Die 56 Berichte der SÜDWEST PRESSE aus Ulm, 27.07.2013

von Rudi KÜBLER

Finanzielles Debakel

SÜDWEST PRESSE , 27.07.2013 von Rudi KÜBLER

Wie hatte die Ulmer CDU-Abgeordnete und frühere Bundesforschungsministerin Annette Schavan vor einer Woche beim Jahrestag der Universität Ulm noch getönt? „Herr Marre bekommt Artikel nachgeschmissen, die nichts über das sagen, was er wirklich geleistet hat.“ Was Reinhard Marre, ehemaliger Leitender Ärztlicher Direktor des Uni-Klinikums, tatsächlich angerichtet hat – und mit ihm der ehemalige Kaufmännische Direktor Rainer Schoppik –, lässt sich nach dem gestern von den beiden Nachfolgern offengelegten Zahlenwerk auf folgenden Nenner bringen: ein finanzielles Desaster. „Die beiden haben zwischen 2007 und 2013 aufgehört zu rechnen.“ Anders kann sich Rüdiger Strehl, der bis Ende September übergangsweise das Amt des Kaufmännischen Direktors bekleidet und als alter Fahrensmann für prekäre Situationen gilt, dieses Komplettversagen nicht erklären.


Nicht nur, dass die Chirurgie gebaut wurde und das Klinikum den Landesanteil vorfinanziert hat – das allein wäre schon ein Kraftakt sondersgleichen gewesen. Nein, es wurden ständig weitere Millionen vergraben, als gäbe es kein Morgen: Die Psychosomatik und das Casino wurden gebaut, die Zahnklinik, die Apotheke und die Kinderklinik saniert und umgebaut . . . Im gleichen Maß reduzierten sich die Rücklagen, Kredite mussten bedient werden, Verluste wurden 2011 und 2012 eingefahren. Ende 2012 geriet das Klinikum dann in einen Liquiditätsengpass, aus dem Schoppik und Marre nur mit einem zweifelhaften Kredit bei der eigenen Tochter DUU, dem Dienstleister des Klinikums, herauskamen.


All das gehört aufgearbeitet, „Schwamm drüber“ könne es nicht geben, sagte denn auch der kommissarische Leitende Ärztliche Direktor des Klinikums, Klaus-Michael Debatin. Die Verantwortlichen müssen benannt werden – dazu gehört neben Schoppik und Marre auch der Vorsitzende des Klinik-Aufsichtsrats Hartmut Schrade. Die Rolle, die der Leitende Ministerialrat aus dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst spielt, ist undurchsichtig. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass er eigenen Aussagen zufolge stets mit dem alten Vorstand in Kontakt gestanden und alle relevanten Informationen erhalten habe. Sein Rücktritt oder seine Demission durch die Wissenschaftsministerin ist überfällig, Schrade hat nie zur Lösung des Problems beigetragen – er ist Teil des Problems.


Die gute Nachricht: Beide Direktoren wollen keine Stellen streichen, sondern sogar Mitarbeiter einstellen. Ein tragbares Konzept für die Zukunft kann freilich erst dann entstehen, wenn das Land eine Zusage für dringend benötigte finanzielle Hilfen gibt. Denn der Weg aus der Dauerverschuldung des Uni-Klinikums kann nur über das Land führen.


Und Annette Schavan? Ihr müssten gestern die Ohren geklingelt haben.