Die Loveparade: Berlin - Essen - Bochum - Duisburg. Wieso sie im Desaster endete: eine Chronologie

Als die Loveparade noch in Berlin stattgefunden hatte, gab es für Leib & Leben der Teilnehmer keine Probleme: "Die Strasse des 17. Juni", über 3,5 km lang, hat fünf Spuren und dies in beiden Fahrtrichtungen, dazwischen ein Mittelstreifen - insgesamt 85 Meter breit. Links und rechts ist durchgehend alles offen, um ausweichen zu können.

Zoff mit der Stadt Berlin gab es u.a. wegen des gigantischen Mülls, den die Berliner Stadtreinigung danach wegschaffen musste. Der Veranstalter betrachtete sich dafür als nicht zuständig.

Februar 2007

Loveparade Veranstalter Rainer SCHALLER überwirft sich mit dem Berliner Senat, da die Verhandlungen gescheitert sind; Berlin hat der Loveparade noch keine endgültige Zusage gegeben. Rainer SCHALLER verkündet das "Aus: für die Loveparade in Berlin.

U.a. gab es keine Einigung, wer für den vielen Müll verantwortlich ist, der nach einem solchen Großspektakel entsteht, insbesondere wenn es den meisten Teilnehmern der Loveparade ziemlich gleichgültig ist, wenn sie Strassen und Parks (Tiergarten) verschmutzen.

SCHALLER fühlt sich „enttäuscht von Berlin und sogar frustriert“ und ohne ein „Konkretes Bekenntnis zur Loveparade von politischer Seite aus“, sieht SCHALLER keinen gemeinsamen Nenner. Er sucht nach Alternativen, Dazu ruft er europäische Metropolen auf, sich als Veranstaltungsort zu bewerben.


16.06.2007

Das Ruhrgebiet willigt überhastet ein, als Veranstaltungsort zu dienen und erhält von der Fa. Lopavent GmbH, die die Loveparade offiziell veranstaltet, die offizielle Zusage für die kommenden fünf Loveparades.

Der Plan: Schon zwei Monate später, am 25. August, soll die Loveparade erstmals durch Essen ziehen. 2008 soll Dortmund folgen, in den Jahren darauf Bochum, Duisburg und Gelsenkirchen. SCHALLER will Berlin in “mehreren Faktoren schlagen”, es klingt nach einem persönlichen Verlangen nach Superlativen und dem trotzigen Gedanken „den werde ich es zeigen“.


25.08.2007

Die erste Loveparade im Ruhrgebiet findet in Essen statt. Wegen Überfüllung wird zeitweilig der Bahnhof geschlossen, erste Platzprobleme werden deutlich.


15.01.2009

Die Loveparade in Bochum wird trotz Empörung der Medien, Fans und CDU abgesagt. „Wir haben nicht die Infrastruktur für so ein großes Ereignis“, sagt Oberbürgermeisterin Ottilie SCHOLZ (SPD). Der Gegenwind ist groß: Bochum sei provinziell, wirft man ihr vor, die Absage "peinlich", in Bochum seien "nur Deppen am Werk", höhnt die CDU-Opposition, die Absage eine einzige "Blamage fürs Ruhrgebiet", poltert Soziologe und Techno-Forscher Ronald HITZLER.
 Ein alternativer Austragungsort ist für 2009 nicht vorgesehen. Die Loveparade muss ausfallen.

Auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer WENDT, bringt Duisburg und Bochum in Zusammenhang:

Die Stadt Bochum nimmt im Vergleich zu Duisburg die Sicherheitsbedenken der Polizei ernst. SPIEGEL ONLINE dokumentiert einen offenen Brief aus dem Jahr 2009, in dem Thomas WENNER als damaliger Polizeipräsident seine Entscheidung gegen die Loveparade in Bochum begründete.

