Wie die taz im Oktober 2011 mit ihren Organspenden-Recherchen begann

Ein Making-of, wie mit Hilfe vieler Informanten und Wistleblower alles begann. Eine Rekonstruktion von Heike HAARHOFF, taz

Am 9. Oktober 2011 erreicht mich beim Sonntagsdienst in der taz ein anonymer Brief per Email. Der Brief sei, so steht es in dem Schreiben, von „DSO-Mitarbeitern“ geschrieben worden, also von Beschäftigten der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Näher geben sich die Verfasser nicht zu erkennen.

Die Vorwürfe, die der Brief auf mehreren Seiten auflistet, richten sich gegen die beiden Vorstände der Stiftung, den Mediziner Günter Kirste und den Kaufmann Thomas Beck. Sie sind erheblich: Es ist die Rede von Vetternwirtschaft, Mobbing, Führungsstil nach Gutsherrenart, Verschwendung von Krankenkassengeldern und strategischen Fehlentscheidungen, die zu einem Rückgang der Organspenden führten. Bereits am 7. Oktober 2011 ist der Brief, das jedenfalls legt der Verteilerkreis nahe, zahlreichen Bundestagsabgeordneten, Mitgliedern des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag, dem Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sowie Mitgliedern des DSO-Stiftungsrats als Aufsichtsgremium zugegangen. In die Medien hat es der Brief dagegen bislang nicht geschafft.

Die DSO, eine privatrechtliche Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main, ist nicht irgendein Verein. Sie ist zuständig für die bundesweite Koordinierung sämtlicher postmortaler Organspenden; ihr hat der Staat hoheitliche Aufgaben überantwortet, die einen der sensibelsten bioethischen Bereiche betreffen: die Organspende. Ihre Auftraggeber sind laut Transplantationsgesetz die Bundesärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Das DSO-Budget wird aus den Beiträgen der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert.

Ich selbst habe mich mit der DSO bis zu diesem Zeitpunkt nicht beschäftigt. Das gesundheitspolitische Ressort der taz habe ich erst ein Jahr zuvor, im Oktober 2010, übernommen; Organspende ist innerhalb der Bandbreite, die ich theoretisch journalistisch abdecken sollte und praktisch, weil Einzelkämpferin, unvollständig und in winzigen Ausschnitten abbilde (Gesundheitspolitik, Gesundheitswirtschaft, Medizinberichterstattung, Wissenschaft, Bioethik) ein Nischenthema, und aus politischer Sicht bestenfalls geeignet für Sonntagsreden.

Allerdings strebt das Parlament – treibende Kräfte sind die Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Frank-Walter Steinmeier - gerade eine gesetzliche Neuregelung der Organspende an: die bisherige erweiterte Zustimmungslösung soll durch die Entscheidungslösung ersetzt werden. Die parlamentarische wie gesellschaftliche Debatte hierzu startet gerade, insofern sind mir Organspende, Hirntodkonzept und Transplantationsmedizin geläufig – ein paar Artikel habe ich dazu geschrieben, aber eben keinen über die DSO. Dass es dort offenbar massive Probleme gibt – keine Ahnung.

Auch warum ausgerechnet ich den Briefe erhalte – weiß ich nicht. Möglicherweise, weil ich mich zuletzt häufig mit bioethischen Themen beschäftigt habe. Möglicherweise, weil diejenigen, die den Brief an mich schickten, wussten, wofür die taz einst gegründet wurde und insofern hofften, Gehör zu finden: Unterdrückten eine Stimme zu geben, Minderheiten zu schützen, für Gerechtigkeit einzutreten, Öffentlichkeit herzustellen über bestehende Missstände ohne das Ansehen der Person usw.usf.

Ehrgeizige Ziele, hohe Ansprüche, die es mir im Redaktionsalltag nicht immer in dem Maß einzulösen gelingt, wie ich mir das wünsche. Vielleicht (und das ist die wahrscheinlichste Variante) ist es aber auch ganz schlicht so, dass der Brief mehreren Medien zuging, und ich das Glück hatte, zufällig Sonntagsdienst zu haben und ihn als eine der ersten zu lesen.

