Derweil kommt es im Düsseldorfer Klinikum in der Nacht des 8. auf den 9. Dezember zu einem Vorfall. Einem Mann, den man nicht mehr ins Leben zurückholen konnte und dessen Organe nach Einwilligung der Angehörigen zur Spende anstehen, sollen die für andere manchmal totkranken Menschen lebensrettenden Organe entnommen werden. Alles ist für die Operation zur Organentnahme vorbereitet. Allerdings: Es fehlt ein Protokoll, das zwingend vorgeschrieben ist; gemeinhin spricht man auch vom „zweiten Protokoll“, wobei die Formulierung unwesentlich ist. Hintergrund:
Wie die erste so soll auch die zweite Untersuchung zur Hirndiagnostik und Unterschrift eines weiteren, d.h. zweiten Arztes, der eine eigene Untersuchung anstellen muss, unmissverständlich dokumentieren, dass bei dem Toten tatsächlich der Hirntod eingetreten ist, der die absolute Voraussetzung für die Entnahme von dann postmortalen Organen darstellt. So schreibt es zwingend das Transplantationsgesetz von 1997 vor.
Fehlt das zweite "Protokoll" bzw. die zweite Unterschrift eines weiteren unabhängigen Arztes, der nicht zum Transplantationsteam oder dem Entnahmeteam gehören darf, so darf nicht entnommen werden. Grundsätzlich nicht!
Im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universitätsklinikum wird trotzdem entnommen. Ein Vorfall, der vier Wochen drauf im Januar 2006, bei einer routinemäßigen monatlichen Besprechung der DSO-Mitarbeiter in NRW, zur Sprache kommt. Und der mit dem Satz protokolliert wird, dass bei dieser Organentnahme "formal nicht alles korrekt" gelaufen sei. Konkret: Die Entnahme hätte nach dem Wortlaut und der Intention des Gesetzes – zu diesem Zeitpunkt - nicht stattfinden dürfen. Denn grundsätzlich gilt: Ob ein Hirn tatsächlich ‚seinen Geist aufgegeben’ hat (Hirntod eingetreten ist) und
- ob und
- wie man das eindeutig feststellen kann,
ist längst umstritten, auch wenn zu dieser Zeit - offiziell - das seit 1968 geltende Hirntod-Konzept angewandt wird. In jedem Fall schreibt das Gesetz deswegen eine weitere Hirntod-Untersuchung vor, die nicht vom selben Arzt vorgenommen werden darf. Und die dann auch lückenlos dokumentiert sein muss.
Im konkreten Fall war der Hirntod bereits eingetreten – so die Obduktion der Rechtsmedizin danach.
Dieser Vorfall wird Folgen haben. Nicht für jene, die eindeutig falsch gehandelt haben, also die seitens der DSO darin verwickelten Akteure, sondern für jene Person, die dies zur Sprache bringt und dieses Problem bzw. diesen Fehler thematisieren will: eine Krankenschwester im Dienste der DSO.
Die interne Auseinandersetzungen um die Aufarbeitung des Vorfalls sind heftig und ziehen sich lange hin; 2007 spricht die DSO der Koordinatorin die Kündigung aus. Es kommt zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung.
Fünf Jahre später, am 8. Mai 2012, wird die taz -Redakteurin Heike HAARHOFF diesen Fall aufgreifen: in einem ganzseitigen Artikel Monopolist der Organe. Anlass für die DSO bzw. den medizinischen Chef, Prof. Dr. med. Günter KIRSTE, die taz, die tageszeitung auf Unterlassung zu verklagen. Die taz soll danach nicht mehr behaupten dürfen, "es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll." . Bei Zuwiderhandlung solle die Zeitung ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro zahlen.
Die taz wiederum wird daraufhin eine Strafanzeige gegen den DSO-Chef KIRSTE stellen: wegen "Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt" - KIRSTE habe vor Gericht "gelogen".
Der Fall wird im Mai 2013 vor dem Frankfurter Landgericht verhandelt werden