Unter der Überschrift "Es reicht" wird er am 23.01.2009 schreiben:

"Was denken sich eigentlich Politiker und Journalisten, die die Metropole Ruhr als Monstranz ihrer Popularität vor sich hertragen, wenn es um die Verantwortung derer geht, die als Amtsträger für die Folgen ihres Handelns persönlich haften? Die mit ihrem Tun die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten haben? Die die Enge des Veranstaltungsraumes und die Disfunktionalität der Zu- und Abfahrtströme kennen, die wissen, dass es schon in Dortmund diesbezüglich heikle Situationen gegeben hat? Die wissen, dass ein Großteil, der bis zu 1,5 Millionen jungen Teilnehmer erheblich unter Alkohol und Drogen stehen wird und die sich die Auswirkungen einer Panik unter so vielen Menschen unter solchen Umständen auf so engem Raum unverblendet von Wichtigtuerei vorstellen können?

Alles nur unerhebliche Opfer für die Metropole Ruhr? 

Eine Metropole, die als solche überhaupt keine verantwortlich Handelnden kennt, weil die Politik dafür keine Voraussetzungen geschaffen hat. Wer manifeste Sicherheitsbedenken so wenig ernst nimmt, obwohl sie offenkundig sind, sollte sich von Verantwortung fernhalten, statt auf die einzuprügeln, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und sich ihr stellen.

Wir wissen ja alle, dass es dieselben Menschen sind, die beispielsweise bei Kernkraft oder Gentechnologie genau wissen, dass alles, was geschehen kann auch geschehen wird und die, wenn es geschehen ist als erste pharisäerhaft auf die verantwortungslosen Verantwortungsträger zeigen, denen es dann auf der Anklagebank wenig hilft über die Metropole Ruhr zu schwadronieren. Denen werden dann die objektiven Fakten und ihr Wissen und Wollen vorgehalten, sonst nichts, weil Verantwortung so geht. Zu Recht, als ständige Erinnerung, körperliche Unversehrtheit und Leben anvertrauter Menschen so gut wie möglich zu schützen, auch wenn der Spaßfaktor auf der Strecke bleibt. Überleben ist wichtiger..."


Februar 2009

Der Polizeipräsident von Duisburg Rolf CEBIN weist im Rahmen der Verhandlungen darauf hin, dass er auch in Duisburg kein geeignetes Gelände sehen könne und wird dafür heftig kritisiert. Der CDU-Kreisverband sowie der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas MAHLBERG fordern öffentlich seine Ablösung.


2.10.2009

Ein internes Besprechungsprotokoll zeigt, dass NRW-Ministerpräsident Jürgen RÜTTGERS (CDU) die Loveparade unbedingt in Duisburg will, so der Ordnungsdezernent im Rathaus von Duisburg Wolfgang RABE.


Oktober 2009

Die Veranstalter der Loveparade sichern Duisburg den Austragungsort für die Loveparade zu. SCHALLER und sein Team arbeiten laut eigener Aussage schon am Konzept. Anfang 2010 wollen sie Planungsdetails bekanntgeben.


Dezember 2009

Nicht nur Sicherheitsbedenken werden größer, sondern auch die Frage der Finanzierung kommt auf. Duisburg ist pleite, hoch verschuldet und darf kein Geld für die LP ausgeben, aufgrund von einem Nothaushalt. Die Stadtverwaltung erhofft sich durch die LP volle Kassen und einen Imagewechsel der Stadt.


1.02.2010

Der LP-Veranstalter Lopavent beantragt bei der Stadt Duisburg die Genehmigung der Veranstaltung. Beigefügt ist ein Grobkonzept. Im Genehmigungsverfahren, kommen bereits Zweifel an dem Sicherheitskonzept auf.


Juni 2010

Duisburgs Oberbürgermeister SAUERLAND (CDU) steht unter großem Druck, da Ministerpräsident Jürgen RÜTTGERS (CDU) und die Landesregierung NRW, die Stadt Duisburg im Genehmigungsverfahren drängen.