Ein Blick ins Archiv zeigt, dass es in der Vergangenheit immer mal wieder Beschwerden von Mitarbeitern/ Ungereimtheiten bei Organspenden/ Rechtsstreite zwischen DSO und Beschäftigten gegeben hat; insofern erscheint der Brief nicht völlig abwegig. Was mich zudem stutzig macht, ist die Detailkenntnis. So schreibt keiner, der einfach nur pauschal stänkern will, so schreiben Insider. Das spricht für die Glaubwürdigkeit des Briefs. In der Frankfurter DSO-Zentrale ist (es ist Sonntag!) aus der Pressestelle oder aus dem Vorstand niemand zu erreichen, der Stellung nehmen könnte. Es ist ein nachrichtenarmer Sonntag. Nach Rücksprache mit meinen Kollegen entscheide ich mich für einen sehr kurzen Bericht, der die Vorwürfe knapp zusammen fasst und hervor hebt, dass es sich um eine anonyme Quelle handelt.

Der Sturm, den dieser wirklich sehr kurze Artikel auslöst, überrascht mich: Die DSO-Pressesprecherin beschwert sich tags darauf im Namen des Vorstands bei mir. Wie ich es hätte wagen können, über anonyme Vorwürfe zu berichten, an denen selbstverständlich „nichts“ dran sei? Auch der Stiftungsrat weist alle Anschuldigungen so umgehend wie empört zurück. Und schließlich: Der DSO-Betriebsrat verfasst ein persönliches Schreiben an mich, Tenor: alles aus der Luft gegriffen, die DSO-Mitarbeiter fühlten sich nicht eingeschüchtert. Punkt.

Das Schreiben lässt der Betriebsrat über die Pressestelle seines Arbeitgebers an mich schicken. Es ist nur ein Detail, aber: welcher Betriebsrat verschickt seine Erklärungen freiwillig via Arbeitgeber, welcher Betriebsrat weist so brüsk Vorwürfe zurück, die doch immerhin (von ihm zu schützende!) Beschäftigte erhoben haben sollen, ohne sich umfassend Zeit genommen zu haben, sie wenigstens zu überprüfen? Welcher Betriebsrat tritt so devot auf, welcher Betriebsrat missversteht seine Rolle und Aufgabe derart – es sei denn, er selbst fürchtet seinen Arbeitgeber genauso sehr wie der Rest der Mitarbeiter offenbar auch? Zu diesem Zeitpunkt ist es nur ein vages Gefühl: Irgendetwas stinkt an der Sache.

Die FAZ greift das ungewöhnliche Schreiben des Betriebsrats an mich in einem Bioethik-Blog auf, andere Medien steigen in die Berichterstattung ein. Das Thema nimmt an Fahrt auf.

Dazu kommt: Dafür, dass angeblich „nichts“ an der Sache dran ist, reagiert der DSO-Stiftungsrat nur wenige Tage später mit einem bemerkenswerten Beschluss: Zwar sei ein „ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Vorwürfen und dem Rückgang der Organspendezahlen nicht erkennbar“, teilt der Stiftungsrat Mitte Oktober 2011 in einer Pressemitteilung mit. Dennoch habe der Stiftungsrat eine Überprüfung der Vorwürfe durch einen externen unabhängigen Wirtschaftsprüfer beschlossen. Auch wolle man „das weitere Vorgehen“ mit dem Regierungspräsidenten von Darmstadt als zuständiger Stiftungsaufsicht „abstimmen“. Der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hält ein eigenes Einschreiten indes für unnötig. Er habe jedoch die zuständigen Aufsichtsgremien „um schnelle Prüfung gebeten“, teilt ein Sprecher mit.

Ich würde den Vorwürfen gern selbst nachgehen – komme aber nicht weiter mit der Recherche. Die DSO macht dicht. Dann, plötzlich, erhalte ich aufgrund meiner wenigen, spärlichen Artikel anonyme Anrufe. Von ehemaligen DSO-Mitarbeitern, von derzeitigen DSO-Mitarbeitern, von Menschen, die die Organspende-Szene extrem gut kennen. Sie alle eint der große Frust über die Führung und strukturellen Defizite einer Organisation, die aus ihrer Sicht zunichte machen, wofür alle diese Menschen sich verschrieben haben: die Förderung der Organspende.

