Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 06.01.2016

von Frank THONICKE

"Vielleicht war ich naiv"

Hessische/Niedersächsische Allgemeine , 28.08.2008

Dem 63-Jährigen wird vorgeworfen, für Sendungen Geld kassiert zu haben. Mindestens 500.000 Euro soll er in die eigene Tasche gesteckt haben. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Am Donnerstag sagte vor dem Frankfurter Landgericht der ehemals zweithöchste Mann im HR, Hans-Werner Conrad, aus. Der 66-Jährige war von 1989 bis 2005 Fernsehdirektor.

Conrad schilderte, dass es im Sender immer wieder Gerüchte gegeben habe: Beim HR könne man Sendungen kaufen, und Emig würde die Hand aufhalten. Beweise habe es aber nie gegeben, und nachgefragt wurde offenbar auch nicht. Conrad: "Vielleicht war ich ja naiv. Aber auf die Idee, Jügen Emig mal zu fragen, bin ich nie gekommen." Insbesondere die Frage, ob an der Agentur SMP, über die die Geschäfte liefen, nicht auch die Emig-Ehefrau Alanta Killinger beteiligt war, wurde nie gestellt. Und auch die Revisions des Senders, so Conrad, habe nie etwas Merkwürdiges festgestellt.

Vielleicht lag es auch daran, dass Emig wegen der Beschaffung von Sponsorengeldern besonders in den höchsten HR-Etagen ein äußerst beliebter Mann war. "Er hatte ein gutes Standing", sagte Ex-Programmdirektor Conrad. Das zahlte sich für Emig auch aus: 1997 bekam er vom damaligen Intendanten Berg eine Leistungsprämie.

Denn Drittmittel, also Geld von Sponsoren oder Sportveranstaltern, waren beim HR höchst willkommen. Hans-Werner Conrad: "Der HR war finanziell nicht in der Lage, Großveranstaltungen wie das Skispringen in Willingen oder das Radrennen rund um den Henninger Turm zu stemmen."

Die Beschaffung der Gelder von Sponsoren und Veranstaltern sei im Rundfunkrat diskutiert worden - man hielt sie auch für legal. Im übrigen sei diese Art vom Geldbeschaffung auch in anderen ARD-Anstalten üblich. Dass die Agentur SMP und damit das Ehepaar Emig/Killinger kassierte und zuweilen nichts und oft nur wenig an den Sender ablieferte, habe er erst gemerkt, als Jürgen Emig schon vom Sender entlassen worden war, sagte Conrad.

Auch in den erfolreichen Jahren konnte der geschätzte Mitarbeiter Emig mitunter nerven, schilderte Conrad weiter. Immer wieder sei der "dynamische und ehrgeizige Sportchef" Emig mit neuen Sendungen angekommen, für die er zwar Sponsoren hatte, aber die eigentlich kein Zuschauer sehen wollte. Conrad: "Ich habe dann immer gesagt: Die Einschaltquoten im Sport sind ja niedriger als die für Religionssendnungen."
Für derlei Programm Geld aufzutreiben, dazu habe man Emig aber nie gezwungen. Conrad: "Es gab keinen Druck, keinen Wunsch und keine Erwartung des HR, dass Jürgen Emig Geld beschaffen sollte."