14.06.2010 – 41 Tage vor der dem Desaster

Die städtische untere Bauaufsicht Duisburg schreibt einen Brandbrief an den Veranstalter. Die Bauaufsicht weist darauf hin, dass am 14. Juni weder ein Lageplan des Loveparade-Geländes noch ein "zielorientiertes Brandschutzkonzept" für die Loveparade vorgelegen hat. Auch eine Endfassung des Sicherheitskonzepts gibt es bisher nicht.


18.06.2010

In der Sitzung einer Arbeitsgruppe von Feuerwehr, Ordnungsamt, Lopavent und dem Ordnungsdezernenten Wolfgang RABE kommt es zum Eklat:
Lopavent weigert sich, den Fluchtweg von 440 Metern zu organisieren, welchen das Ordnungsamt fordert. Laut Protokoll übt Ordnungsdezernent Wolfgang RABE Druck aus. „Der OB wünscht die Veranstaltung und hierfür muss eine Lösung gefunden werden.“ Der Baudezernatsleiter Jürgen DRESSLER kommentiert das Schreiben: „Dieses entspricht in keinerlei Hinsicht einem ordentlichen Verwaltungshandeln und einer sachgerechten Projektdarstellung.“ Reagiert hat darauf niemand.


14.07.2010 – 10 Tage vor dem Desaster

Das Bauamt fordert ein sofortiges Sicherheitskonzept von Veranstalter Firma Lopavent.


09.12.2011

Prof. Dr. G. Keith STILL ist ein führender Experte im Bereich der Veranstaltungssicherheit. Er wird 2011, also über 1 Jahr nach dem Unglück, ein ausführliches Gutachten zum Desaster der Loveparade erstellen. In diesem Gutachten geht er auf die fehlerhafte Planung und die Ursachen ein, die zur verheerenden Katastrophe führten. Er resümiert, dass bereits während der Planung der Veranstaltung, die Zuständigen die Gefahren hätten erkennen müssen. Das Gutachten wird als wesentliche Grundlage für die spätere Anklage im Loveparade Prozess dienen.

Prof. Dr. G. Keith STILL unterrichtet an verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen im Bereich der Veranstaltungssicherheit, darunter das britische Cabinet Office Emergency Planning College (EPC). Darüber hinaus ist er wiederholt als unabhängiger Sicherheitsgutachter für eine Vielzahl von Massenveranstaltungen tätig.

Im Rahmen der Prüfung des Loveparade Vorfalls wird er verschiedene theoretische wissenschaftliche Methoden einsetzen, um dem Vorfall genauer zu analysieren. Eines dieser Instrumente ist das sogenannte “Fruin´s Level of Service“

Fruin´s Level of Service ist eine Messmethode aus der Veranstaltungssicherheit, die definiert wie viele Personen sich wo bewegen dürfen: Bewegungsströme zum Beispiel von 2-3 Personen pro Quadratmeter sind optimal, wenn 6-7 Personen pro Quadratmeter (sich berührend) erreicht wird, besteht eine erhebliche Gefahr von Stoßwellen, Gedränge und verletzten Personen.

Die Dichte am Ort des Vorfalls (Loveparade) wird 6 Personen pro Quadratmeter übersteigen, da auf Bild und Videomaterial zu sehen sein wird, wie die Menschen in der Menge sich zu allen Seiten gegenseitig berühren (Verdichtung). Ein solches Maß an Verdichtung ist sehr gefährlich: Menschen versuchen dann, der Menge zu entkommen. 

Dort, wo die Menschenmenge versucht zu entkommen, werden 8-10 Personen pro Quadratmeter veranschlagt.

