Ein alter Bekannter: Karl WIENAND (SPD)

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Erinnerungen an einen inzwischen Verstorbenen

  • „Er lügt und lügt und lügt“, so hatte der stern 1972 getitelt (Heft 37). Die Bruchlandung eines maroden Ferienfliegers auf der Autobahn zwischen Hamburg und Hannover und der deswegen zusammengetretene Untersuchungsausschuss war der Anlass dieser Story: Wer hatte die Behördenkontakte vermittelt und dafür gesorgt, dass relevante Sicherheitsvorschriften umgangen werden konnten?
  • „Das war eine kriminelle Machenschaft. Da hat Ihnen garnichts zugestanden!“. So Richter Martin BAUR von der 7. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts 32 Jahre später im Dezember 2004 – es ging um das gigantische Schmiergeldkartell beim Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage. „Bis zu 2 Millionen“ habe er erhalten, hatte der Angeklagte und Verurteilte freiwillig zugegeben.

Dazwischen:

  • zum Beispiel 1975: ein richterliches Urteil wegen Steuerhinterziehung. 102.000 DM Geldbuße.
  • zum Beispiel 1996: Verurteilung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom Bundesgerichtshof bestätigt): wegen Spionage für die DDR. Es ging um bezahlte Agententätigkeit für Erich MIELKE’s Stasi-Imperium. Zweieinhalb Jahre Gefängnis, auf Bewährung natürlich, aber immerhin unter Rückzahlung des Agentlohnes von 1 Million DM.

Von wem hier die Rede ist?

Von einem der wichtgsten politischen Entscheidungsträger der 70er Jahre, ehemals rechte Hand des SPD-Fraktionschefs Herbert WEHNER im Bonner Bundestag. Der Name dieses Mannes für „heikle Fälle“ und „fürs Grobe“: Karl WIENAND. 


„Zum sozialliberalen Kernbereich, zur Hand voll ihrer wichtigsten Figuren“ zählt der Zeithistoriker Arnulf BARING diese Figur. Das ist aber nur die politische Betrachtung. Experten, die sich mit Wirtschaftskriminalität und sozialschädlichen Verhaltensweisen beschäftigen, sehen seine zweite, nicht minder prägende Rolle auf der wirtschaftlichen Ebene. Schnittstellen zwischen Politik und Wirtschaft, die als besonders korruptionsgefährdet gelten, waren für den SPD-Bundestagsabgeordneten WIENAND besonders anziehend: hier gab es regelmäßig Geld, und zwar nicht nur ein bißchen, sondern in erheblichen Dimensionen: Geld, das aus der Gemeinschafts-, der Staatskasse kam, und das - bevor es im privatwirtschaftlichen Sektor bei Unternehmen oder wo auch immer landete – anteilig in WIENANDS privaten Taschen floss. Für eine anständige Provision machte dieser Mann alles: Kontakte im Westen vermitteln oder für Erich MIELKE im Osten spionieren. 


Angefangen hatte WIENAND bereits 1950. Bereits mit 24 Jahren wurde er Leiter einer Schule des Deutschen Gewerkschaftsbundes, ein Jahr später Bürgermeister der Gemeinde Rosbach, wiederum ein Jahr drauf, 1953, zog er als jüngster Bundestagsabgeordneter für die (rechte) SPD in das Bonner Parlament ein. Er wurde Vizevorsitzender des Verteidigungsausschusses, 1967 machte ihn der damalige Fraktionschef Helmut SCHMIDT, der später Bundeskanzler wurde, zum parlamentarischen Geschäftsführer der SPD. Bei ihm liefen dann auch in der späteren sozialliberalen Ära unter Willy BRANDT und Herbert WEHNER alle Fäden zusammen. Er war der „Einpeitscher“ der SPD. 


Als 1971 der marode Ferienflieger auf die Autobahn krachte und 22 Tote zu beklagen waren, begann die Staatsanwaltschaft vor allem im Zusammenhang mit WIENAND’s Beraterprovisionen wegen Steuerhinterziehung zu ermitteln. Nachdem der Bundestag seine Immunität aufgehoben hatte (WIENAND wurde 1975 rechtskräftig verurteilt), legte er sein Bundestagsmandat nieder. Jetzt begann seine zweite Karriere, jene als „Unternehmensberater“: als Berater, der aufgrund seiner vorangegangenen Tätigkeiten und politischen Funktionen praktisch überall Kontakte herstellen und Türen öffnen konnte – immer gegen Bares. 


Letzteres ist für einen selbstständigen Berater grundsätzlich nichts ungewöhnliches. Allerdings: es kommt auch ein wenig drauf an, wofür. Ob nur im ureigensten Interesse und dann vor allem auf Kosten anderer, beispielsweise der Allgemeinheit. Oder für reale Geschäfte, die marktwirtschaftlichen Gepflogenheiten entsprechen und die dann Vorteile für beide Seiten haben. Letzteres war für WIENAND die absolute Ausnahme. 

Die meisten seiner ökonomischen Karrierestationen sind unbekannt – Berater bleiben gerne im Hintergrund. Vor allem dann, wenn weniger die fachliche Expertenberatung im Vordergrund steht, sondern Motive ganz anderer Art. 


Beim Kölner Müllkartell, das WIENAND – unter (Aus-)Nutzung seiner alteingestammten Kontakten zu den wichtigsten Entscheidungsträgern der Müllverbrennungsanlage, dem Regierungspräsidenten ANTWERPES, SPD, und den Kölner Oberstadtdirektor RUSCHMEIER, ebenfalls SPD – mit den privaten Managern schmiedete, kassierte er von beiden Seiten. Er hatte einen Beratervertrag mit dem Müll-Multi TRIENEKENS, gleichzeitig aber auch mit der Ingenieursfirma Steinmüller. Der eine hatte, u.a. als Teilhaber und langfristiger Nutzmießer der Müllofenfirma AVG, einen Bauauftrag zu vergeben, die andere Firma wollte den Zuschlag haben. 


‚Unbahängige Beratung’ ist das nicht. Legitime Interessensvertretung einer Firma im Zusammenhang mit Geschäftsverhandlungen auch nicht. Es ist vielmehr eine typische Interessenskollision, die man auch als Untreue bezeichnen kann, weil der vermutete ‚eigene Berater’ gleichzeitig auf der Pay-roll des anderen steht. Wissenschaftler bezeichnen solche Konstellationen als idealen Nährboden fürs Schmieren und Korrumpieren. 
WIENAND’s Rolle in der Müll- und Schmiergeldaffäre können Sie in der Grafik  MVA-Beziehungsgeflecht  nachschauen: in 4 Bildern sind die wichtigsten Zusammenhänge, die Interessen der Akteure und die Wege der Gelder dargestellt 


Dass „finananzielle Interessen sein Handeln bestimmten“, hatten schon die Richter des Düsseldorfer OLG erkannt. Dass WIENAND Probleme mit seinen Steuerpflichten hat, wird im Zusammenhang mit der Kölner Affäre (zumindest) ein zweites Mal bekannt. 


Der Kölner Strafrichter hat die Gemengenlage beim Kölner Müllofen und insbesondere die Rolle von Karl WIENAND als „kriminelle Machenschaft“ bezeichnet. 


Kleinkriminelle wandern hier zu Lande in den Knast. Großkriminelle werden fasst man mit Samthandschuhen an. Nach seiner Verurteilung wegen Spionage zu Gefängnis auf Bewährung wurde Karl WIENAND durch den Bundespräsidenten Roman HERZOG begnadigt. Das Urteil in Köln geht im Dezember 2004 mit einer Bewährungsstrafe, also wiederum ohne Gefängnis aus, weil WIENAND ein Geständnis (mit gesundheitlich bedingten Erinnerungslücken selbstverständlich) ablegt. Angeblich verarmt – das Gegenteil lässt sich schon wegen des Bank- und Steuergeheimnisses nicht nachweisen – muß der schon immer im kleinen Ort namens Windeck wohnende WIENAND, der zu dieser Zeit 77 Jahre alt ist, eine Geldbuße in Höhe von 25.000 Euro berappen. Das sind 2,5% seiner mit der Müllconnection ehemals verdienten Millionen. 


Dass Kriminelle, Räuber und Gangster finanziellen Schaden anrichten, ist bekannt. Der Schaden von Wirtschaftskriminellen ist meist größer, denn es kommen oft irreparable Sozialschäden hinzu. Der um insgesamt rund 25 Schmiergeldmillionen überteuerte Müllofen ist deswegen nur das eine und die deswegen notwendigerweise höheren Müllgebühren für die Kölner auch nur das andere. 


Den weitaus größeren Schaden hat der Vorsitzende Kölner Strafrichter Martin BAUR in seiner Urteilsbegründung so auf den Punkt gebracht: die Affäre habe „das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat fast zum Erliegen gebracht.“

 

(JL)