Egal. Was dabei herauskommt, wenn fast alles mit dem pauschalen Argument des (vermeintlichen) Steuergeheimnisses erschlagen werden kann: ein spezifischer 'Geist', der durch den gesamten Zollapparat weht. Grundsätzlich, aber auch wie seinerzeit im HZA Flughafen Frankfurt/Main.
Würde man das oben genannte Fallbeispiel (Durchsuchung eines LKW) aus dem realen Leben anders erzählen, wiederum anhand einer konkreten Situation, wird schnell klar, dass dies auch unmittelbar Sicherheitsbelange und akute Gefahren berühren kann:
Würde ein dienstlich absolut korrekt handelnder Zollbeamter einen Imbiß auf korrekte Abführung von Branntweinsteuern kontrollieren und stieße er dabei auf mancherlei merkwürdiges Inventar (Materialien zum Bau von Sprengstoffen, Bomben etc), dürfte er wiederum weder die Polzei verständigen noch seine Beobachtungen in das INPOL-Datenbanksystem eingeben. In dem sammelt die Polizei ihre üblichen Erkenntnisse und Informationen, die für Ermittlungen etc notwendig sind. Die Polizei würde davon schlichtweg nichts erfahren (können), ebensowenig wie ein Zollbeamter vor Ort für seine eigene 'Kontroll'-Tätigkeit auf nützliche Informationen aus dem INPOL-System zurückgreifen kann.
Der inneren Sicherheit dienlich ist derlei Zollphilosophie und Zollmentalität nicht.
Beispiel: Ansehen + Image von Hauptzollämtern versus effiziente Kontrolle
Die Kontroll-Aufgaben von Zollbeamten bestehen - vereinfacht gesagt - im Prüfen und gegebenenfalls auch im Beanstanden, wenn nötig. Wenn es sein muss, auch im Ermitteln und Verfolgen, egal ob es um Bußgeld oder um einen strafrechtlich relevanten Vorgang geht.
Zollbeamte, die ihren Job ernst nehmen und gründlich machen, können sich damit ganz schnell den Unmut ihrer Vorgesetzten einhandeln, insbesondere den Unmut ihrer Hauptzollamtsleiter. Unternehmen beispielsweise, die etwa im Zusammenhang mit Importen oder Exporten oder sonstigen zollrechtlichen Belangen öfters oder regelmäßig negativ auffallen, weil sie von pflichtbewussten Beamten wirksam 'kontrolliert' werden, wechseln einfach das Hauptzollamt: sie suchen sich ein anderes, denn diese Auswahl haben sie.
Folge: Im anderen Hauptzollamt fällt jetzt mehr Arbeit an, im vorigen entsprechend weniger. Diese jährlichen Statistiken haben aber weitere Folgen: der HZA-Leiter des neuen HZA, das jetzt mehr Arbeit hat, weil es weniger genau prüft, bekommt mittelfristig mehr Personal und Geld. Das andere HZA entsprechend weniger. Ein HZA-Chef, der sich mit weniger Geld und Personal konfrontiert sieht, weil immer mehr seiner Beamten an das andere HZA versetzt werden, wird dem ganz schnell Einhalt gebieten: durch ein Signal, dass man es mit dem Kontrollieren doch bitteschön nicht ganz so genau nehmen solle! Schlecht für pflichtbewusste Staatsdiener.
Dieser Zielkonflikt ist beim Zoll systemimmanent: Ansehen und Image eines Hauptzollamts bzw. HZA-Leiters, der so etwas durchaus persönlich nehmen kann, konkurrieren mit effizienter Kontrolle.
3) Gewerkschaftliche Vertretungen, Probleme der inneren Sicherheit und "Bundespolizei"
Die Interessen der Zollbeamten werden von drei verschiedenen Gewerkschaften vertreten:
- der Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ). Sie repräsentiert die alte Garde im deutschen Zollapparat. Insbesondere im Bereich des fiskalisch ausgerichteten Zollwesens. Mit über 25.000 Mitgliedern ist sie die größte Organisation unter den rund 40.000 deutschen Zollbeamten. Die BDZ ist Mitglied im Deutschen Beamtenbund.
- der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die immer mehr Anhänger unter den 'ausführenden', sprich 'kontrollierenden' Zollbeamten gewinnt, die vor Ort arbeiten. Die GdP gehört zum DGB, dem Deutschen Gewerkschaftsbund.
- Außerdem: die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Sie hat die wenigsten Mitglieder.
Die grundsätzlichen Probleme beim Zoll, fiskalischer versus Vollzugsbereich, sowie Lösungen für dieses Problem, werden eigentlich nur innerhalb der GdP diskutiert.
Um die Interessen der Zollbeamten zu vertreten, kam es seitens des GdP-Bezirks "Bundespolizei" ("Bezirk" meint hier keine geografische, sondern eine inhaltlich fachliche Abgrenzung) zunächst zur Gründung der „Kommission Bundesfinanzpolizei“, aus der Anfang 2008 die Bezirksgruppe Zoll entstand. Langfristiges Ziel der GdP ist die seit langem geforderte Bundesfinanzpolizei. Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei lassen sich die Aufgabenbereiche der Zollverwaltung in die zwei Bereiche Bundessteuerverwaltung und Fiskal-Polizei unterscheiden. Der Vollzugsdienst des Zolls, der auch Aufgaben der inneren Sicherheit wahrnimmt, gehöre dabei zu letzterem, da die Vollzugsbeamten überwiegend (finanz-)polizeiliche Aufgaben verrichten.
Nach jüngsten Gesprächen mit Vertretern der neuen Regierungskoalition CDU/CSU und FDP seit 2009 ist dieses politische Vorhaben jedoch bis auf weiteres auf Eis gelegt.
Das Bundesfinanzministerium erkannte - wie kann es anders sein - die GdP zunächst nicht als zuständige Interessenvertretung an. Erst Ende 2008 stellte der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Zuständigkeit der GdP auch für die Vollzugsbeamten des Zolls fest. Das BMF musste (diesesmal) klein beigeben.
Bereits unter der schwarz-roten Großen Koalition hatte der seinerzeitige Bundesfinanzminister Peer STEINBRÜCK, SPD, ebenfalls weder Ohr noch Auge oder gar Aufmerksamkeit für dieses Zoll- bzw. Sicherheitsproblem. STEINBRÜCK hatte immer nur das (Steuer)Geld im Auge. Auch die Gradlinigkeit von Staatsdienern, die sich im Zweifel mit ihren Dienstherren anlegen (müssen), war ihm nie ein Anliegen, wie der Fall Steuerhinterziehung im Finanzamt Münster zeigt. Der wilhelminische Geist reicht in der deutschen Finanzverwaltung - wie bereits oben skizziert - bis in die allerhöchste Ebene.