Zunächst melden sich diese Whistleblower anonym, manche Namen erfahre ich erst nach Wochen, es kommt zu konspirativen Treffen an unmöglichsten Orten und zu unmöglichsten Zeiten – so groß ist die Angst. Einige Informanten glauben sogar, sie würden beschattet. Manche schalten bei den Treffen ihre Mobiltelefone aus – um nicht geortet werden zu können. Bei mir verstärkt sich der Eindruck, es mit einer Sekte zu tun zu haben. Spektakuläre Geheimnisse erfahre ich zu diesem Zeitpunkt: keine.
Die ersten Treffen und Gespräche dienen im Grunde genommen nur dazu, mich „abzuchecken“, in Erfahrung zu bringen, ob ich vertrauenswürdig bin und vor allem: ob ich die Organspende als Therapiemittel grundsätzlich befürworte. Denn darum geht es den Kritikern der DSO: Sie wollen ja nicht der Organspende schaden, indem sie Missstände innerhalb der Organisation öffentlich machen. Sie wollen keinen Umsturz. Sie wollen lediglich, dass es fair und transparent zugeht. Dass sie endlich wieder guten Gewissens ihre Arbeit machen können. Hierfür suchen sie mediale Unterstützung.

Ich frage mich, ob es sich lohnt, so viel Zeit zu investieren in eine Recherche mit ungewissem Ausgang. Meine Redaktion fragt sich das auch. Wirklich brisante Informationen habe ich bislang nicht erhalten, und das Misstrauen, das manche der taz als Zeitung zunächst entgegen bringen, ist auch nicht gerade schmeichelhaft. Einige Informanten zögen eine Berichterstattung in wirklich großen, einflussreichen Medien vor, und das sagen sie mir auch so. Allein: die wirklich großen, einflussreichen Medien interessieren sich in diesem Herbst 2011 erstmal nicht für die DSO. Die DSO, sie ist zu diesem Zeitpunkt kein Mainstream-Thema.

Ich starte eine Archiv-Recherche. Ich rufe sämtliche Leute an, von denen ich denke, dass sie etwas wissen könnten über die Hintergründe. Ich telefoniere mich quer durch die DSO. Ohne nennenswerten Erkenntnisgewinn. Ich vernachlässige meine anderen Themen. Scherzhaft fragen mich Kollegen, die nicht im Verdacht stehen, mir Böses zu wollen, ob wir jetzt eine Redakteurin für Organspende und sonstige gesundheitspolitische Themen haben.

Es ist wie bei allen Themen, in die sich Journalisten über das übliche Maß hinaus vergraben: Irgendwann geraten sie (auch bei Kollegen) in Verdacht, mehr als Aktivisten denn als Journalisten zu agieren. Der Vorwurf, es gehe hier doch tatsächlich um eine Kampagne, wird dann zuweilen geäußert, manchmal aus Neid: Denn die Möglichkeit, intensiv zu recherchieren, gehört bei vielen Medien längst zum Luxus. Wir sind in den Redaktionen gemeinhin einfach nicht so viele, wir haben – bei rasant sinkender Auflage - nicht das Geld, als dass wir es uns leisten könnten, so viel Zeit in ein einziges Thema zu stecken. Und dann ist die Frage ja auch tatsächlich: will der Leser das eigentlich wirklich so genau und detailreich wissen?

Die DSO-Recherche ist eine von denen, bei denen ich immer wieder meine eigene Rolle hinterfragt habe – wie sorge ich dafür, die nötige journalistische – und kritische - Distanz zu wahren? Objektiv zu bleiben? Mich nicht vereinnahmen zu lassen? Den Kompass nicht zu verlieren – was ist, bei aller Detailliebe, berichtenswert, was nicht? Ich habe mich mit anderen Journalisten, die investigativ arbeiten, beraten. Ich kann nicht behaupten, dass ich die Ansprüche, die ich an mich selbst hatte, immer eingelöst hätte. Ich kann nicht sagen, immer über den Dingen gestanden zu haben. Aber: Je mehr ich wusste, desto mehr wollte ich wissen. Desto empörter war ich auch.

Und dann fassen die Informanten plötzlich Vertrauen. Erzählen. Treffen sich mit mir. Rufen an. Viele der internen Dokumente, die belegen, dass die Vorwürfe aus dem anonymen Brief keineswegs frei erfunden sind, sondern vielmehr nur die Spitze des Eisbergs, erhalte ich weiterhin anonym – ein bis dahin geheim gehaltenes, brisantes wissenschaftliches Gutachten etwa, das belegt, dass die viel gerühmten Inhousekoordinatoren und Transplantationsbeauftragten keineswegs automatisch dazu beitragen, dass die Organspendezahlen in Deutschland steigen. Weil diese gewünschte Steigerung tatsächlich von ganz anderen Faktoren abhängt. Die Überprüfung der Informationen auf Echtheit und Wahrheitsgehalt kostet viel Zeit.

