Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 17.12.2010

Die Millionenfalle, Teil 50

Berater und Gutachten sind aus der Politik nicht mehr wegzudenken. Externe Experten werden vor allem gebraucht, weil Politiker nicht in allen Themen und rechtlichen Spezialfragen den nötigen Sachverstand haben können, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen.

Gutachter werden aber nicht selten auch nur als willfährige Erfüllungsgehilfen von Politikern genutzt, um das politisch Gewollte mit vermeintlich objektiven Schriftsätzen abzusichern. Wenn später etwas schief läuft, ist nicht der Politiker "schuld", sondern hat der Gutachter geirrt.

Mit einer geradezu abstrusen (bestellten) Expertise war das World Conference Center Bonn (WCCB) im Dezember 2005 gestartet: Dem Rat wurde die in der US-Steueroase residierende Briefkastenfirma SMI Hyundai Corporation als Teil eines leistungsstarken Konzerns verkauft, der zudem einen "zuschussfreien Kongressbetrieb" in Aussicht stellte - obwohl Kongresszentren bundesweit ohne öffentliche Zuschüsse kaum überlebensfähig sind. Gegen den Verfasser der SMI-Hyundai-Gunstschrift, Michael Thielbeer, ermittelt heute die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.

Vielleicht wäre die WCCB-Heimfall-Beschlussvorlage in einer Stadt mit ganz überwiegend unkritischen Volksvertretern und Medien wie anno 2005 Thielbeers Papier ohne Diskussion durchgegangen. Aber nach dieser bizarren Vorgeschichte und angesichts der Tatsache, dass sich das WCCB zur größten wirtschaftlichen Bedrohung Bonns in der Nachkriegsgeschichte entwickelt, beäugt zumindest eine Minderheit des amtierenden Stadtrats Verwaltungspapiere aufmerksamer.

Zudem erschien es bereits vor Monaten (siehe Millionenfalle 37) sehr zweifelhaft, dass der Heimfall eine in sich schlüssige Zukunftsoption darstellt. Ausschreibung, Mehrwertsteuer und Gewährleistung galten früh als Faktoren, die Preistreiberei und Zeitverzögerung begünstigen.

Und nun kommt durch ein Schlupfloch in der Verwaltung eher zufällig heraus, dass eine Beschlussvorlage vorliegt, wo "Berater" draufsteht, aber offenbar überwiegend "Nimptsch" drin ist. Reinhold Ernst von der Düsseldorfer Kanzlei Hengeler Müller, juristischer WCCB-Chefberater von Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD), kritisiert in einer Mail an der Beschlussvorlage einiges.

Er beginnt mit den Worten: "Ich rege noch einmal an zu prüfen, ob der Rat durch die gewählten Formulierungen richtig informiert wird." So vage bleibt er nicht. Ernst wird konkret: " (...) handelt die Verwaltung daher nicht - wie in dem Entwurf immer noch dargestellt - »im Einvernehmen mit ihren Beratern«." Oder: "Unsere Empfehlung spricht ferner nicht isoliert von einer »bestmöglichen Handlungsoption«. Oder: "Lassen Sie mich noch einmal feststellen, dass wir keine »Gesamtempfehlung« (...) abgegeben haben. Ich finde die Formulierung (...) auch etwas irreführend.

»Steuerrechtlich zulässig« impliziert möglicherweise, dass keine Belastungen oder Risiken vorhanden sind - dies ist aber gerade nicht der Fall. Wir haben im Übrigen auch nicht umfassend »zivil- und steuerrechtlich« beraten. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Rat und Verwaltung sehr viel Wert darauf legen, eine Beurteilung zur Frage zu haben, ob sie sich gegebenenfalls einem Untreuevorwurf aussetzen könnten. Im Übrigen müssen sich Rat und Verwaltung aber ein eigenes Bild davon machen, ob sie den Heimfall und die weiteren Maßnahmen (Weiterbau, etc.) für sinnvoll halten. Es ist mE nicht ausreichend, insoweit allein auf Berater zu verweisen."

