Beim ZDF betont man, dass man für alle Sportübertragungen zahle und weder eine Gegenleistung erwarte noch bekomme. Das ZDF habe einen Generalvertrag mit dem Deutschen Sportverband, in dem die Zahlungen an die Vereine und Verbände geregelt sind. Das gelte auch für Sportarten, die nicht so im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, wie zum Beispiel Rudern. Ein Sprecher des ZDF zu unserer Zeitung: Wir zahlen überall und bekommen nirgendwo etwas. Der offizielle Hessische Rundfunk zog ob der Vorwürfe gestern den Kopf ein. HR-Intendant Dr. Helmut Reitze wollte nichts sagen. Auch die Vorsitzende des Rundfunksrates, Edith Strumpf (FDP), war zu keiner Stellungnahme bereit.
Online am: 06.01.2016
Inhalt:
- Der Fall Jürgen EMIG im Überblick
- Auf1Blick: die Affäre Jürgen EMIG und der Hessische Rundfunk
- Wie die Geschichte 'Bestechung im Hessischen Rundfunk' entstand
- Chronologie der Bestechlichkeit
- Die Verflechtungen grafisch: Jürgen EMIG's Netzwerk und der Hessische Rundfunk
- Das ABC der Akteure: Jürgen EMIG und der Hessische Rundfunk
- Jürgen EMIG - der Prozess
- Der Fall Wilfried MOHREN beim MDR
- Käuflichkeit von Sendeplätzen
- "Qualität ist gleich Transparenz" - ein Interview
- Ignoranz und Selbstgefälligkeit beim Hessischen Rundfunk
- Die Zeitung HNA
Tags:
Hessisch-Niedersächsische Alllgemeine (HNA) | Öffentlich-rechtliches Fernsehen | Frankfurt/M. | Korruption | Sport | Hessen
Auszeichnungen:
"Wächterpreis der Tagespresse" 2006
Die Menschen hinter dieser Geschichte:
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