Über CIRS - Und wie es helfen kann

CIRS steht für "Critical Incident Reporting System". Es ist ein anonymes Meldesystem, das Pannen, Fehler, Missstände usw. registrieren soll, damit nichts Schlimmeres passiert. Oder dass sich Fehler, kritische Vorkommnisse oder Unglückssituationen nicht wiederholen (können).

Das Problem Nr. 1:

Wer arbeitet, macht Fehler. Und wer viel arbeitet, macht ebenso (viele) Fehler. In Krankenhäusern allemal. Da herrscht (viel) Hektik und (viel) Stress, die Ärzte sind oft übermüdet und arbeiten an ihrer körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit. Beim Pflegepersonal ist es oft ähnlich. Pannen und kritische Situationen (critical incidents) sind daher vorprogrammiert.

Das www.forum-patientensicherheit.de, eine Einrichtung des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (www.azq.de), das wiederum von der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) damit beauftragt wurde, schätzt, dass bei rund einem Drittel aller Krankenhauspatienten behandlungsbedingte gesundheitliche Folgeschäden auftreten. In mehr als 50% dieser Fälle sind "Fehler" verantwortlich. In Deutschland schätzt man die Zahl der Behandlungsfehler auf etwa 12.000 jährlich. Dies betrifft 12.000 Menschen.

Das Problem Nr. 2:

Es gibt (bisher) keine genauen Zahlen. Der Grund: Niemand spricht gerne über Fehler, insbesondere nicht über seine eigenen. Also kommen sie nur in den allerseltensten Fällen ans Tageslicht.

Obwohl Fehler, die ja niemand bewusst oder vorsätzlich macht, ganz neutral und wertfrei als

"ein nicht beabsichtigtes, oft auch nicht erwartetes, unerwünschtes Ereignis einer bewusst oder unbewusst ausgeführten oder unterlassenen Maßnahme"

definiert werden. Trotzdem spricht man nicht gerne darüber.

Problem Nr. 3:

Solange man über Fehler nicht spricht oder sprechen kann, z.B. weil man Sanktionen etc. befürchten muss, wird sich daran nichts ändern (können). Folge: Alles bleibt, wie es ist. Gefährliche Situationen, Behandlungsfehler mit Langzeitfolgen, Pannen undsoweiter bleiben auf der Tagesordnung, werden dem ein oder anderen zum Verhängnis. Wie im Fall der Stationsschwester "Tod".

Lösung: Sanktionsfreie Meldesystem

Im Bereich der Luftfahrt ist das anders. Dort gibt es eine sehr große Zahl von Meldesystemen. Die allermeisten sind anonym - weil es nicht darum geht, jemanden, der aus Versehen oder Arbeitsüberlastung einen Fehler gemacht hat, zu bestrafen, sondern weil man die Situationen bzw. die Faktoren, die zum Fehler geführt haben, verändern möchte. Man will aus "Fehlern lernen".

Dies geht nur, wenn man Fehler aussprechen und/oder thematisieren kann. In der Luftfahrt und beim Fliegen geschieht das. Deswegen zählt das Flugzeug (nur in den USA und Europa, wo solche Meldesysteme existieren) zu den mit Abstand sichersten Verkehrsmitteln.

In der Medizin, sprich bei der Gesundheit, will man das jetzt auch (nach und nach) einführen. Dies wird nur funktionieren, Folgeschäden vermeiden und Leben retten (können), wenn alle mitmachen und sich mit der neuen Fehler(diskussions- und vermeidungs)kultur anfreunden. Letztlich profitieren davon alle.

Und so könnte ein anonymes Meldeformular aussehen, z.B. von und für CIRS (pdf).

Lösung: Whistleblower und Informanten

Einzelne Menschen, die auf Probleme, Missstände, Risiken oder Gefahren aufmerksam machen und dabei - zumindest derzeit immer noch - in den meisten Fällen Risiken für die eigene Lebensqualität auf sich nehmen (Ausgrenzung, Mobbing, Kündingung etc), nennt man übrigens Whistleblower (oder auch Informanten, Hinweisgeber etc). Im hiesigen DokZentrum setzen wir uns auch mit diesem Problem auseinander: unter Whistleblowing und Informanteninfo auf dieser Site.

Whistleblower sind Personen, die allen nützen. Derzeit werden sie allerdings in den allermeisten Fällen 'bestraft'. Grund: Die eigentlich simple Einsicht in diese Zusammenhänge ist nicht weit verbreitet. Und es exisitiert ein völlig anachronistisches Verständnis von Denunziantentum, mit dem Whistleblowing regelmäßig verwechselt wird.

In der Luftfahrt bzw. der technischen Sicherheit ist man darüber hinweg. Jetzt soll Fehlermelden und Whistleblowing zumindest bei der menschlichen Gesundheit bzw. der medizinischen Sicherheit Einzug halten.

Weiterführende Informationen:

Hier einige Informationen und Links aus dem Bereich Gesundheit, die weiterhelfen und weiterführen:

Übrigens,

während Irene BECKER’s Dienstzeit gab es keine Möglichkeit, anonyme Hinweise abzusetzen. Inzwischen wurde ein Frühwarnsystem in allen Abteilungen der Berliner Charité eingeführt. Laut Charité handelt es sich bei einem Großteil der Meldungen um technische Probleme. Mitarbeiterfehler seien sehr selten.

Warum die Station 104i, auf der Irene BECKER über Jahre hinweg Patienten tötete, lässt sich nur mutmaßen. Prof. ARLT, Sohn eines von Irene BECKER’s Opfern hat sich zu diesem Thema mit der Pflegedienstdirektorin der Charité unterhalten: CIRS sei bereits geplant gewesen und ein Jahr nach Irene BECKER’s Verhaftung hätten sie es sowieso eingeführt. Die Notwendigkeit eines solchen Systems wurde vorher nicht gesehen. Einer der Gründe dürfte (auch) gewesen sein, dass ein solches System, das Leben rettet, Geld kostet.

Diese Investition war aber offensichtlich für doe Verantwortlichen in einem der größten Unfallkrankenhäuser Europas, die bekanntlich Leben retten wollen, zu hoch.

(JL)