Die Berichte des Handelsblatt, 08.12.2010

von Martin-Werner BUCHENAU

Alte Probleme mit neuem Eigentümer

Handelsblatt , 08.12.2010 

Der drittgrößte deutsche Energiekonzern EnBW wird voraussichtlich auch nach dem Ausstieg des Landes Baden-Württemberg mehrheitlich in öffentlicher Hand bleiben. "Wir werden mit großen Stadtwerken reden", sagte Regierungschef Stefan Mappus gestern auf einer EnBW-Mitarbeiterversammlung in Karlsruhe. Zwar soll ein Teil der 45 Prozent an dem Unternehmen, die das Land vom französischen Energiekonzern EDF übernimmt, über die Börse verkauft werden. Da aber bereits heute weitere 45 Prozent bei dem Stadtwerke-Zusammenschluss OEW liegen, dürfte die öffentliche Hand dennoch die Mehrheit an EnBW behalten.

Mappus hatte am Montag bekannt gegeben, den 45-Prozent-Anteil des bisherigen EnBW-Großaktionärs EDF für 4,67 Milliarden Euro zu übernehmen. Gestern kündigte er an, dass die Regierung "vielleicht zwei bis drei Jahre an Bord bleiben" werde. In der Branche herrscht Verwunderung über den Aufschlag, den das Land für die Aktien bezahlt: Mit 41,50 Euro je Aktie beträgt er damit satte 18 Prozent auf den letzten Schlusskurs. Selbst wenn die Dividende herausgerechnet wird, liegt der Aufschlag noch um die 14 Prozent. Dabei sind die Zeiten für EnBW rau, die Aussichten düster.

Konzernchef Hans-Peter Villis warnte vor wenigen Wochen bei der Präsentation des Zwischenberichts für die ersten neun Monate 2010, der noch "zufriedenstellend" ausfiel, vor "erheblichen finanziellen Mehrbelastungen", die in den kommenden Jahren auf EnBW zukämen.

Die jüngst von der Bundesregierung beschlossene neue Kernbrennstoffsteuer wird das Unternehmen in den kommenden sechs Jahren jährlich rund 440 Millionen Euro kosten. Zudem muss das Unternehmen in diesem Zeitraum im Schnitt 50 Millionen Euro in den Fonds zum Ausbau der erneuerbaren Energien einzahlen. Gleichzeitig stellt sich EnBW auf sinkende Margen ein, weil die Großhandelspreise für Strom unter Druck stehen und die Belastungen durch den Emissionshandel steigen. Gestern warnte Villis seine Mitarbeiter: "Für die Belegschaft wird es eher noch mehr Hausaufgaben geben." Die Landesbeteiligung sei kein Grund, sich jetzt auszuruhen.
Manager zweifeln an der Strategie.

Die mittelfristigen Planungen, die Villis jüngst seinen Führungskräften präsentierte, seien ernüchternd gewesen, berichtet ein Manager. Der Konzern muss sparen und überprüft seine Investitionen. Zwar sind die Zeiten für die gesamte Branche schwierig, Villis hat aber auch mit hausgemachten Problemen zu kämpfen. Seine Strategie ist unter den eigenen Managern umstritten.

In der Kritik steht vor allem sein Prestigeprojekt: der Einstieg beim Oldenburger Regionalversorger EWE, damals die Nummer fünf auf dem deutschen Energiemarkt. Der Schritt sollte EnBW entscheidend voranbringen, letztlich führte er aber direkt in eine Sackgasse.

Villis erwarb 2008, ein Jahr nach seinem Dienstantritt ein Aktienpaket der EWE für 2,1 Milliarden Euro. Der hohe Preis war nur zu rechtfertigen, weil der EnBW-Chef eigentlich auf etwas anderes schielte: Ihn reizten die 48 Prozent, die die EWE am Leipziger Gasgroßhändler Verbundnetz Gas (VNG) hält, die als ostdeutsche Ruhrgas gilt. Villis hoffte, rasch auf eine Mehrheit aufstocken zu können und so die traditionelle Schwäche im Gasgeschäft zu beseitigen.

Doch die Strategie ging nicht auf. Das VNG-Management, die anderen Großaktionäre Gazprom und Wintershall sowie ostdeutsche Politiker wehrten sich gegen die Mehrheitsübernahme. Villis musste die Pläne vorerst aufgeben, die VNG-Aktien bleiben bei der EWE - und dem EnBW-Chef bleibt nur eine Kaufoption auf die VNG-Aktien und die vage Hoffnung, dass sich die Situation doch noch entspannt. In Konzernkreisen wird seit langem auf eine Abwertung der Beteiligung gedrängt.

Villis würde gerne enger mit der EWE zusammen rücken, vielleicht sogar fusionieren. Dafür dürften die Chancen durch den Ausstieg der Franzosen gestiegen sein. Schließlich werden EnBW und EWE jetzt von der öffentlichen Hand kontrolliert. Die EWE reagierte gestern aber reserviert auf solche Überlegungen.