Prof. Dr. G. Keith STILL wird in seinem Gutachten 2011 folgendes feststellen:

„Dies ist eine zu erwartende Gefahr verursacht durch einen Mangel an angemessener Lenkung und Kontrolle der Menschenmenge. Man ließ zu, dass dieser Zustand einen gefährlichen Grad an Verstopfung erreichte und dass die Menschenmenge auf die Bedrohung durch übermäßigen Druck auf die Menschen reagiert und versucht zu fliehen.“

Im Duisburger Fall gibt es Hinweise auf eine Überwachung der Menschenmenge, das heißt, der Einlass der Menschen auf das Gelände wurde überwacht, jedoch wurden nur das gesamte Fassungsvermögen des Geländes einberechnet.

Dies führte dazu, dass auf dem Gesamtgelände noch Kapazitäten waren, jedoch das Ballungszentrum um die Rampe bereits vollkommen überfüllt war. Darüber hinaus kann später nicht nachgewiesen werden, dass alle Ordner, Sicherheitskräfte, Polizeikräfte, Rettungsdienste sowie externe Dienstleister wie z.B. Verkehrsunternehmen ausreichend über die tatsächlich genehmigte Zuschauerzahl informiert waren.

In den vorgelegten Beweismaterialien wird sich letztendlich kein Beleg für ein Steuern oder Regulieren in den Bereichen mit hohem Personendurchfluss in dieser Anlage finden lassen.

Das Versagen einer Regelung des Menschenflusses in Bereichen mit hohem Durchfluss wird die Hauptursache für das Unglück sein.

Man wird auch feststellen, dass an der fraglichen Stelle ein Gullydeckel gebrochen war und mit einem Element eines „Heras“-Zauns (Markenname) abgedeckt worden war: eine erhebliche Stolpergefahr. 

Das alles wird man aber erst nach dem Desaster wissen, weil man vorher solches nicht wissen wollte. 


19.07.2010 – 6 Tage vor dem Desaster

Lopavent beauftragt eine Anwaltskanzlei und drängt auf die Erteilung einer "Sondernutzungserlaubnis“


Juli 2010

Um die „Sondernutzungserlaubnis“ besser durchsetzen zu können, legen die Veranstalter einen Plan auf den Tisch: das Gelände zu umzäunen. Damit hat das Geländer mehr den Charakter eines Stadions und die Entscheidung darüber liegt nun bei der Baubehörde, Ordnungsdezernent RABE ist behördentechnisch aus der Verantwortung. 

Ein ziemlich gewiefter Trick, denn:  Die Verantwortung liegt nach ursprünglichem Plan beim Ordnungsamt, da es sich bei dem Veranstaltungsort um ein öffentliches Gelände handelte. Dadurch, dass das Gelände aber auf Betreiben des Veranstalters Lopavent umzäunt wurde – wurde es juristisch gesehen ein Stadion, für das das Bauamt zuständig ist.   RABE ändert seine Meinung und beginnt nun ‚PR‘ für die Loveparade zu machen, sondern übt auch Druck auf die Baubehörde aus, die immer noch dagegen ist. Für dieses Engagement erhält RABE drei Tage vor dem Event einen Dankesbrief vom Rechtsanwalt des Veranstalters Lopavent.


Juli 2010

Die Baubehörde gibt letztlich nach. Auch im Hinblick darauf, dass der Duisburger OB SAUERLAND dieses Event will, es also politisch inopportun erscheint, sich dagegen (noch) zu wehren.


24. Juli 2010

Loveparade 2010: Das Unglück nimmt seinen Lauf ...

21 Menschen im Alter von 17 bis 38 Jahren werden erdrückt und sterben qualvoll.

Mindestens 652 Menschen werden körperlich, mindestens zehntausend seelisch schwer verletzt. Tausende sind bis heute traumatisiert. 


4.08.2010

Ein Zwischenbericht über die Loveparade wird dem Duisburger Newsportal xtranews.de geleaked. Bei den Schriftsätzen handelt es sich um die Anlagen zu einem 32-seitigen Zwischenbericht der Stadt Duisburg zu den Zuständigkeiten der Kommune bei der Loveparade. Unter den Papieren sind interne Konzepte, Lagepläne und Besprechungsprotokolle aus der Planungsphase. Die Anlagen enthielten außerdem ungeschwärzte, personenbezogene Daten.