Im Laufe der Monate lerne ich: Intransparenz, Gefälligkeiten, aber auch Schweigen aufgrund gegenseitiger Abhängigkeiten prägen seit Jahren das System DSO. Im Stiftungsrat, dem Aufsichtsgremium, das den DSO-Vorstand kontrollieren soll, sind die personellen Verflechtungen und Ämterhäufungen immens, eine Gewaltenteilung ist inexistent. Wulf-Dietrich Leber beispielsweise tritt als Leiter der Abteilung Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband einerseits als Vertreter der Auftrag- und Geldgeber der DSO auf. Andererseits soll er - als Mitglied des DSO-Stiftungsrats - die Stiftung und deren Vorstand kontrollieren. Außerdem ist Leber Mitglied der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer (StäKo), die Empfehlungen zu Organspende, -vermittlung und -verteilung gibt, Richtlinien mitentwickelt und Parlamente und Regierungen berät. In dieser StäKo wiederum sitzt aber auch der Medizinische Vorstand der DSO, Günter Kirste, dessen Stiftung von den Krankenkassen finanziert und kontrolliert wird. Und da soll es keine Interessenkollisionen geben?

Oder Wolf Otto Bechstein, Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main: Der DSO-Stiftungsratsvorsitzende und damit oberste Kontrolleur profitiert zugleich von ihr. Bechsteins Klinik ist als Einzige in Hessen für Lebertransplantationen ausgewiesen. Die Kosten für sämtliche Organentnahmen an seiner Klinik, Chirurgen inklusive, erstattet die DSO; sollen Explanteure aus Bechsteins Team besser vergütet werden, dann handelt die DSO dies mit aus. Zugleich ist Bechstein auch Mitglied der StäKo sowie Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG), einer wissenschaftlichen Gesellschaft, deren Ziel die Förderung der Transplantationsmedizin ist. Kurz: Sämtliche Informationen über Organisation, Verteilung, Vergütung, Richtlinien zu Organspenden und Transplantationen laufen bei ihm zusammen.

Die DSO ist freilich nicht die einzige Einrichtung, die mit nichts Geringerem als der Verwaltung von Lebenschancen betraut ist und sich zugleich staatlicher Kontrolle entzieht: Die Richtlinien zur Organverteilung etwa werden von der Bundesärztekammer verabschiedet, einer Organisation, die nicht einmal den Status eines eingetragenen Vereins besitzt, und die die Mitglieder ihrer StäKo nach Gutdünken rekrutiert. Die Vermittlungsstelle für die Organe wiederum ist Eurotransplant, eine privatrechtliche Stiftung mit Sitz im niederländischen Leiden: Gegen etwaige Verteilungskriterien vor Gericht zu klagen, ist für Patienten damit praktisch unmöglich.

Je länger ich mich mit der DSO beschäftige, desto überzeugter bin ich: Das System insgesamt braucht, will es Vertrauen zurückgewinnen, Reformen: hin zu mehr demokratischer Legitimation und staatlicher Kontrolle – beispielsweise durch Überführung der DSO in eine Organisation mit dem Charakter einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft.

Und dann zahlt sich die Recherche aus: Im Frühjahr 2012 bestätigt das Wirtschaftsprüfungsgutachten weitgehend das in der anonymen Mail beanstandete Gebaren der beiden DSO-Vorstände. Freilich versucht die DSO zunächst, das Gutachten geheim zu halten – als privatrechtliche Stiftung darf sie das, formal unterliegt sie, wie gesagt, keiner staatlichen Kontrolle. Erst auf massiven Druck hin erhalten zumindest die Abgeordneten des Gesundheitsausschusses Einsicht.

Allerdings verschickt die DSO das Gutachten nicht einfach auf elektronischem Weg – sie besteht auf der Papierform. Nun soll ein Flugzeug die Gutachten von Frankfurt nach Berlin transportieren. Aufgrund eines Streiks am Flughafen werden die Gutachten schlussendlich mit der Bahn nach Berlin geliefert. Zeit, das Dokument zu lesen vor der Sitzung des Gesundheitsausschusses, auf der es besprochen werden soll, haben die Parlamentarier kaum. Die betriebswirtschaftlich wie politisch wirklich interessanten Anhänge mit Abrechnungen und anderen Zahlenbelegen dürfen die Parlamentarier jedoch nur vor Ort lesen, nicht aber kopieren und mitnehmen.