Das ist starker Tobak. Es bleiben Fragen: Warum gibt die Verwaltung enorme Summen, insgesamt Millionen, für die WCCB-Beratung aus, wenn sie vor deren Ergebnisse einen dicken Filter - gefällt uns, gefällt uns nicht - schraubt? Zumindest vor dem Stadtrat. Oder benötigt die Verwaltung nur die Namen von Beratern als Überschrift, um dann im Text nur das von den Beratern zu verwenden, was von OB Nimptsch politisch gewollt ist?

Als die "Meldung" vom Widerspruch des Chefberaters sich wie ein Lauffeuer im Rathaus verbreitet, spielt Nimptsch Feuerwehr. Er versucht, indem er am Donnerstag um 11.46 Uhr scheinbar freiwillig die Beratermails an die Fraktionsvorsitzenden sendet, das Feuer zu löschen. Doch das überzeugt niemanden mehr. Instinktiv fühlen sich die Nicht-SPD-Ratsmitglieder an alte WCCB-Zeiten erinnert: "Der Rat wurde wieder einmal beim WCCB hinters Licht geführt", sagt FDP-Chef Werner Hümmrich. "Ein klarer Vertrauensbruch."

Damit sei Nimptsch in Sachen Informationspolitik "ein Stück weit in die Fußstapfen seiner Vorgängerin Bärbel Dieckmann getreten". Bernhard Wimmer (Bürger Bund Bonn): "Dass der Oberbürgermeister uns diese Informationen vorenthalten hat, grenzt schon an Betrug. Eigentlich hätten wir ja heute den Heimfall beschließen sollen."

Die Verwaltung sei, so Peter Finger (Grüne), verpflichtet, "alle Einschätzungen der Berater transparent zu machen. Das ist hier nicht geschehen, und wir wollen wissen: Warum nicht?" Die schwarz-grüne Mehrheit macht deutlich, dass sie vor allem die Handlungsfähigkeit der Stadt erhalten und unter keinen Umständen in den Nothaushalt geraten will.

Wer die Mails des Beraters aufmerksam liest, kommt nicht zwangsläufig zu dem Fazit, dass der komplette Heimfall die "bestmögliche Option" ist. Stichwort: Zwangsversteigerung. Welcher bietende Investor könnte ein grundsätzlich defizitäres Kongresszentrum ersteigern wollen? Wie viele Konkurrenten hätte die Stadt? Im Spiel mit dem Insolvenzverwalter, weitgehend eine Pokerpartie, hat die Stadt sich zu früh in die Karten schauen lassen.

Das hat den Preis für die Heimfallvergütung steigen und Verhandlungsspielräume in fast allen Punkten schrumpfen lassen. Risiko: Eines Tages hat die Stadt ihr "WCCB-Baby" für Millionen heimgeholt, kann aber nicht zur Bautat schreiten, weil der Insolvenzverwalter weiter auf den Plänen sitzt.

Und die Gefahr, die von der im Grundbuch stehenden Investmentfirma Arazim (Zypern) ausgeht, ist in der Beschlussvorlage (siehe Millionenfalle 49) arg verharmlosend beschrieben. In den Beratermails entdeckt man dazu im ungünstigsten Fall die Zahl "ca. EUR 12 Mio." - auch das eine Neuigkeit, die nahelegt, beim WCCB nie zu knapp zu kalkulieren.

Fazit: Die Schnecke regiert weiter das WCCB. Die Einigung über die Zukunft zieht und zieht sich. Aber wer langsam geht, übersieht weniger. Einstweilen haben kritische und aufmerksame Ratsmitglieder Bonn vor der nächsten, vorschnellen Dummheit bewahrt. Dass ein Berater seine Reputation und seinen Missbrauch durch eine Verwaltung möglicherweise höher bewertet als seine Vergütung, ist eine weitere Erkenntnis eines stürmischen Donnerstags.