Zwischen 1939 – 45 nahm ETZEL als Infanterist am Zweiten Weltkrieg teil, zuletzt als Oberleutnant der Reserve.
Danach gehörte er zu den Mitbegründern der CDU im Rheinland und startete eine erfolgreiche Karriere als Politiker. Er saß im Vorsitz des Wirtschaftspolitischen Ausschusses seiner Partei, war über Jahre Bundestagsmitglied, Vizepräsident der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), ehe er 1957 Bundesminister der Finanzen wurde.
1964 gab es einen erfolglosen Reanimationsversuch der DNVP. In Folge dessen ging die Partei 1964 in die neugegründete NPD auf.
Beispiel 2: Karl Maria Hettlage - Staatssekretär BMF 1959 – 1962 (unter ETZEL) und 1967 – 1969 (unter STRAUSS)
ETZEL’s Staatssekretär, Karl Maria HETTLAGE, weist eine noch düstere Vergangenheit auf.
Im berühmten Munzinger-Personen-Archiv steht geschrieben: „Nachdem er sich mit den nationalsozialistischen Machthabern überworfen hatte, wechselte er 1938 in die Privatwirtschaft." Er selbst sagt, die Nationalsozialisten hätten ihn aus seinem Amt des Städtekämmerers von Berlin gejagt.
HETTLAGE vor 1945
Die Realität sich etwas anders aus: Am 11.09.1938 wurde HETTLAGE SS-Hauptsturmführer, SS-Nr. 276309. Er war zwar kein NSDAP-Mitglied, aber dennoch enger Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfe und Vertreter von Albert SPEER, zunächst als Generalbaumeister in Berlin und während des Krieges Leiter der Finanz- und Wirtschaftsabteilung des Rüstungsministeriums. In der Funktion des Generalbauinspektors war er an der systematischen Vertreibung Tausender Berliner Juden aus ihren Wohnungen beteiligt.
Die Historikerin Susanna SCHRAFSTETTER schreibt dazu in ihrem Aufsatz Verfolgung und Wiedergutmachung, Karl. M. Hettlage: Mitarbeiter von Speer und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 3/2008, S. 431 ff.):
„Beginnend mit der dritten Aktion im August 1941 konnten die Juden auch nicht länger Zuflucht im „Schachtelraum“ suchen, sie wurden nun deportiert. HETTLAGEs Hauptamt II erstellte die Listen der Juden, die aus ihren Wohnungen vertrieben und der Gestapo zur Deportation überantwortet werden sollten.“
Doch HETTLAGEs politische Karriere begann schon lange vorher. Von 1922 bis 1925 war er Mitglied im Westfälischen Treubund, der aus der verbotenen rechtsradikalen Organisation Escherich (Orgesch) hervorging sowie „Zeitfreiwilliger“ einer Schwarzen Reichswehreinheit. 1933 gehörte HETTLAGE, er zu den Gründungsmitgliedern der nationalsozialistischen Akademie des Deutschen Rechts. Darüber hinaus war er, wie Friedrich Karl VIALON (siehe weiter unten), Mitglied im NS-Rechtswahrerbund.
Nach HETTLAGEs Zeit als Stadtkämmerer Berlins fing er ab April 1940 beim Generalbauinspektor (GBI) und Alber SPEER an zu arbeiten.
Bei vielen Bauvorhaben des GBI, z. B. der Neugestaltung Berlins, wurden Zwangsarbeiter, die wie Kriegsgefangene in Lager untergebracht waren, eingesetzt und 'vermietet'. Ein profitables Geschäft.
Susanna SCHRAFSTETTER schreibt:
Gerade bei der Vermietung der Kriegsgefangenen an Bauunternehmungen verbuchte der GBI ordentliche Gewinne. Nach Abzug der Kosten für den Unterhalt der Lager Kaulsdorf und Falkensee errechnete HETTLAGE für den Zeitraum von Oktober 1941 bis März 1942 einen Reingewinn von 110.000 Reichsmark. “Sonnabends und Sonntags wird keine Suppe verabreicht“, hatte er unter dem Abschnitt „Verpflegung und Lagerinsassen“ notiert.
Nachdem Albert SPEER 1942 von Adolf HITLER zusätzlich zum Rüstungsminister ernannt wurde, arbeitete auch HETTLAGE auf zwei Schauplätzen: bei der Generalbauinspektion und jetzt auch als Leiter der Wirtschafts- und Finanzabteilung des Rüstungsministeriums.
