Ignoranz und Selbstgefälligkeit beim Hessischen Rundfunk

Ein anderes Beispiel


Die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Sportchef Jürgen EMIG beim hr sind/waren symptomatisch für eine "öffentlich-rechtliche" Institution, die sich Anregungen oder Kritik nicht mehr stellen wollte bzw. meinte, dies nicht nötig zu haben. Die Erfahrung indes lehrt anderes: Wer sich Kritik nicht stellt und damit nicht offen umgehen kann oder will, wer sich selbst für unangreifbar oder unfehlbar fühlt, verliert die Bodenhaftung: Man merkt nicht mehr, was wirklich vor sich geht.

Dass dieser Vorgang kein Einzelfall ist/war, zeigt das nachfolgende Beispiel einige Jahr zuvor. Es ist dem Buch "Sind ARD und ZDF noch zu retten? Tabuzonen im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk", herausgegeben von Johannes Ludwig, entnommen, konkret dem Kapitel "Rundfunkräte als 'Medienwächter': zwischen Engagement und Überforderung":

Wissenschaftler des Instituts für Kommunikationswissenschaft an der Uni München, Hans-Bernd Brosius, Patrick Rössler und Claudia Schulte zur Hausen, hatten im Herbst 1998 mit einer von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft finanzierten Untersuchung begonnen, die sich mit der „Qualität der Medienkontrolle“ beschäftigen sollte. Konkret hatten die Medienforscher eine repräsentative Auswahl der deutschlandweit insge­samt 940 als Rundfunk- oder Medienrat tätigen Personen mit einem Fra­gebogen angeschrieben. Organisatorisch liefen die Anschreiben über die jeweiligen Büros dieser Gremien („Gremienbüros“). Auch beim Hessi­schen Rundfunk.

Der allerdings – angeführt von seinem Intendanten „Prof. Dr. Klaus Berg“ – gedachte sich diesem Evaluierungsvorhaben zu versagen. Dass sich der Intendant des Hessischen Rundfunks – selbst Mitherausgeber der so genannten Langzeit-Studie „Mediennutzung“ – einer wissenschaftli­chen Studie Dritter verweigerte, ist der eine Aspekt. Die Münchner Me­dienwissenschaftler wollten konkret der Frage nachgehen, ob und inwieweit die in der (damals) aktuellen Diskussion geäußerten Befürchtungen zutreffend seien, die nachmittäglichen Talkshows im Fernsehen seien verroht, reißerisch und jug

Der andere Aspekt ist in unserem Kontext aufschlussreicher:

  • Das Anschreiben der Wissenschaftler richtete sich an den Rundfunkrat bzw. dessen Vorsitzenden. Also an jenen, der für die Kontrolle zu­ständig ist.
  • Geantwortet hatte nicht der Angeschriebene, sondern der zu Kontrol­lierende, der Intendant:
  • Er, der zu Kontrollierende, würde „in Übereinstimmung“ mit seinem Kontrolleur mitteilen,
  • dass sich – nicht der Rundfunkrat, sondern – der „Hessische Rund­funk“ als solcher daran nicht beteiligen werde:

Alltag und Normalität beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk?

Der Fall EMIG sowie dieser Vorgang mögen Einzelfälle und nicht durchgehend repräsentativ für das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem sein. Dass diese Branche allerdings tatsächliche Probleme mit Ignoranz und Selbstgefälligkeit hat, zeigt ein drittes Beispiel, bei dem sich das DokZentrum selbst mit dem überheblichen Besserwissergehabe des Systems konfrontiert sah. Konkret mit der offenbar absoluten Kritikunfähigkeit der Redaktion panorama beim NDR:

Das DokZentrum ansTageslicht.de hatte sich im Zusammenhang mit der Vergabe eines Wächterpreises an die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Jahr 2008 Gedanken über die Transparenz der Rundfunkgebühren und deren finanzieller Entwicklung seit 1975 gemacht. Und bekam prompt heftige Reaktionen der panorama-Redaktion zu spüren, mit der das DokZentrum bis zu diesem Zeitpunkt kooperiert hatte. Seitdem nicht mehr.

Mehr zu dieser äußerst seltsamen Geschichte gibt es hier zu lesen: Die panorama-Redaktion des NDR vs. DokZentrum ansTageslicht.de

(JL)