2 Wochen später wird die Veröffentlichung dieser Dokumente im Netz durch das Landgericht Köln verboten. Grund sei eine Verletzung des Urheberrechts.

Auf diesem Portal sind die meisten Informationen zur Loveparade zu finden:   xtranews.de;


2011

In der Duisburger Lokalpresse sind die vorangegangenen Ereignisse nur ansatzweise thematisiert worden. Offenbar konnte oder wollte sich niemand aus der Stadtverwaltung, insbesondere der Baubehörde entschließen, über die Vorgänge vor der Veranstaltung zu informieren, etwa als Informant an die Presse heranzutreten oder die Fragen zumindest in einschlägigen Fachkreisen zu thematisieren.


9.12.2011

Bekanntlich ist man im Nachhinein klüger als vorher. Aber: Bei potenziell absehbaren Problemen oder gar ernsthaften Gefahren, darf man sich auf dieses Sprüchlein nicht verlassen: Wenn Gefahr droht, muss man handeln. Alles andere wäre unverantwortlich.

In Duisburg wird erst danach gehandelt, indem jetzt die Fragen gestellt werden, was ist da schlecht oder falsch gelaufen?


9.12.2011

Jetzt stellt sich dies heraus – nach dem Desaster:

Für die Duisburger Loveparade wurden unabhängige Fachleute beauftragt die Veranstaltungsplanung zu überprüfen und es wurde eine Simulation der Evakuierung beauftragt.
Neben Standards wie Einschätzung der Feuerwehr, Polizei etc. Wurden drei externe Expertisen in das Genehmigungsverfahren der Loveparade mit einbezogen:

1.     Ökotec Fire & Risk für ein Brandschutzkonzept

2.     Traffgo GmbH für eine Entfluchtungsanalyse

3.     Michael SCHRECKENBERG zur Prüfung der bestehenden Entfluchtungsanalyse und zur Verfügung für etwaige Fragen je nach Planungsphase

Michael SCHRECKENBERG, 53, ist Physiker an der Universität Duisburg-Essen und erforscht neben Staus die Massenpanik. Bei der Loveparade hat er daran mitgearbeitet, wie die Menschen zum Gelände kommen. Als Zeuge im Strafprozess geriet er zwei Tage lang unter Druck.

Bei seinen Aussagen wirkte SCHRECKENBERG zwischenzeitlich etwas angeschlagen. Im Nachgang habe er das Gefühl, als ob damals nur sein guter Name benutzt werden sollte, sagte er. Er bereue heute,

dass er damals nicht stärker vor Gefahren gewarnt habe. Der Verrechnungscheck über sein Honorar

in Höhe von 20.000 Euro lag erst nach dem Duisburger Loveparade-Unglück mit 21 Toten in seinem

Briefkasten.

Fälschlicherweise sei berichtet worden, SCHRECKENBERG habe das Sicherheitskonzept zur Loveparade selbst erstellt. Dabei habe er noch nicht mal ein Gutachten erstellt, sondern nur “auf Zuruf” Ratschläge erteilt – vor allem zu den Zu- und Abwegen zwischen Bahnhof und Eingang zum Partygelände. SCHRECKENBERG betont, er habe “niemals Kontakt” zur Veranstalterfirma gehabt. Seine Expertise sei von Lopavent nicht gewünscht worden. Er sei von der Stadt “um Rat gefragt worden”. Später sei ihm aber “klar geworden, dass man einfach nur meinen Namen benutzen wollte”.

Prof. Dr. G.Keith STILL hält in seinem Bericht fest: Wir haben keine Berichte von irgendeiner offiziellen Beanstandung bezüglich der „Veranstaltungsplanung“ oder des „Sicherheitskonzeptes“ während irgendeines bürokratischen Prozesses, während des gesamten Genehmigungsverfahrens oder durch einen der Fachleute, die die Planungen begutachteten.