Susanna SCHAFSTETTER:
"In dieser Position spielte er eine wichtige Rolle in der Organisation der deutschen Rüstungs- und Rüstungsmaschinerie"
So war er als Leiter der „Rüstungskontor GmbH“, zu der die „Mittelwerk GmbH“ gehörte, verantwortlich für die Gründung und Fertigstellung des thüringischen KZ "Dora Mittelbau". Er saß auch im Beirat dieser Firma, deren 'Mitarbeiter' - die KZ-Insassen - hier unter Tage in Bergwerksstollen die sogenannte Vergeltungswaffe "V 2" bauen mussten. Im KZ Dora Mittelbau - einem Außenlager des KZ Buchenwald - waren 60.000 Häftlinge inhaftiert. Rund 20.000 überlebten die inhumanen Arbeitsbedingungen nicht und verendeten dort jämmerlich.
In den Nürnberger Prozessen hatte HETTLAGE das Glück, seiner eigenen Vergangenheit entkommen zu können.
Susanna SCHRAFSTETTER: Der Finanzexperte hatte seinen Lebens- und Berufsweg erfolgreich zurechtgebogen. Außerdem kam ihm zugute, dass die Alliierten die Mittelwerk GmbH nicht ins Rampenlicht der Öffentlichkeit rücken wollten. Grund: Die Amerikaner hatten sich Werner von BRAUN geschnappt, den Erfinder der "V 2" - Rakete.
Beim Entnazifizierungsausschuss 1948 erledigte HETTLAGE den Rest dann selbst: Auch die Generalbauinspektion erwähnte HETTLAGE in seinem vierseitigen, einzeilig getippten Lebenslauf mit keinem Wort.
HETTLAGE nach 1945
HETTLAGE, der auch Abgeordneter der Zentrums-Partei war, hatte bereits 1938 eine „Nebentätigkeit“ im Vorstand der Commerzbank, wo er bis 1951 blieb.
Seine Nachkriegskarriere ging steil bergauf:
- 1949 Honorarprofessor in Bonn
- 1953 erhielt er den Lehrstuhl für Rechtswissenschaft der Universität Mainz, lehrte dort Öffentliches Recht und Finanzwissenschaften
- 1956 Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
- 1958 Haushaltsdirektor im Bundesfinanzministerium in Bonn und
- ein Jahr später schließlich Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Dort war der Katholik für die Wiedergutmachung NS-Unrechts und Kriegsopferentschädigung verantwortlich. Als Experte für Wiedergutmachungsfragen stand ihm Ernst FÉAUX de la Croix zur Verfügung. Der war Jahre zuvor, 1934 – 1945, noch in der völkerrechtlichen Abteilung des Reichsfinanzministeriums tätig. FÉAUX war Mitglied der SA, der NSDAP, des NS-Rechtswahrerbunds sowie der Akademie für deutsches Recht - bei den beiden letzeren zusammen mit HETTLAGE. In einer rassistischen Denkschrift der Akademie schrieb FÉAUX u. a.:"Fremdrassige können nicht zum deutschen Volk gehören, selbst wenn sie die Reichszugehörigkeit besitzen und ausschließlich deutschsprachig sind".
HETTLAGE, der den häufig erkrankten Finanzminister ETZEL vertrat, war außerdem 1960 Senator der Max-Planck-Gesellschaft, wechselte 1962 zur Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. 1965 dann für zwei Jahre Präsident des IFO-Instituts für Wirtschaftsforschung und von 1967 – 69 abermals Staatssekretär im BMF, diesmal unter Franz Josef STRAUSS. 1967 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband verliehen.
So wie der rüstige Mann vor 1945 aktiv und umtriebig war, egal ob KZ Dora Mittelbau oder Commerzbank, gab er sich auch nach 1945: HETTLAGE saß im Beirat der Fritz-Thyssen-Stiftung, im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums, Vorsitzender der Treuhand-Vereinigung AG, Studienstiftung des Deutschen Volkes.
Anlässlich seines 90. Geburtstags am 28.11.1992 – drei Jahres vor seinem Todestag – wurde der ehemalige BMF-Staatssekretär von seinem ehemaligen Mainzer Professoren-Kollegen Klaus VOGEL gewürdigt: „Zuverlässigkeit, Pflichtbewusstsein, Bereitschaft zum Einsatz für das Gemeinwohl“ zeichneten HETTLAGE zeit seines Lebens aus, heißt es in VOGEL’s Festschrift zum 90. Jahrestag HETTLAGE’s.
HETTLAGE‘s Biographie wurde erst spät von Geschichtswissenschaftlern aufgearbeitet, bis dahin blieb sein Name zumeist im Schatten von Albert SPEER – ein maßgeblicher Erfolgsfaktor für seine Zweite Karriere in der Bundesrepublik. Allein die Stasi mühte sich seinerzeit mit eifrigen Recherchen über HETTLAGE ab und widmete ihm einen ausführlichen Beitrag im Braunbuch der DDR – unter dem Kapitel: Handlanger der Monopolherren.
Und so sieht die Biografie in der offiziellen Darstellung des Bundesfinanzministeriums aus (PAUSCH):