Nicht zuletzt die Berichterstattung über die DSO führt dazu, dass das Parlament, das Bundesgesundheitsministerium, die Bundesärztekammer, die gesetzlichen Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft sich für eine kritische Überprüfung der Stiftung einsetzen.
Der Druck auf die DSO nimmt zu.

Als mittelbare und unmittelbare Konsequenzen auch aus der taz-Berichterstattung entwickelt sich dann eine gewisse Dynamik:

  1. Im April 2012 tritt der kaufmännische Vorstand der DSO, Thomas Beck, zurück.
  2. Die Staatsanwaltschaft Hannover prüft im Sommer 2012 den Anfangsverdacht gesetzeswidriger Organentnahme-Einsätze durch von der DSO bezahlte, osteuropäische Chirurgen ohne Berufserlaubnis in Deutschland, über die die taz als erste Zeitung berichtet hatte.
  3. Die Grünen im Bundestag stellen eine kleine Anfrage zu Vorwürfen der manipulativen Gesprächsführung bei Angehörigengesprächen.
  4. Die DSO wird komplett umstrukturiert und künftig besser kontrolliert: in
    den Stiftungsrat kommen künftig auch und vor allem mehr Vertreter des
    Bundesgesundheitsministeriums, der Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft; zudem muss die DSO dem Gesundheitsausschuss im Deutschen Bundestag künftig erstmals und regelmäßig über ihre Aktivitäten berichten. Der seit Februar 2013 neue Interimsvorstand Rainer Hess wird weitere Umstrukturierungsmaßnahmen am 24. April 2013 in Berlin öffentlich vorstellen.
  5. Der Vertrag des noch amtierenden Medizinischen Vorstands der DSO,
    Günter Kirste, wird nicht über seine reguläre Zeit hinaus (Vertragsende: 1.2.2013) verlängert. Dies verkündet Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr am 22.11.2012 in Berlin.
  6. Aufgrund der taz-Berichterstattung über eine unvollständig dokumentierte Hirntod-Diagnostik in Düsseldorf, die der DSO bekannt war, hat die Bundesärztekammer im November 2012 endlich einen über Jahre unter Verschluss gehaltenen internen Untersuchungsbericht über die anschließend erfolgte, regelwidrige Organentnahme veröffentlicht, der den taz-Bericht bestätigt.
  7. Der zunächst als designierter DSO-Vorstands-Nachfolger gehandelte Münchner Mediziner Helmut Arbogast ist wieder aus dem Rennen - nachdem die taz seine Mitwirkung an einer umstrittenen Privat-Lebertransplantation in Abu Dhabi öffentlich gemacht hatte sowie seine Befürwortung der vom Parlament just abgelehnten Widerspruchslösung bei der Organspende.
  8. Der (inzwischen im Ruhestand befindliche) DSO-Vorstand Günter Kirste hat im Juni 2012 ein presserechtliches Verfahren gegen die taz angestrengt, Gegenstand ist der Artikel über die Düsseldorfer Hirntoddiagnostik. Die taz wertet dies als Einschüchterungsversuch; das Gerichtsverfahren läuft. Die taz ihrerseits hat Strafanzeige erstattet gegen Günter Kirste wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung.
  9. Vom DSO-Jahreskongress im November 2012 werde ich schriftlich von der DSO ausgeladen. Auf massiven Druck hin, auch von den DSO-Auftraggebern, darf ich schlussendlich doch teilnehmen – und die Veranstaltung in einem Nebenraum via Leinwand verfolgen.
  10. Seit die DSO neue Vorstände hat, ist das Verhältnis zur taz professioneller geworden.


Der Wächterpreis, über den ich mich natürlich riesig freue, gehört in Wirklichkeit den Informantinnen und Informanten, die so mutig waren, sich mir anzuvertrauen, mir das System der Organspende immer wieder geduldig zu erklären und Interna preiszugeben in der Hoffnung, über die Herstellung von Öffentlichkeit das System zu verändern. Es sind diese Menschen, die in den vielen Artikeln immer namenlos bleiben mussten, weil sie es waren, die ihren Job, ihre Karriere, ihre Existenz riskierten – nicht ich. Für dieses Vertrauen möchte ich mich bei ihnen von Herzen bedanken.

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2013

Die Menschen hinter dieser Geschichte: