Bergischer Bote, 20.01.2006

von Ekkehard RÜGER

Reise des Aufsichtsrates schlägt immer höhere Wellen

Reise des Aufsichtsrates schlägt immer höhere Wellen

von Ekkehard RÜGER

Burscheid. Am Mittwoch war es noch allein Stadtwerke-Chef Siegfried Thielsch, gestern gab zusätzlich auch Aufsichtsratsvorsitzender Gustav Ringelberg an seinem 69. Geburtstag Interviews in Serie. Die beiden wurden von den Wellen des öffentlichen Interesses überrollt, nachdem bekannt geworden war, dass der umstrittene Besuch des Burscheider Aufsichtsrates und der Gesellschafterversammlung der Stadtwerke auf einer Förderplattform vor der norwegischen Küste eine ganze Lawine von Ermittlungen losgetreten hat.

Wie berichtet hat die Kölner Staatsanwaltschaft das Verfahren inzwischen auf 30 Stadtwerke, über 100 Kommunalpolitiker und fünf Mitarbeiter von Eon-Ruhrgas ausgedehnt. Ein Teil der Fälle soll bald an die regional zuständigen Staatsanwaltschaften übergeben werden. Rund zehn Stadtwerke bleiben aber in der Kölner Zuständigkeit darunter Burscheid. Hier ist man vor allem bemüht, nicht mit anderen von Eon finanzierten Aufsichtsratsreisen zum Beispiel nach Barcelona oder St. Petersburg in einen Topf geworfen zu werden.

"Ich habe doch nichts zu verbergen", begründet beispielsweise Gustav Ringelberg seine Auskunftsfreude. Er und Thielsch sind sich einig, dass differenziert werden müsse. "Wir waren der Auslöser", räumt der Stadtwerke-Geschäftsführer ein. Aber die Norwegen-Reise im vergangenen Juni sei eine "100-prozentige Informationsveranstaltung" gewesen: mit einem Besuch auf der Plattform und im Gasmuseum sowie einem Vortrag über den Weltenergiemarkt. Und alles ohne Ehegatten. Das sei etwas anderes als eine Tour samt "Begleitung" nach Barcelona ohne jeglichen thematischen Bezug.

Thielsch beharrt auch auf seiner Position, der Vorwurf der Vorteilsnahme ziehe im Falle Burscheid nicht. Die Verträge über die Lieferung von 80 Prozent der jährlichen Gasmenge, über die der Aufsichtsrat entscheide, liefen ursprünglich bis 2012; dazwischen liegen die Kommualwahlen 2009, die den Aufsichtsrat noch einmal umkrempeln können. Und über die restlichen 20 Prozent, die kurzfristiger vergeben werden, entscheidet Thielsch eigenständig -und ist deshalb nicht nach Norwegen mitgefahren. Gleichwohl wird gegen ihn wegen des Verdachts der Beihilfe zur Vorteilsnahme ermittelt, weil er die Einladungen weitergereicht hat.

"Die Grenzziehung ist nicht einfach"

Auch der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft, Günther Feld, betont die Notwendigkeit zur Differenzierung. "Es soll niemand meinen, dass diese Leute alle nur lustig durch die Welt gereist sind" und es sich "nur um Tourismus" gehandelt habe, warnt er vor einer Vorverurteilung. "Die Grenzziehung ist nicht einfach" und sei in jedem Einzelfall notwendig. Dennoch: Auch die Ermittlungen gegen die 17-köpfige Burscheider Reisegruppe dauern an. Und nicht nur gegen sie: Die Staatsanwaltschaft interessiert sich auch für eine auf Kosten von Eon-Ruhrgas erfolgte Straßburgreise des Aufsichtsrates im Jahr 2001 und einen Essener Museumsbesuch im November 2004. Die Zahl der der Vorteilsnahme Verdächtigen aus Burscheid beläuft sich daher auf insgesamt 23. "Ist eine Fahrt nach Norwegen für die Entscheidung vor Ort wirklich wichtig?", fragt Staatsanwalt Feld. "Und wenn es notwendig ist, müssen dann 17 Leute fahren?"

Beruhigt zurücklehnen kann sich derzeit nur der Beigeordnete Stefan Caplan. Er hatte als Mitglied der Gesellschafterversammlung die Einladung auf die Förderplattform sofort abgelehnt, was in den Unterlagen der Stadtwerke auch aktenkundig war. Nach seiner Vernehmung im Oktober erhielt Caplan daher auch die Einstellung des Verfahrens schriftlich.

Anders die Lage beim CDU-Fraktionsvorsitzenden Jörg Baack. Aufgrund seines Berufs als Richter am Kölner Amtsgerichts wird er gerne aus der Burscheider Reisegruppe herausgegriffen. Baack hatte die Reise allerdings mit Schreiben vom 11. April 2005 beim Präsidenten des Amtsgerichtes angezeigt und erklärt, bei Bedenken sofort eine verbindliche Absage auszusprechen. Diese Bedenken wurden nicht geäußert. "Wir sahen von unserer Seite aus keine Veranlassung, Herrn Baack von einer Teilnahme abzuraten", bestätigt Amtsgerichtssprecher Jürgen Mannebeck. "Man kann sich aus moralischer Sicht darüber unterhalten", sagt Baack heute im Rückblick auf seine Teilnahme, "aber eine Straftat ist das aus meiner Sicht nicht." 

17 Teilnehmer in Norwegen dabei

Neben Baack waren noch seine Parteiund Ratskollegen Bürgermeister Hans Dieter Kahrl, Gustav Ringelberg, Manfred Idel und Jürgen Weidemann, Gerd Pieper von der UWG sowie Dieter Müller und Claus Karrenbauer von der SPD dabei, außerdem die sachkundigen Bürger Walter Saalfrank, UWG, Ulrich Conrads, FDP, Sabine Wurmbach, Grüne, Ahmad Torabian und Fred Kühn, SPD, dazu Michael Baggeler, CDU, Michael Schwarz, UWG, und Horst Merten, FDP, für die Gesellschafterversammlung sowie Stadtwerke-Prokurist Christian Meuthen.

Zumindest für die Zukunft zeigen die Beteiligten mitunter Bereitschaft zum Umdenken. "Man kann diese Dinge sicherlich so oder so bewerten", räumt Geschäftsführer Thielsch ein. "Es gibt hier auch eine andere Wahrnehmung als noch vor fünf oder zehn Jahren." Er sei sich keines Vergehens bewusst, sagt dagegen CDU-Parteichef Michael Baggeler. Als Mitglied der Gesellschafterversammlung sei er an keiner Entscheidung beteiligt. Über Konsequenzen könne man sich erst Gedanken machen, wenn das Ermittlungsverfahren abgeschlossen sei.

Sein SPD-Amtskollege Klaus Becker erhofft sich aber eine "Sensibilisierung", die dazu führe, dass Kommunalpolitiker künftig auf solche Reisen verzichten. Innerhalb der Partei war die Fahrt schon vor Reiseantritt kontrovers diskutiert worden.