Es gibt keine bestimmten Angaben zur Sicherheit auf der Rampe, in den Tunnels oder zum gemeinsamen Menschenfluss in den Veranstaltungsort hinein oder heraus.

Ein einfaches Rechenverfahren, eine sogenannte CAD-Analyse, die die Fläche der Rampe berechnet und sowohl die einfließenden wie abfließenden Menschenmengen bestimmt, hätte aufgezeigt, dass die Rampenfläche den gesammelten Menschenströmen während der Spitzenzeiten nicht gewachsen sein konnte.


12.02.2012

129.800 Wähler wählen Adolf SAUERLAND als Oberbürgermeister ab (91.000 hätten gereicht zur Abwahl). Möglich gemacht wurde die Abwahl durch einen Bürgerentscheid, welcher durch eine Bürgerinitiative, aus Duisburger Bürgern, Parteien und Gewerkschaften eingeleitet wurde.


11.02.2014

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage, nachdem die Ermittlungen nach dreieinhalb Jahren abgeschlossen wurden (Angeklagt sind nicht SCHALLER oder SAUERLAND).

Massendynamik-Experte Keith STILL sagt, dass es mit dem genehmigten Konzept nicht einmal theoretisch möglich gewesen wäre, das Fest gefahrlos durchzuführen.


5.04.2016

Das Landgericht Duisburg lehnt den Loveparade-Prozess ab. Die Staatsanwaltschaft legt Beschwerde ein. Das Gericht müsse prüfen, ob die angeklagten Personen "überwiegend wahrscheinlich" verurteilt werden könnten. Nur dann dürfe eine Hauptverhandlung durchgeführt werden. Bei den vier Mitarbeitern von Lopavent und sechs Bediensteten der Stadt Duisburg sei das nicht der Fall, daher die Entscheidung des Landgerichts.


08.12.2017

Das Oberlandesgericht revidiert als zweite Instanz die Entscheidung des Landgerichts. Nach eingehender Prüfung sieht das OLG eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zur Verurteilung der Beschuldigten, der Prozess findet damit doch statt.Der Strafprozess zur Loveparade beginnt vor dem Landgericht Duisburg. Angeklagt sind vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent und sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg. Beim Veranstalter Lopavent sind es der Gesamtleiter, der Produktionsleiter, der Verantwortliche für Sicherheit und der technische Leiter. Bei der Stadt sind es drei führende Angestellte und ein Team von drei Mitarbeitern, das direkt mit dem Genehmigungsverfahren befasst war.


7.08.2018

Wolfgang RABE sagt am 52. Verhandlungstag des LP-Prozesses aus, dass er Panikforscher Prof. Michael SCHRECKENBERG engagiert hat, damit dieser nicht kurz vor der LP mit kritischen Äußerungen Schaden anrichten würde. Dafür wurde ein Honorar von 20.000€ gezahlt.
RABE wollte nach eigenem Bekunden nicht, dass SCHRECKENBERG behauptet, die Veranstaltung sei nicht sicher.  Auf die Frage, wie man auf das Honorar von 20.000 Euro kommt, sagt OD RABE:  “Ja, wir haben uns gedacht 10.000 ist vielleicht ein bisschen wenig. Machen wir 20.000.“ Es wirkt wie eine Art Schweigegeld.

