Das Making-of der Geschichte

aufgeschrieben von Pia HEINEMANN

So fing es an

Einen genauen Zeitpunkt gibt es gar nicht. Es waren immer wieder Gespräche mit Bekannten und Meldungen in den Medien darüber, dass Patienten sich im Krankenhaus schlecht behandelt fühlen. Die Ärzte hätten zu wenig Zeit, seien unempathisch etc. Normales Gejammer, dachte ich lange Zeit. Doch das Gejammer fand auch auf der nächsten Ebene statt: auch Ärzte klagten darüber, dass sie keine Zeit mehr für ihre Patienten hätten, dass der ärztliche Ethos in Gefahr sei – und zwar, weil das moderne Abrechnungssystem DRG ("Fallpauschalen-System") nichts anderes mehr zulasse.

Gleichzeitig kam es häufiger zu Meldungen, dass unnötige Operationen gefördert würden, dass wenn beispielsweise der Vergütungssatz für Hüft-OP in einem Jahr steigt, Kliniken diese Operationen auch vermehrt anbieten. 

In der Brainstorming-Konferenz der Welt am Sonntag kam dann das Thema „überflüssige Operationen“ auf – und wir beschlossen, dass wir daraus ein „Titelthema“ machen, also eine lange Geschichte im zweiten Buch der "Welt am Sonntag". Das Thema ist relevant und für jeden Leser interessant: Jeder wird früher oder später einmal im Krankenhaus eine Behandlung benötigen bzw. hat Freunde oder Angehörige, die im Krankenhaus liegen.

Ich habe mich dann mit vielen Ärzten unterhalten und auf einigen Fachveranstaltungen umgehört. Überall diese Klage: Das DRG-System ist schuld, an Kliniken ist die Arbeit als Arzt unerträglich geworden, manchmal schrappt man scharf an der Gefährdung der Patienten vorbei.

Natürlich reicht das Gejammer von Patienten und Ärzten nicht für eine gute Geschichte. Die harten Zahlen zur den Fallpauschalen, die Anzahl der verschiedenen Behandlungsarten – das alles zusammenzutragen und auszuwerten war der zweite Teil der Recherche. Dabei ist mir wieder einmal klar geworden: Es gibt Bereiche, in denen es keine Zahlen, keine Statistiken gibt. Dafür gibt es in der Regel einen Grund. Und es gibt Bereiche (wie das Gesundheitssystem), in denen es eine schier unfassbare Menge an Zahlen und Statistiken gibt. Auch das scheint einen Grund zu haben. Es war relativ schwierig, die wirklich validen Zahlen letztlich zusammenzubekommen.

In einem dritten Teil der Recherche habe ich dann auch Experten befragt, die das Krankenhaussystem erforschen. Dadurch sollte erklärt werden, wieso das DRG-System überhaupt eingeführt wurde. Und ich konnte mit Krankenhausmanagern sprechen, die mir die Idee hinter dem System erklärt haben. Diese Experten haben mir weitere Informationen zukommen lassen und mich auch noch auf die ein oder andere Statistik hingewiesen.

Im letzten Schritt wurde dann noch die Politik befragt, warum man da nicht endlich etwas ändert – wenn doch eigentlich alles klar zu sein scheint, warum das Fallpauschalensystem eine Fehlentwicklung ist.

Die Reaktion

Nach der Veröffentlichung bekam ich etwa 40 Leserbriefe, die meisten von Patienten mit dem Tenor „Endlich schreibt das mal jemand auf, ich hab das schon immer gesagt“. Einige Ärzte haben geschrieben, sich bedankt – und zudem auf weitere Missstände im System hingewiesen (Infos für weitere Geschichten, die aber noch nicht geschrieben sind). Es gab auch eine wütende Reaktion, etwa von Chirurgen und Klinikdirektoren, die alles naturgemäß ganz anders sahen – aber kein stichhaltige Gegenargumente fanden.