SCHRECKENBERG äußerte sich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung wie folgt:

“Ich bin nicht für die Sicherheit auf dem Gelände verantwortlich. Ich habe nur am Konzept mitgewirkt, wie die Massen durch die Stadt, vom Bahnhof zum Tunnel geführt werden. Dennoch habe ich auf Schwachstellen auf dem Gelände hingewiesen. Wir haben auch Simulationen gemacht, wie man das Gelände evakuiert. Ich hatte gewarnt, dass man sich den Tunnel genau ansehen muss, dass Kleinigkeiten wichtig sind. Dass man ihn sofort sperren und räumen können muss, wenn er zu voll wird. Wir haben gewarnt, aber vielleicht hätten wir stärker warnen müssen. Die Veranstalter wollten nicht mit mir zusammenarbeiten, sie hatten eigene Gutachter.” (Prof. Dr. SCHRECKENBERG)


4.05.2020

Nach 184. Verhandlungstagen ging einer der aufwendigsten Strafprozesse ohne Urteil zu Ende. Die individuelle Schuld der Angeklagten war als zu gering oder höchstens mittelschwer anzusehen. Unzählige Planungsfehler und ein kollektives Versagen am Veranstaltungstag gelten als hauptverantwortliche Ursachen der Katastrophe. Kurz gesagt gab es so viele Mitverantwortliche, dass es unmöglich war, einzelne Schuldige zu belangen. Die Staatsanwaltschaft beschrieb die Loveparade als Unglück, als Katastrophe und ist zwar unzufrieden mit der Einstellung, sieht aber keine Fehler bei sich und empfindet die Einstellung “nunmehr sachgerecht”. Im Juli 2020 wäre die Tat verjährt, weshalb ein sich noch weiter hinziehender Prozess keinen Sinn gemacht hätte.

21 Menschen im Alter von 17 bis 38 Jahren sind erdrückt worden. Mindestens 652 Menschen wurden körperlich, min. 10 000 seelisch schwer verletzt. Tausende sind bis heute traumatisiert.

Am Unglücksort wird ein Mahnmal zum Gedenken an die Opfer errichtet ein Weg inmitten eines Gartens, Kerzen und Kreuze zieren den Unglücksort heute.

„Hinsichtlich des Einflusses auf die Sicherheitskonzeption von Großveranstaltungen war die Loveparade sicherlich ein Ereignis, dass die Planung solcher Veranstaltungen maßgeblich beeinflusst und verbessert hat.“   Wird Experte Prof. Dr. Frank FRIEDRICH von der Uni Wuppertal berichten.

Zitat aus der Pressemitteilung des LG Duisburg:

„Unter Gesamtwürdigung dieser Erkenntnisse und aller Umstände der Katastrophe kommt das Gericht trotz der schwerwiegenden Folgen der Tat zu dem Schluss, dass die (mögliche) individuelle Schuld der Angeklagten an der Katastrophe zum jetzigen Zeitpunkt als gering anzusehen sei. Deshalb soll das Verfahren gegen sie nicht weitergeführt werden. Nach Einschätzung der Richter wäre für den möglichen Fall einer Verurteilung Folgendes zu berücksichtigen: Die Handlungen der Angeklagten haben die schrecklichen Geschehnisse nicht allein, sondern erst im Zusammenwirken mit einer Vielzahl anderer Umstände möglich gemacht. Aus der Beweisaufnahme ist ersichtlich, dass die Angeklagten sich in der Planungsphase darum bemühten, eine für die Besucher sichere Veranstaltung zu organisieren.

Auch ist zu berücksichtigen, dass die Angeklagten seit fast 10 Jahren einem Strafverfahren ausgesetzt sind, das besonders großes mediales Interesse hervorgerufen hat. Zudem mussten sie sich an 183 Verhandlungstagen einer öffentlichen Hauptverhandlung stellen. Das ganze Verfahren war vor allem für die Nebenkläger mit besonderen psychischen Belastungen verbunden. Aber auch die Angeklagten waren durch die lange Verfahrensdauer Belastungen ausgesetzt. Aus diesen Gründen hält es das Gericht für geboten, das Verfahren nach § 153 StPO einzustellen.“

Hier geht es zur vollständigen Pressemitteilung des LG Duisburg zur Einstellung des Straverfahrens.


13.01.2021

Loveparade-Experte SARTORY über den Prozess und die personellen Wechsel auf behördlicher Ebene. 


(JakSo / LJ)